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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] Fleiß befohlen hatte/ er solte mit einem Theile
des Casuarischen Adels auf der deutschen Seite
stehen bleiben und fechten; womit/ wenn die
Deutschen die Ober-Hand behielten/ der Sohn
dem Vater/ da aber die Römer obsiegten/ der
Vater dem Sohne Freyheit und Begnadigung
erbitten könte; Siegesmund auch in der
Schlacht seinen Mann gewehret/ und gute
Kenn-Zeichen seines deutsch-gesinneten Gemü-
thes von sich gegeben hatte; so vermochte doch
diß alles/ entweder wegen kindlicher Liebe/ oder
weil sein Gewissen des Vaters Verbrechen
selbst zu unnachläslicher Straffe verdammete/
ihm nicht die geschöpfte Furcht zu benehmen.
Dahero redete er den Sesitach an: Vetter/ du
weist/ wie mein Vater mich zu grossen Ehren
gebracht zu haben vermeynt/ als er mir wider
meinen Willen/ und die angeborne Abscheu für
den Römern das Priesterthum bey dem von den
Römern am Rheine aufgerichteten Altare der
Ubier nicht ohne grosse Müh und Geld zuwege
gebracht. Zeit und Alter lidten es damals nicht/
daß ich hätte meine innerste Gemüths-Mey-
nung heraus sagen/ oder mich dem väterlichen
Befehle widersetzen dörffen. Den ersten Au-
gen-Blick aber/ da ich von der Deutschen wider
die Römische Dienstbarkeit rühmlich-gefaßten
Entschlüssung nur wenig Wind bekommen/
habe ich vorsätzlich das ewige Feuer ausgelescht/
den Priester-Rock und die Haupt-Binden zer-
rissen/ mich über den Rhein geflüchtet/ und für
mein Vater-Land mein Blut mit besserm Ruh-
me/ als dort die uns geraubten Ochsen/ den
Göttern aufzuopfern/ entschlossen. Gönne
mir diesemnach/ daß ich unsern Schutz-Göttern
dieses von seinem Blute und Vermögen so fette
Opfer abliefern/ und jenes irrdische Priester-
thum in ein heiliges verwandeln möge. Die
Gewogenheit des Fürsten Siegesmunds und
die Einfalt der umbstehenden Kriegsknechte ließ
sich von ihm leicht erbitten/ und der andächtige
Libys wolte einen Fürsten von so hohem Geblü-
[Spaltenumbruch] te/ welcher schon einmal zum Priester geweyhet
war/ von dieser Verrichtung nicht abstossen/ son-
dern befahl/ daß ihm alsobald aus dem heili-
gen Brunnen reines Wasser zu Abwaschung sei-
ner Hände gebracht ward; warff zu seiner Be-
stätigung ihm einen weissen Rock über/ und setzte
ihm einen Lorber-Krantz auff. Fürst Sieges-
mund ward hierüber nicht wenig vergnüget;
weil er hierdurch zum minsten wider die strengen
Gesätze/ welche auch der Verräther Kinder ge-
wissen Straffen unterwerffen/ sich in Sicherheit
gesetzt hatte. Hiermit raffte er sich mit der von
den Kriegs-Leuten entblösseten Leiche des Va-
rus/ warff selbten in die lodernde Flamme des
Altars/ und rieff: Grosser Tuisco/ nim dieses
Opfer für die Wolfahrt des Vater-Landes gnä-
dig an! Ja! und vertilge die Verräther desselbten
mit Strumpf und Stiel; brach ihm Nesselrod
ein Cheruskischer Ritter ein: Sehet/ und erstar-
ret zugleich ihr edlen Deutschen/ über der Boß-
heit des meineydigen Segesthes. Hiermit laß
er einen Brief/ welchen er in des Varus Klei-
dern gefunden/ Segesthes aber die letzte Nacht
für dem Treffen an ihn geschrieben hatte/ mit
nachfolgenden Worten ab:

Segesthes wüntschet dem Quintilius Varus
Leben und Sieg/ ihm selbst aber den numehr zu
späten Tod/ nach dem er mit dem Hertzog Herr-
mann und andern Bundbrüchigen Fürsten in
den Uberfall des Römischen Kriegs-Volcks hat
stimmen müssen/ welche die zum Schein wider
die Sicambrer/ Angrivarier und ihren aufrüh-
rischen Melo versammleten Hülffs-Völcker
folgenden Tag wider eure Adler anführen wer-
den. Wolte Gott! Varus hätte meinen War-
nungen so viel Glauben gegeben/ da ich ihm noch
für wenig Tagen rieth so wol mich als den arg-
listigen Herrmann nebst seinem Anhange bey
seinem Gastmahle in Fessel zu schlüssen/ als er
auff die glatten Versicherungen dieses Aufrüh-
rers mit seinem nun empfindlichen Schaden ge-
trauet. Es ist mehr ein thörichter Aberglauben/

