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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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[Spaltenumbruch] Nord/ etliche dem Mittage geneigt wären/ und
daher die entweder in die Lufft gehenckte/ oder
auff dem Wasser schwimmende Eisenfädeme
sich beständig mit dem einen Ende gegen Mit-
ternacht/ mit dem andern gegen Sud lenckten/
glaubte er festiglich/ daß dieser Zug aus einem
verborgenen Triebe der Natur/ nicht aber aus
Zauberey herrührte.

Beyde ausländische Fürsten bezeigten sich
über dieser merckwürdigen Nachricht sehr ver-
gnügt; Rhemetalces aber fing an: Wir sind un-
vermerckt aus diesem Forste auffs Meer und
aus Deutschland in eine neue Welt gerathen/ also
weiß ich nicht/ ob wir nicht Zeit zur Rückkehr
haben/ da wir heute nicht gar hier verbleiben
wollen. Malovend versetzte: Es ist so wenig oh-
ne Ursache geschehen/ als dieser sechste Feldherr
der grosse Marcomir gemahlet ist/ daß er mit ie-
dem Fusse auff einer Weltkugel stehet/ und in ie-
der Hand eine Sonne trägt. Denn weil sein
Vater Hunnus noch für dem Groß-Vater
starb/ erbte er von seiner Mutter alle Britan-
nische Reiche und die Atlantischen Eylande/
nach des Groß-Vatern Tode aber die Deut-
schen und etliche Gallische Hertzogthümer und
die Würde ihres Feldherrn. Dahero sagte man
von ihm/ er beherrschte eine zweyfache Welt/ und
in seinem Gebiete ginge die Sonne nicht unter.
Ja seine Herrschafften waren so groß/ daß er
seinen Bruder mit dem Reiche der Nori-
cher betheilte/ der ohne diß mit seiner Gemahlin
des Königs Lissudaval Tochter der Boyen und
Qvaden Hertzogthümer überkam. Das Ver-
hängniß hatte dem Marcomir gleichsam zwey
irrdische Neben-Sonnen/ nehmlich den Salo-
min der Scythen/ und den Usesival der Salli-
er und Cantabrer König entgegen gesetzt/ wor-
mit er durch beyder Verdüsterung so viel herr-
lichern Glantz erlangen möchte. Usesival drang
nicht allein über den Rhein/ sondern auch in Hi-
bernien/ eroberte Farnaboja/ Olamin und Car-
ioma; sondern er erregte auch wider ihn den
[Spaltenumbruch] Hertzog der Hermundurer und Catten/ ja auch
das Haupt der Druyden/ unter dem Vorwand/
daß er die Barden und Eustachen zum Unter-
gange der alten Druyden in Deutschland hege-
te. Alleine der Feldherr Marcomir schlug die
Gallier etliche mahl biß auffs Haupt/ eroberte
alle abgenommene Plätze/ bemächtigte sich al-
ler Landschafften zwischen der Maaß/ eroberte
die Vesontier und Caturiger/ kriegte in einer
blutigen Schlacht bey Zitin den König Usesi-
val/ an der Elbe der Hermundurer und Cat-
ten Hertzog/ wie auch das Haupt der Druyden
gefangen. Den Scythischen König Salomin/
der seinen Bruder bey einem von dem Fürsten
Jazapol in Pannonien erregten Auffruhre die
Städte Carpin und Bregentio erobert hatte/
trieb er von Belägerung der Stadt Vindo-
mana mit grossem Verlust weg. Ja als Sa-
lomin den König in Colchis Aßemules aus sei-
nem Reiche vertrieb/ dieser aber zum Marco-
mir seine Zuflucht nahm/ schiffte er über das
schwartze Meer/ erlegte den neu eingesetzten
Fürsten Barsabosar/ eroberte die Haupt-Stadt
Phasia/ und befestigte darinnen den Aßemu-
les. Hinter der Atlantischen Jnsel ließ er
auff zwey erhobene Stein-Felsen zwey gros-
se Colossen aus Ertzt/ einen der Sonnen/ den
andern dem Monden zu Ehren auffrichten/
und zur Andeutung/ daß ihm seine Reichs-
Grentzen noch viel zu gedrange wären/ mit
göldner Schrifft darauff etzen: Der Zirckel
der Sonnen ist der Tugend zu enge/
und des Monden zu niedrig.
