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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als eine Frömmigkeit/ wenn man ihm ein Ge-
wissen macht den in seinem Hause über seinem
Tische hinzurichten/ welchen sein Verbrechen
zum Tode verdammt. Numehro bestehet
dein und der Römer Heil in Zusammen-
raffung der Römischen Kräffte/ und in einer
vorsichtigen Zurückziehung von der Lippe.
Jnzwischen glaube/ daß ich meine Waffen der
Römischen Macht beyzufügen entschlossen sey/
da mir der Feind und das Verhängnüß nicht
alle Wege verbeugen würden. Diß abgelesene
Schreiben verursachte unter dem Kriegs-Vol-
cke ein grosses Getümmel. Einige fragten:
Warumb man den Segesthes/ welcher dem Va-
terlande das Römische Joch hätte an die Hörner
schlingen helffen/ welcher Ursache wäre/ daß
Deutschland zu unausleschlichem Spott zwi-
schen dem Rhein und der Elbe die Römischen
Beile und Ruthen gesehen/ nicht zum Sühn-
Opfer den Göttern des Vaterlandes zum ersten
abgeschlachtet hätte? Andere rieffen: Bey an-
dern Völckern wäre es halsbrüchig/ wenn einer
wider seines Feld-Obersten Willen den Feind
angegriffen/ und gleich gesieget hätte. Papirius
hätte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver-
dammt/ und Manlius seinen eigenen Sohn mit
dem Beile richten lassen. Solte nun Segesthes
sein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die
väterlichen Gesetze hiessen Verräther und Uber-
läuffer an Bäume auffhencken. Man solte
diesen Eydbrüchigen herzu schaffen. Sein ho-
her Stand vermöchte ihn nicht des Todes zu be-
freyen/ wo der Deutschen Gesetze nicht zu Spin-
neweben werden solten/ darinnen nur Mücken
und Fliegen hencken blieben/ Wespen und Hor-
nissen aber durchrissen. Missethaten stünden
Fürsten/ wie Flecken den grösten Gestirnen am
schimpflichsten an. Segesthens Bestraffung
könte auch keine Schande auff seine so hochver-
diente Anverwandten wältzen. Denn die La-
ster besudelten niemanden als den Ubelthäter/
und die Ursache/ nicht die Straffe machte einen
unehrlich. Deßwegen hätte Lucius Brutus
[Spaltenumbruch] seine eigene Söhne/ weil sie mit den verjagten
Tarquiniern Verständnüs gehabt/ und Spu-
rius Cassius seinen nach der Römischen Herr-
schafft strebenden Sohn mit Ruthen schlagen/
und des Kopfes kürtzer machen lassen. Mit
solchem Ungestüm fielen sie an die Priester. Gott
und die Vorfahren hätten ihnen die Gewalt ge-
geben die Missethäter in Hafft zu ziehen und zu
verurtheilen. Sie solten über den Segesthes
ihnen nun Recht verhelffen. Gott könne kei-
nen süssern Geruch empfangen/ als den Dampf
vom kreischenden Blute eines boßhaften Men-
schen. Der Feldherr ward über diesem Zufalle
in nicht geringe Verwirrung versetzt; sonderlich
als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Priester/
mit Hülffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se-
gesthes herbey zu schaffen sich bewegen liessen.
Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/
welcher mehrmals vom Segesthes beleidigt
worden war/ einen Dienst zu thun/ nach dem
insgemein unvergeltete Wolthaten für Verlust/
gerächetes Unrecht für Gewinn gehalten wür-
den. Er selbst konte zwar die Verrätherey Se-
gesthens unverdammet nicht lassen/ gleichwohl
fühlte er schon durch die Beleidigung Segesthens
seiner unvergleichlichen Thußnelde Seele ver-
wunden/ und diese Empfindligkeit ihm selbst
durchs Hertze gehen. Ja diese Bekümmernüß
wuchs noch mehr/ als Ganasch das durch den
Segesthes seinen Chautzern verursachte Unheil
wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun-
dert seiner Köpfe seinen so sehr beschimpften Vol-
cke dergleichen Schmach zu bezahlen viel zu wenig
wären. Hertzog Jubil pflichtete dieser Meynung
nicht nur bey/ sondern zoh auch an: Wem das
Vaterland lieb wäre/ der müste solchen Verrä-
thern gram seyn/ welche auch so gar die haßten/
die sie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch-
ten. Solche grosse Verbrechen übersehen/ wäre
ein gewisses Kennzeichen entweder gleichmässi-
ger Boßheit/ oder daß man sich für denen fürch-
tete/ welche für der Gerechtigkeit leben solten.
Nicht nur die Lasterhaften/ sondern auch die/

wel-
Erster Theil. K

Arminius und Thußnelda.
[Spaltenumbruch] als eine Froͤmmigkeit/ wenn man ihm ein Ge-
wiſſen macht den in ſeinem Hauſe uͤber ſeinem
Tiſche hinzurichten/ welchen ſein Verbrechen
zum Tode verdammt. Numehro beſtehet
dein und der Roͤmer Heil in Zuſammen-
raffung der Roͤmiſchen Kraͤffte/ und in einer
vorſichtigen Zuruͤckziehung von der Lippe.