als

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] Fleiß befohlen hatte/ er ſolte mit einem Theile
des Caſuariſchen Adels auf der deutſchen Seite
ſtehen bleiben und fechten; womit/ wenn die
Deutſchen die Ober-Hand behielten/ der Sohn
dem Vater/ da aber die Roͤmer obſiegten/ der
Vater dem Sohne Freyheit und Begnadigung
erbitten koͤnte; Siegesmund auch in der
Schlacht ſeinen Mann gewehret/ und gute
Kenn-Zeichen ſeines deutſch-geſinneten Gemuͤ-
thes von ſich gegeben hatte; ſo vermochte doch
diß alles/ entweder wegen kindlicher Liebe/ oder
weil ſein Gewiſſen des Vaters Verbrechen
ſelbſt zu unnachlaͤslicher Straffe verdammete/
ihm nicht die geſchoͤpfte Furcht zu benehmen.
Dahero redete er den Seſitach an: Vetter/ du
weiſt/ wie mein Vater mich zu groſſen Ehren
gebracht zu haben vermeynt/ als er mir wider
meinen Willen/ und die angeborne Abſcheu fuͤr
den Roͤmern das Prieſterthum bey dem von den
Roͤmern am Rheine aufgerichteten Altare der
Ubier nicht ohne groſſe Muͤh und Geld zuwege
gebracht. Zeit und Alter lidten es damals nicht/
daß ich haͤtte meine innerſte Gemuͤths-Mey-
nung heraus ſagen/ oder mich dem vaͤterlichen
Befehle widerſetzen doͤrffen. Den erſten Au-
gen-Blick aber/ da ich von der Deutſchen wider
die Roͤmiſche Dienſtbarkeit ruͤhmlich-gefaßten
Entſchluͤſſung nur wenig Wind bekommen/
habe ich vorſaͤtzlich das ewige Feuer ausgeleſcht/
den Prieſter-Rock und die Haupt-Binden zer-
riſſen/ mich uͤber den Rhein gefluͤchtet/ und fuͤr
mein Vater-Land mein Blut mit beſſerm Ruh-
me/ als dort die uns geraubten Ochſen/ den
Goͤttern aufzuopfern/ entſchloſſen. Goͤnne
mir dieſemnach/ daß ich unſern Schutz-Goͤttern
dieſes von ſeinem Blute und Vermoͤgen ſo fette
Opfer abliefern/ und jenes irrdiſche Prieſter-
thum in ein heiliges verwandeln moͤge. Die
Gewogenheit des Fuͤrſten Siegesmunds und
die Einfalt der umbſtehenden Kriegsknechte ließ
ſich von ihm leicht erbitten/ und der andaͤchtige
Libys wolte einen Fuͤrſten von ſo hohem Gebluͤ-
[Spaltenumbruch] te/ welcher ſchon einmal zum Prieſter geweyhet
war/ von dieſer Verrichtung nicht abſtoſſen/ ſon-
dern befahl/ daß ihm alſobald aus dem heili-
gen Brunnen reines Waſſer zu Abwaſchung ſei-
ner Haͤnde gebracht ward; warff zu ſeiner Be-
ſtaͤtigung ihm einen weiſſen Rock uͤber/ und ſetzte
ihm einen Lorber-Krantz auff. Fuͤrſt Sieges-
mund ward hieruͤber nicht wenig vergnuͤget;
weil er hierdurch zum minſten wider die ſtrengen
Geſaͤtze/ welche auch der Verraͤther Kinder ge-
wiſſen Straffen unterwerffen/ ſich in Sicherheit
geſetzt hatte. Hiermit raffte er ſich mit der von
den Kriegs-Leuten entbloͤſſeten Leiche des Va-
rus/ warff ſelbten in die lodernde Flamme des
Altars/ und rieff: Groſſer Tuiſco/ nim dieſes
Opfer fuͤr die Wolfahrt des Vater-Landes gnaͤ-
dig an! Ja! und vertilge die Verraͤther deſſelbten
mit Strumpf und Stiel; brach ihm Neſſelrod
ein Cheruskiſcher Ritter ein: Sehet/ und erſtar-
ret zugleich ihr edlen Deutſchen/ uͤber der Boß-
heit des meineydigen Segeſthes. Hiermit laß
er einen Brief/ welchen er in des Varus Klei-
dern gefunden/ Segeſthes aber die letzte Nacht
fuͤr dem Treffen an ihn geſchrieben hatte/ mit
nachfolgenden Worten ab:

