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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es ist löblich/ die Tugend auch an seinen Fein-
den loben/ und ist derogleichen Zeugnis so viel
mehr von der Heucheley/ und dem in selbter
verborgenen heßlichen Laster der Dienstbar-
keit entfernet. Hingegen ist auch der glaub-
würdigsten Freunde Urtheil verdächtig/ weil
selbtem auch wider ihren Vorsatz wo nicht ei-
ne Heucheley/ doch eine zu gütige Gewogen-
heit anhänget. Diesemnach wir denn so viel-
mehr von ihnen die Geschichte/ und zwar aus
keines andern Munde zu vernehmen begierig
sind. Malovend antwortete: Er würde die-
ser Helden Verdiensten und des Zeno Sorg-
falt ein Genügen zu thun zwölff Monat zur
Erzehlung bedürffen. Jedoch wolte er hiervon
einen Schatten und nicht vielmehr/ als der
Mahler allhier gethan/ von ihnen entwerffen.
Als nun beyde ihre Begierde anzuhören mit
Stillschweigen zu verstehen gaben/ hob Malo-
vend an: Wir Deutschen sind insgesamt vom A-
scenatz entsprossen/ welcher mit seinen Nachkom-
men im kleinern Asien den Sitz gehabt/ von dem
die Phrygier/ Bithynier/ Trojaner und Ascani-
er/ wie auch die Reiche Ararath/ Minni und A-
scenatz den Ursprung haben. Hertzog Tuisco
hat mit einer grossen Menge Volcks theils über
das enge/ theils das schwartze Meer gesetzt/ und
sich aller Länder zwischen dem Rhein und der
Rha bemächtigt. Jhm ist im Reiche gefolgt Her-
tzog Mann/ Hertzog Jngevon/ und Jstevon/ mit
welchen sich Deutschland in viel Hertzogthümer
zu theilen angefangen/ sonderlich da zugleich die
um das Caspische Meer und die Meotische See
wohnenden Cimbrer/ für der Macht der Scy-
then/ mit welcher ihr König Jndathyrsus die
halbe Welt überschwemmete/ sich flüchteten/ und
theils in klein Asien/ als ihr altes Vaterland/
theils aber unter dem Fürsten Gomar/ meinem
Uhranherrn durch die flachen Sarmatischen
Felder sich an der Ost-See niederliessen. Unge-
achtet dieser Theilung/ erwehlten die deutschen
Fürsten unter ihnen ein gewisses Haupt/ wel-
chem sie zwar nicht als einem vollmächtigen Kö-
[Spaltenumbruch] nige unterthänig waren/ gleichwol aber in ihren
selbsteignen Zwistigkeiten/ und wann sie mit an-
dern Völckern in Krieg verfielen/ sich seiner Ver-
mittelung und Heerführung unterwarffen. An-
fangs bestand diese Wahl bey denen gesamten
Fürsten/ hernach aber ward solche wegen mehr-
mahliger Zwytracht und Langsamkeit siben Für-
sten heimgestellt. Aus den Cheruskischen Hertzo-
gen ist Hermion der erste/ der zu dieser Würde
kam/ und auch hier in den Gemählden. Sechs
Fürsten gaben ihm wegen seiner Großmüthig-
keit/ und zwar derer drey gegen Verlobung sei-
ner wunderschönen Tochter einmüthig ihre
Stimmen/ wie es ein Sternseher vorher dem
Könige Jstevon/ an dessen Hofe er erzogen wor-
den war/ wahrgesagt hatte; der einige Hertzog der
Qvaden Atcoroth/ der vom Hercinischen Gebür-
ge an alle zwischen der March/ der Weichsel und
der Teiße gelegene Länder beherrschte/ lag wider
die Noricher zu Feld und wohnte der Wahl nicht
bey. So bald dieser solche Erhöhung vernahm/
gab er sein Mißfallen mit vielen ungleichen Be-
zeugungen an Tag; ja ließ sich selbst für einen O-
bersten Feldherrn Deutschlandes ausruffen; un-
geachtet er vorher diese ihm angetragene Wür-
de/ auf Einrathen seines obersten Cämmerers/
ausgeschlagen hatte. Denn weil Fürst Hermion
für etlichen Jahren in des mächtigen Atcoroths
Diensten gelebt hatte/ und sein oberster Mar-
schall gewest war/ schiene es ihm verkleinerlich zu
seyn/ den numehr als sein Haupt zu verehren/
dem er vorhin zu befehlen gehabt hatte. Hinge-
gen konte seine Tochter Emma ihre Freude kaum
verdecken/ als welche sich in Hermions Sohn den
Fürsten Marß verliebt/ und ihm heimlich die
Ehe versprochen hatte. Hermion ward mit gros-
sem Gepränge/ ungeachtet des Atcoroths Wi-
dersetzung/ zum Feldherrn ausgeruffen/ es traff
sich aber/ daß der Reichsstab unversehens ver-
mißt ward/ auff welchem die Fürsten dem
Feldherrn die Pflicht zu leisten gewohnt waren.
