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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] Dahero dieser Priester sich nur seines Amptes
nicht entäusern konte/ sondern zu befinden ge-
zwungen ward: Es müste Segesthes/ da er ein
taugliches Opfer seyn wolte/ seinem Vaterlan-
de/ Geschlechte und Nahmen abschweren/ oder
die irrdische Straffe der Verräther ausstehen.
Segesthes entrüstete sich überaus/ und fuhr den
Priester mit harten Worten an: Er habe zwar
bey dieser der Tugend gehässigen Zeit gesündigt;
darumb aber sey bey ihm die Wurtzel der Tu-
gend nicht gäntzlich ausgerottet/ daß er den
Glantz seiner verstorbenen Ahnen lieber mit
Füssen treten/ als sich eines schimpflichen Todes
entbrechen solle. Der erste und letzte Tag des
Lebens mache einen Menschen entweder glück-
selig oder verächtlich/ das Mittel lauffe bald in
Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das
Glück sein Steuer-Ruder führe/ dahero liege
einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß
er das Schau-Spiel seines Lebens tugendhaft
beschlüsse. Ein heimlicher Abend trockne die
Pfützen eines schlüpfrigen Tages auff/ und ein
sauberer Grabe-Stein verdecke auch die besu-
delsten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie-
ber als ein Deutscher gehenckt seyn/ als ein un-
würdiger Frembdling/ oder vielmehr verstosse-
ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden
Opferung genüssen. Das Lob oder die Schan-
de eines Todes rühre nicht von dem Ruffe des
Pöfels/ noch von dem eitelen Wahne des irren-
den Volckes/ sondern von dem Gemüthe des
Sterbenden her. Jhrer viel stiegen rühmlicher
auff den Raben-Stein/ als mancher Asche in
güldne Töpfe und alabasterne Gräber verschar-
ret würde. Niemand war/ der/ dieser letzten
Entschlüssung wegen/ Segesthens Laster nicht
zum Theil für vermindert hielt. Weil auch der
am Ende des Lebens herfürblickende Schatten
der Tugend nicht anders als der Wider-Schein
der untergegangenen Sonne den allerschönsten
Glantz zu haben scheinet. Gleichwol konte Li-
bys nicht vorbey sein End-Urthel zu eröffnen:
[Spaltenumbruch] daß Segesthes nach den Gesetzen des Vaterlan-
des müste hingerichtet werden. Aber/ versetzte
Segesthes/ ist es einem Nachkommen des Halb-
Gotts Tuisco nicht verstattet/ daß er das Urtheil
an sich selbst ausübe/ und/ womit man sein Ver-
brechen nicht weibischer Zagheit zuschreibe/ den
letzten Athem ungezwungen ausdrücke? Denn
ich weiß wol/ daß diese ihnen einen schönern Tod
anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben übrig
haben; aber auch diese sind weniger verächtlich/
welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen
Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge-
hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der
angethane/ nicht der eigenwillige Tod sey eine
Straffe. Dieser sey vielmehr eine Nothwen-
digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein
Ende des Elends. Getrauestu dir denn (fing
die für ihres Vaters Leben sorgfältige Thußnel-
de an/ welche sich gleich durch die Menge des
Volcks zu diesem Trauer-Spiele herzugedrun-
gen hatte) einer zu sterben entschlossenen Seele
den Weg zu verbeugen/ da uns die Natur zu dem
Tode hundert Pforten eröffnet hat? Meinstu/
daß wenn ein Elender die schwache Gemein-
schafft des Leibes und der Seelen zu trennen Lust
hat/ selbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Mes-
ser brauchen/ rauhe Stein-Felsen suchen/ glüen-
de Kohlen verschlingen/ die Adern zerkerben
müsse? Das Glücke hätte über uns allzugrosse
Herrschafft/ wenn wir so langsam/ oder nur auff
einerley Art/ sterben als geboren werden könten;
als welches über einen Lebenden alle/ auff einen/
der zu sterben weiß/ keine Gewalt ausüben kan.
Hat dir nicht Caldus Cälius bewiesen/ daß die
Fessel/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren
solten/ sein Werckzeug darzu gewest? Der Räu-
ber Coma dorffte nichts als seinen eignen Lebens-
Athem hierzu/ durch dessen Hinterhaltung er
unter den Händen seiner Hüter und für den Au-
gen des Bürgermeisters Rupilius sich ersteckte/
also die Ausforschung um seine Geferten zernich-
tete. Aber es sey ferne/ daß Thußnelde dem/