Jnzwiſchen glaube/ daß ich meine Waffen der
Roͤmiſchen Macht beyzufuͤgen entſchloſſen ſey/
da mir der Feind und das Verhaͤngnuͤß nicht
alle Wege verbeugen wuͤrden. Diß abgeleſene
Schreiben verurſachte unter dem Kriegs-Vol-
cke ein groſſes Getuͤmmel. Einige fragten:
Warumb man den Segeſthes/ welcher dem Va-
terlande das Roͤmiſche Joch haͤtte an die Hoͤrner
ſchlingen helffen/ welcher Urſache waͤre/ daß
Deutſchland zu unausleſchlichem Spott zwi-
ſchen dem Rhein und der Elbe die Roͤmiſchen
Beile und Ruthen geſehen/ nicht zum Suͤhn-
Opfer den Goͤttern des Vaterlandes zum erſten
abgeſchlachtet haͤtte? Andere rieffen: Bey an-
dern Voͤlckern waͤre es halsbruͤchig/ wenn einer
wider ſeines Feld-Oberſten Willen den Feind
angegriffen/ und gleich geſieget haͤtte. Papirius
haͤtte deßwegen den Q. Fabius zum Tode ver-
dam̃t/ und Manlius ſeinen eigenen Sohn mit
dem Beile richten laſſen. Solte nun Segeſthes
ſein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die
vaͤterlichen Geſetze hieſſen Verraͤther und Uber-
laͤuffer an Baͤume auffhencken. Man ſolte
dieſen Eydbruͤchigen herzu ſchaffen. Sein ho-
her Stand vermoͤchte ihn nicht des Todes zu be-
freyen/ wo der Deutſchen Geſetze nicht zu Spin-
neweben werden ſolten/ darinnen nur Muͤcken
und Fliegen hencken blieben/ Weſpen und Hor-
niſſen aber durchriſſen. Miſſethaten ſtuͤnden
Fuͤrſten/ wie Flecken den groͤſten Geſtirnen am
ſchimpflichſten an. Segeſthens Beſtraffung
koͤnte auch keine Schande auff ſeine ſo hochver-
diente Anverwandten waͤltzen. Denn die La-
ſter beſudelten niemanden als den Ubelthaͤter/
und die Urſache/ nicht die Straffe machte einen
unehrlich. Deßwegen haͤtte Lucius Brutus
[Spaltenumbruch] ſeine eigene Soͤhne/ weil ſie mit den verjagten
Tarquiniern Verſtaͤndnuͤs gehabt/ und Spu-
rius Caſſius ſeinen nach der Roͤmiſchen Herr-
ſchafft ſtrebenden Sohn mit Ruthen ſchlagen/
und des Kopfes kuͤrtzer machen laſſen. Mit
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und die Vorfahren haͤtten ihnen die Gewalt ge-
geben die Miſſethaͤter in Hafft zu ziehen und zu
verurtheilen. Sie ſolten uͤber den Segeſthes
ihnen nun Recht verhelffen. Gott koͤnne kei-
nen ſuͤſſern Geruch empfangen/ als den Dampf
vom kreiſchenden Blute eines boßhaften Men-
ſchen. Der Feldherr ward uͤber dieſem Zufalle
in nicht geringe Verwirrung verſetzt; ſonderlich
als er wahrnahm/ daß hierdurch einige Prieſter/
mit Huͤlffe der verbitterten Kriegsleute/ den Se-
geſthes herbey zu ſchaffen ſich bewegen lieſſen.
Und zwar viel/ in Meynung/ dem Feldherrn/
welcher mehrmals vom Segeſthes beleidigt
worden war/ einen Dienſt zu thun/ nach dem
insgemein unvergeltete Wolthaten fuͤr Verluſt/
geraͤchetes Unrecht fuͤr Gewinn gehalten wuͤr-
den. Er ſelbſt konte zwar die Verraͤtherey Se-
geſthens unverdammet nicht laſſen/ gleichwohl
fuͤhlte er ſchon durch die Beleidigung Segeſthens
ſeiner unvergleichlichen Thußnelde Seele ver-
wunden/ und dieſe Empfindligkeit ihm ſelbſt
durchs Hertze gehen. Ja dieſe Bekuͤmmernuͤß
wuchs noch mehr/ als Ganaſch das durch den
Segeſthes ſeinen Chautzern verurſachte Unheil
wieder auf den Teppicht warf/ und daß auch hun-
dert ſeiner Koͤpfe ſeinẽ ſo ſehr beſchimpften Vol-
cke dergleichẽ Schmach zu bezahlẽ viel zu wenig
waͤren. Hertzog Jubil pflichtete dieſer Meynung
nicht nur bey/ ſondern zoh auch an: Wem das
Vaterland lieb waͤre/ der muͤſte ſolchen Verraͤ-
thern gram ſeyn/ welche auch ſo gar die haßten/
die ſie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauch-
ten. Solche groſſe Verbrechen uͤberſehen/ waͤre
ein gewiſſes Kennzeichen entweder gleichmaͤſſi-
ger Boßheit/ oder daß man ſich fuͤr denen fuͤrch-
tete/ welche fuͤr der Gerechtigkeit leben ſolten.
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wel-
Erſter Theil. K
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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/121>, abgerufen am 19.04.2024.