Als diese nun dem Hermion selbte abzulegen an-
stunden/ entblössete er seinen Degen/ mit diesen

Wor-

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] Es iſt loͤblich/ die Tugend auch an ſeinen Fein-
den loben/ und iſt derogleichen Zeugnis ſo viel
mehr von der Heucheley/ und dem in ſelbter
verborgenen heßlichen Laſter der Dienſtbar-
keit entfernet. Hingegen iſt auch der glaub-
wuͤrdigſten Freunde Urtheil verdaͤchtig/ weil
ſelbtem auch wider ihren Vorſatz wo nicht ei-
ne Heucheley/ doch eine zu guͤtige Gewogen-
heit anhaͤnget. Dieſemnach wir denn ſo viel-
mehr von ihnen die Geſchichte/ und zwar aus
keines andern Munde zu vernehmen begierig
ſind. Malovend antwortete: Er wuͤrde die-
ſer Helden Verdienſten und des Zeno Sorg-
falt ein Genuͤgen zu thun zwoͤlff Monat zur
Erzehlung beduͤrffen. Jedoch wolte er hiervon
einen Schatten und nicht vielmehr/ als der
Mahler allhier gethan/ von ihnen entwerffen.
Als nun beyde ihre Begierde anzuhoͤren mit
Stillſchweigen zu verſtehen gaben/ hob Malo-
vend an: Wir Deutſchen ſind insgeſamt vom A-
ſcenatz entſproſſen/ welcher mit ſeinen Nachkom-
men im kleinern Aſien den Sitz gehabt/ von dem
die Phrygier/ Bithynier/ Trojaner und Aſcani-
er/ wie auch die Reiche Ararath/ Minni und A-
ſcenatz den Urſprung haben. Hertzog Tuiſco
hat mit einer groſſen Menge Volcks theils uͤber
das enge/ theils das ſchwartze Meer geſetzt/ und
ſich aller Laͤnder zwiſchen dem Rhein und der
Rha bemaͤchtigt. Jhm iſt im Reiche gefolgt Her-
tzog Mann/ Hertzog Jngevon/ und Jſtevon/ mit
welchen ſich Deutſchland in viel Hertzogthuͤmer
zu theilen angefangen/ ſonderlich da zugleich die
um das Caſpiſche Meer und die Meotiſche See
wohnenden Cimbrer/ fuͤr der Macht der Scy-
then/ mit welcher ihr Koͤnig Jndathyrſus die
halbe Welt uͤberſchwemmete/ ſich fluͤchteten/ und
theils in klein Aſien/ als ihr altes Vaterland/
theils aber unter dem Fuͤrſten Gomar/ meinem
Uhranherrn durch die flachen Sarmatiſchen
Felder ſich an der Oſt-See niederlieſſen. Unge-
achtet dieſer Theilung/ erwehlten die deutſchen
Fuͤrſten unter ihnen ein gewiſſes Haupt/ wel-
chem ſie zwar nicht als einem vollmaͤchtigen Koͤ-
[Spaltenumbruch] nige unterthaͤnig waren/ gleichwol aber in ihren
ſelbſteignen Zwiſtigkeiten/ und wann ſie mit an-
dern Voͤlckern in Krieg verfielen/ ſich ſeiner Veꝛ-
mittelung und Heerfuͤhrung unterwarffen. An-
fangs beſtand dieſe Wahl bey denen geſamten
Fuͤrſten/ hernach aber ward ſolche wegen mehr-
mahliger Zwytracht und Langſamkeit ſiben Fuͤr-
ſten heimgeſtellt. Aus den Cheruſkiſchen Hertzo-
gen iſt Hermion der erſte/ der zu dieſer Wuͤrde
kam/ und auch hier in den Gemaͤhlden. Sechs
Fuͤrſten gaben ihm wegen ſeiner Großmuͤthig-
keit/ und zwar derer drey gegen Verlobung ſei-
ner wunderſchoͤnen Tochter einmuͤthig ihre
Stimmen/ wie es ein Sternſeher vorher dem
Koͤnige Jſtevon/ an deſſen Hofe er erzogen wor-
den war/ wahrgeſagt hatte; der einige Hertzog der
Qvaden Atcoroth/ der vom Herciniſchen Gebuͤꝛ-
ge an alle zwiſchen der March/ der Weichſel und
der Teiße gelegene Laͤnder beherrſchte/ lag wider
die Noricher zu Feld und wohnte der Wahl nicht
bey. So bald dieſer ſolche Erhoͤhung vernahm/
gab er ſein Mißfallen mit vielen ungleichen Be-
zeugungen an Tag; ja ließ ſich ſelbſt fuͤr einen O-
berſten Feldherꝛn Deutſchlandes ausruffen; un-
geachtet er vorher dieſe ihm angetragene Wuͤr-
de/ auf Einrathen ſeines oberſten Caͤmmerers/
ausgeſchlagen hatte. Denn weil Fuͤrſt Hermion
fuͤr etlichen Jahren in des maͤchtigen Atcoroths
Dienſten gelebt hatte/ und ſein oberſter Mar-
ſchall geweſt war/ ſchiene es ihm verkleinerlich zu
ſeyn/ den numehr als ſein Haupt zu verehren/
dem er vorhin zu befehlen gehabt hatte. Hinge-
gen konte ſeine Tochter Em̃a ihre Freude kaum
verdecken/ als welche ſich in Hermions Sohn den
Fuͤrſten Marß verliebt/ und ihm heimlich die
Ehe verſprochen hatte. Hermion ward mit groſ-
ſem Gepraͤnge/ ungeachtet des Atcoroths Wi-
derſetzung/ zum Feldherrn ausgeruffen/ es traff
ſich aber/ daß der Reichsſtab unverſehens ver-
mißt ward/ auff welchem die Fuͤrſten dem
Feldherrn die Pflicht zu leiſten gewohnt waren.
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/161>, abgerufen am 20.04.2024.