wel-

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] Dahero dieſer Prieſter ſich nur ſeines Amptes
nicht entaͤuſern konte/ ſondern zu befinden ge-
zwungen ward: Es muͤſte Segeſthes/ da er ein
taugliches Opfer ſeyn wolte/ ſeinem Vaterlan-
de/ Geſchlechte und Nahmen abſchweren/ oder
die irrdiſche Straffe der Verraͤther ausſtehen.
Segeſthes entruͤſtete ſich uͤberaus/ und fuhr den
Prieſter mit harten Worten an: Er habe zwar
bey dieſer der Tugend gehaͤſſigen Zeit geſuͤndigt;
darumb aber ſey bey ihm die Wurtzel der Tu-
gend nicht gaͤntzlich ausgerottet/ daß er den
Glantz ſeiner verſtorbenen Ahnen lieber mit
Fuͤſſen treten/ als ſich eines ſchimpflichen Todes
entbrechen ſolle. Der erſte und letzte Tag des
Lebens mache einen Menſchen entweder gluͤck-
ſelig oder veraͤchtlich/ das Mittel lauffe bald in
Ruh/ bald mit Sturm dahin/ nach dem das
Gluͤck ſein Steuer-Ruder fuͤhre/ dahero liege
einem Sterbenden keine Sorge mehr ob/ als daß
er das Schau-Spiel ſeines Lebens tugendhaft
beſchluͤſſe. Ein heimlicher Abend trockne die
Pfuͤtzen eines ſchluͤpfrigen Tages auff/ und ein
ſauberer Grabe-Stein verdecke auch die beſu-
delſten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lie-
ber als ein Deutſcher gehenckt ſeyn/ als ein un-
wuͤrdiger Frembdling/ oder vielmehr verſtoſſe-
ner/ der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden
Opferung genuͤſſen. Das Lob oder die Schan-
de eines Todes ruͤhre nicht von dem Ruffe des
Poͤfels/ noch von dem eitelen Wahne des irren-
den Volckes/ ſondern von dem Gemuͤthe des
Sterbenden her. Jhrer viel ſtiegen ruͤhmlicher
auff den Raben-Stein/ als mancher Aſche in
guͤldne Toͤpfe und alabaſterne Graͤber verſchar-
ret wuͤrde. Niemand war/ der/ dieſer letzten
Entſchluͤſſung wegen/ Segeſthens Laſter nicht
zum Theil fuͤr vermindert hielt. Weil auch der
am Ende des Lebens herfuͤrblickende Schatten
der Tugend nicht anders als der Wider-Schein
der untergegangenen Sonne den allerſchoͤnſten
Glantz zu haben ſcheinet. Gleichwol konte Li-
bys nicht vorbey ſein End-Urthel zu eroͤffnen:
[Spaltenumbruch] daß Segeſthes nach den Geſetzen des Vaterlan-
des muͤſte hingerichtet werden. Aber/ verſetzte
Segeſthes/ iſt es einem Nachkommen des Halb-
Gotts Tuiſco nicht verſtattet/ daß er das Urtheil
an ſich ſelbſt ausuͤbe/ und/ womit man ſein Ver-
brechen nicht weibiſcher Zagheit zuſchreibe/ den
letzten Athem ungezwungen ausdruͤcke? Denn
ich weiß wol/ daß dieſe ihnen einen ſchoͤnern Tod
anthun/ die noch viel Hoffnung zu leben uͤbrig
haben; aber auch dieſe ſind weniger veraͤchtlich/
welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen
Todes mit unverwendeten Augen entgegen ge-
hen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der
angethane/ nicht der eigenwillige Tod ſey eine
Straffe. Dieſer ſey vielmehr eine Nothwen-
digkeit der Natur/ eine Ruhe von der Arbeit/ ein
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die fuͤr ihres Vaters Leben ſorgfaͤltige Thußnel-
de an/ welche ſich gleich durch die Menge des
Volcks zu dieſem Trauer-Spiele herzugedrun-
gen hatte) einer zu ſterben entſchloſſenen Seele
den Weg zu verbeugen/ da uns die Natuꝛ zu dem
Tode hundert Pforten eroͤffnet hat? Meinſtu/
daß wenn ein Elender die ſchwache Gemein-
ſchafft des Leibes und der Seelen zu trennen Luſt
hat/ ſelbter Gift trincken/ Stricke kauffen/ Meſ-
ſer brauchen/ rauhe Stein-Felſen ſuchen/ gluͤen-
de Kohlen verſchlingen/ die Adern zerkerben
muͤſſe? Das Gluͤcke haͤtte uͤber uns allzugroſſe
Herrſchafft/ wenn wir ſo langſam/ odeꝛ nur auff
einerley Art/ ſterben als geboren werden koͤnten;
als welches uͤber einen Lebenden alle/ auff einen/
der zu ſterben weiß/ keine Gewalt ausuͤben kan.
Hat dir nicht Caldus Caͤlius bewieſen/ daß die
Feſſel/ welche ihm den Eigen-Mord verwehren
ſolten/ ſein Werckzeug darzu geweſt? Der Raͤu-
ber Coma dorffte nichts als ſeinen eignen Lebens-
Athem hierzu/ durch deſſen Hinterhaltung er
unter den Haͤnden ſeiner Huͤter und fuͤr den Au-
gen des Buͤrgermeiſters Rupilius ſich erſteckte/
alſo die Ausforſchung um ſeine Geferten zernich-
tete. Aber es ſey ferne/ daß Thußnelde dem/

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/124>, abgerufen am 28.03.2024.