Dieser
Uberschrifft/ sagte Zeno/ klebt sicher mehr Hoch-
muth an/ als den Thränen des grossen Ale-
xanders/ der darum geweinet haben soll/ daß
mehr nicht als eine Welt zu seiner Besiegung
verhanden sey. Malovend versetzte: Dero-
gleichen Auslegung hat Marcomir schon selbst
verschmertzen müssen/ indem einige über sei-
ne Seulen einen Krebs gesetzt mit der Uber-

schrifft:

Anderes Buch
[Spaltenumbruch] Nord/ etliche dem Mittage geneigt waͤren/ und
daher die entweder in die Lufft gehenckte/ oder
auff dem Waſſer ſchwimmende Eiſenfaͤdeme
ſich beſtaͤndig mit dem einen Ende gegen Mit-
ternacht/ mit dem andern gegen Sud lenckten/
glaubte er feſtiglich/ daß dieſer Zug aus einem
verborgenen Triebe der Natur/ nicht aber aus
Zauberey herruͤhrte.

Beyde auslaͤndiſche Fuͤrſten bezeigten ſich
uͤber dieſer merckwuͤrdigen Nachricht ſehr ver-
gnuͤgt; Rhemetalces aber fing an: Wir ſind un-
vermerckt aus dieſem Forſte auffs Meer und
aus Deutſchland in eine neue Welt geꝛathen/ alſo
weiß ich nicht/ ob wir nicht Zeit zur Ruͤckkehr
haben/ da wir heute nicht gar hier verbleiben
wollen. Malovend verſetzte: Es iſt ſo wenig oh-
ne Urſache geſchehen/ als dieſer ſechſte Feldherr
der groſſe Marcomir gemahlet iſt/ daß er mit ie-
dem Fuſſe auff einer Weltkugel ſtehet/ und in ie-
der Hand eine Sonne traͤgt. Denn weil ſein
Vater Hunnus noch fuͤr dem Groß-Vater
ſtarb/ erbte er von ſeiner Mutter alle Britan-
niſche Reiche und die Atlantiſchen Eylande/
nach des Groß-Vatern Tode aber die Deut-
ſchen und etliche Galliſche Hertzogthuͤmer und
die Wuͤrde ihres Feldherrn. Dahero ſagte man
von ihm/ er beherrſchte eine zweyfache Welt/ und
in ſeinem Gebiete ginge die Sonne nicht unter.
Ja ſeine Herrſchafften waren ſo groß/ daß er
ſeinen Bruder mit dem Reiche der Nori-
cher betheilte/ der ohne diß mit ſeiner Gemahlin
des Koͤnigs Liſſudaval Tochter der Boyen und
Qvaden Hertzogthuͤmer uͤberkam. Das Ver-
haͤngniß hatte dem Marcomir gleichſam zwey
irrdiſche Neben-Sonnen/ nehmlich den Salo-
min der Scythen/ und den Uſeſival der Salli-
er und Cantabrer Koͤnig entgegen geſetzt/ wor-
mit er durch beyder Verduͤſterung ſo viel herr-
lichern Glantz erlangen moͤchte. Uſeſival drang
nicht allein uͤber den Rhein/ ſondern auch in Hi-
bernien/ eroberte Farnaboja/ Olamin und Car-
ioma; ſondern er erregte auch wider ihn den
[Spaltenumbruch] Hertzog der Hermundurer und Catten/ ja auch
das Haupt der Druyden/ unter dem Vorwand/
daß er die Barden und Euſtachen zum Unter-
gange der alten Druyden in Deutſchland hege-
te. Alleine der Feldherr Marcomir ſchlug die
Gallier etliche mahl biß auffs Haupt/ eroberte
alle abgenommene Plaͤtze/ bemaͤchtigte ſich al-
ler Landſchafften zwiſchen der Maaß/ eroberte
die Veſontier und Caturiger/ kriegte in einer
blutigen Schlacht bey Zitin den Koͤnig Uſeſi-
val/ an der Elbe der Hermundurer und Cat-
ten Hertzog/ wie auch das Haupt der Druyden
gefangen. Den Scythiſchen Koͤnig Salomin/
der ſeinen Bruder bey einem von dem Fuͤrſten
Jazapol in Pannonien erregten Auffruhre die
Staͤdte Carpin und Bregentio erobert hatte/
trieb er von Belaͤgerung der Stadt Vindo-
mana mit groſſem Verluſt weg. Ja als Sa-
lomin den Koͤnig in Colchis Aßemules aus ſei-
nem Reiche vertrieb/ dieſer aber zum Marco-
mir ſeine Zuflucht nahm/ ſchiffte er uͤber das
ſchwartze Meer/ erlegte den neu eingeſetzten
Fuͤrſten Barſaboſar/ eroberte die Haupt-Stadt
Phaſia/ und befeſtigte darinnen den Aßemu-
les. Hinter der Atlantiſchen Jnſel ließ er
auff zwey erhobene Stein-Felſen zwey groſ-
ſe Coloſſen aus Ertzt/ einen der Sonnen/ den
andern dem Monden zu Ehren auffrichten/
und zur Andeutung/ daß ihm ſeine Reichs-
Grentzen noch viel zu gedrange waͤren/ mit
goͤldner Schrifft darauff etzen: Der Zirckel
der Sonnen iſt der Tugend zu enge/
und des Monden zu niedrig.
Dieſer
Uberſchrifft/ ſagte Zeno/ klebt ſicher mehr Hoch-
muth an/ als den Thraͤnen des groſſen Ale-
xanders/ der darum geweinet haben ſoll/ daß
mehr nicht als eine Welt zu ſeiner Beſiegung
verhanden ſey. Malovend verſetzte: Dero-
gleichen Auslegung hat Marcomir ſchon ſelbſt
verſchmertzen muͤſſen/ indem einige uͤber ſei-
ne Seulen einen Krebs geſetzt mit der Uber-

ſchrifft:
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[132/0182] Anderes Buch Nord/ etliche dem Mittage geneigt waͤren/ und daher die entweder in die Lufft gehenckte/ oder auff dem Waſſer ſchwimmende Eiſenfaͤdeme ſich beſtaͤndig mit dem einen Ende gegen Mit- ternacht/ mit dem andern gegen Sud lenckten/ glaubte er feſtiglich/ daß dieſer Zug aus einem verborgenen Triebe der Natur/ nicht aber aus Zauberey herruͤhrte. Beyde auslaͤndiſche Fuͤrſten bezeigten ſich uͤber dieſer merckwuͤrdigen Nachricht ſehr ver- gnuͤgt; Rhemetalces aber fing an: Wir ſind un- vermerckt aus dieſem Forſte auffs Meer und aus Deutſchland in eine neue Welt geꝛathen/ alſo weiß ich nicht/ ob wir nicht Zeit zur Ruͤckkehr haben/ da wir heute nicht gar hier verbleiben wollen. Malovend verſetzte: Es iſt ſo wenig oh- ne Urſache geſchehen/ als dieſer ſechſte Feldherr der groſſe Marcomir gemahlet iſt/ daß er mit ie- dem Fuſſe auff einer Weltkugel ſtehet/ und in ie- der Hand eine Sonne traͤgt. Denn weil ſein Vater Hunnus noch fuͤr dem Groß-Vater ſtarb/ erbte er von ſeiner Mutter alle Britan- niſche Reiche und die Atlantiſchen Eylande/ nach des Groß-Vatern Tode aber die Deut- ſchen und etliche Galliſche Hertzogthuͤmer und die Wuͤrde ihres Feldherrn. Dahero ſagte man von ihm/ er beherrſchte eine zweyfache Welt/ und in ſeinem Gebiete ginge die Sonne nicht unter. Ja ſeine Herrſchafften waren ſo groß/ daß er ſeinen Bruder mit dem Reiche der Nori- cher betheilte/ der ohne diß mit ſeiner Gemahlin des Koͤnigs Liſſudaval Tochter der Boyen und Qvaden Hertzogthuͤmer uͤberkam. Das Ver- haͤngniß hatte dem Marcomir gleichſam zwey irrdiſche Neben-Sonnen/ nehmlich den Salo- min der Scythen/ und den Uſeſival der Salli- er und Cantabrer Koͤnig entgegen geſetzt/ wor- mit er durch beyder Verduͤſterung ſo viel herr- lichern Glantz erlangen moͤchte. Uſeſival drang nicht allein uͤber den Rhein/ ſondern auch in Hi- bernien/ eroberte Farnaboja/ Olamin und Car- ioma; ſondern er erregte auch wider ihn den Hertzog der Hermundurer und Catten/ ja auch das Haupt der Druyden/ unter dem Vorwand/ daß er die Barden und Euſtachen zum Unter- gange der alten Druyden in Deutſchland hege- te. Alleine der Feldherr Marcomir ſchlug die Gallier etliche mahl biß auffs Haupt/ eroberte alle abgenommene Plaͤtze/ bemaͤchtigte ſich al- ler Landſchafften zwiſchen der Maaß/ eroberte die Veſontier und Caturiger/ kriegte in einer blutigen Schlacht bey Zitin den Koͤnig Uſeſi- val/ an der Elbe der Hermundurer und Cat- ten Hertzog/ wie auch das Haupt der Druyden gefangen. Den Scythiſchen Koͤnig Salomin/ der ſeinen Bruder bey einem von dem Fuͤrſten Jazapol in Pannonien erregten Auffruhre die Staͤdte Carpin und Bregentio erobert hatte/ trieb er von Belaͤgerung der Stadt Vindo- mana mit groſſem Verluſt weg. Ja als Sa- lomin den Koͤnig in Colchis Aßemules aus ſei- nem Reiche vertrieb/ dieſer aber zum Marco- mir ſeine Zuflucht nahm/ ſchiffte er uͤber das ſchwartze Meer/ erlegte den neu eingeſetzten Fuͤrſten Barſaboſar/ eroberte die Haupt-Stadt Phaſia/ und befeſtigte darinnen den Aßemu- les. Hinter der Atlantiſchen Jnſel ließ er auff zwey erhobene Stein-Felſen zwey groſ- ſe Coloſſen aus Ertzt/ einen der Sonnen/ den andern dem Monden zu Ehren auffrichten/ und zur Andeutung/ daß ihm ſeine Reichs- Grentzen noch viel zu gedrange waͤren/ mit goͤldner Schrifft darauff etzen: Der Zirckel der Sonnen iſt der Tugend zu enge/ und des Monden zu niedrig. Dieſer Uberſchrifft/ ſagte Zeno/ klebt ſicher mehr Hoch- muth an/ als den Thraͤnen des groſſen Ale- xanders/ der darum geweinet haben ſoll/ daß mehr nicht als eine Welt zu ſeiner Beſiegung verhanden ſey. Malovend verſetzte: Dero- gleichen Auslegung hat Marcomir ſchon ſelbſt verſchmertzen muͤſſen/ indem einige uͤber ſei- ne Seulen einen Krebs geſetzt mit der Uber- ſchrifft:

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/182>, abgerufen am 29.03.2024.