Segeſthes wuͤntſchet dem Quintilius Varus
Leben und Sieg/ ihm ſelbſt aber den numehr zu
ſpaͤten Tod/ nach dem er mit dem Hertzog Herr-
mann und andern Bundbruͤchigen Fuͤrſten in
den Uberfall des Roͤmiſchen Kriegs-Volcks hat
ſtimmen muͤſſen/ welche die zum Schein wider
die Sicambrer/ Angrivarier und ihren aufruͤh-
riſchen Melo verſammleten Huͤlffs-Voͤlcker
folgenden Tag wider eure Adler anfuͤhren wer-
den. Wolte Gott! Varus haͤtte meinen War-
nungen ſo viel Glauben gegeben/ da ich ihm noch
fuͤr wenig Tagen rieth ſo wol mich als den arg-
liſtigen Herrmann nebſt ſeinem Anhange bey
ſeinem Gaſtmahle in Feſſel zu ſchluͤſſen/ als er
auff die glatten Verſicherungen dieſes Aufruͤh-
rers mit ſeinem nun empfindlichen Schaden ge-
trauet. Es iſt mehr ein thoͤrichter Aberglauben/

als
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[72/0120] Erſtes Buch Fleiß befohlen hatte/ er ſolte mit einem Theile des Caſuariſchen Adels auf der deutſchen Seite ſtehen bleiben und fechten; womit/ wenn die Deutſchen die Ober-Hand behielten/ der Sohn dem Vater/ da aber die Roͤmer obſiegten/ der Vater dem Sohne Freyheit und Begnadigung erbitten koͤnte; Siegesmund auch in der Schlacht ſeinen Mann gewehret/ und gute Kenn-Zeichen ſeines deutſch-geſinneten Gemuͤ- thes von ſich gegeben hatte; ſo vermochte doch diß alles/ entweder wegen kindlicher Liebe/ oder weil ſein Gewiſſen des Vaters Verbrechen ſelbſt zu unnachlaͤslicher Straffe verdammete/ ihm nicht die geſchoͤpfte Furcht zu benehmen. Dahero redete er den Seſitach an: Vetter/ du weiſt/ wie mein Vater mich zu groſſen Ehren gebracht zu haben vermeynt/ als er mir wider meinen Willen/ und die angeborne Abſcheu fuͤr den Roͤmern das Prieſterthum bey dem von den Roͤmern am Rheine aufgerichteten Altare der Ubier nicht ohne groſſe Muͤh und Geld zuwege gebracht. Zeit und Alter lidten es damals nicht/ daß ich haͤtte meine innerſte Gemuͤths-Mey- nung heraus ſagen/ oder mich dem vaͤterlichen Befehle widerſetzen doͤrffen. Den erſten Au- gen-Blick aber/ da ich von der Deutſchen wider die Roͤmiſche Dienſtbarkeit ruͤhmlich-gefaßten Entſchluͤſſung nur wenig Wind bekommen/ habe ich vorſaͤtzlich das ewige Feuer ausgeleſcht/ den Prieſter-Rock und die Haupt-Binden zer- riſſen/ mich uͤber den Rhein gefluͤchtet/ und fuͤr mein Vater-Land mein Blut mit beſſerm Ruh- me/ als dort die uns geraubten Ochſen/ den Goͤttern aufzuopfern/ entſchloſſen. Goͤnne mir dieſemnach/ daß ich unſern Schutz-Goͤttern dieſes von ſeinem Blute und Vermoͤgen ſo fette Opfer abliefern/ und jenes irrdiſche Prieſter- thum in ein heiliges verwandeln moͤge. Die Gewogenheit des Fuͤrſten Siegesmunds und die Einfalt der umbſtehenden Kriegsknechte ließ ſich von ihm leicht erbitten/ und der andaͤchtige Libys wolte einen Fuͤrſten von ſo hohem Gebluͤ- te/ welcher ſchon einmal zum Prieſter geweyhet war/ von dieſer Verrichtung nicht abſtoſſen/ ſon- dern befahl/ daß ihm alſobald aus dem heili- gen Brunnen reines Waſſer zu Abwaſchung ſei- ner Haͤnde gebracht ward; warff zu ſeiner Be- ſtaͤtigung ihm einen weiſſen Rock uͤber/ und ſetzte ihm einen Lorber-Krantz auff. Fuͤrſt Sieges- mund ward hieruͤber nicht wenig vergnuͤget; weil er hierdurch zum minſten wider die ſtrengen Geſaͤtze/ welche auch der Verraͤther Kinder ge- wiſſen Straffen unterwerffen/ ſich in Sicherheit geſetzt hatte. Hiermit raffte er ſich mit der von den Kriegs-Leuten entbloͤſſeten Leiche des Va- rus/ warff ſelbten in die lodernde Flamme des Altars/ und rieff: Groſſer Tuiſco/ nim dieſes Opfer fuͤr die Wolfahrt des Vater-Landes gnaͤ- dig an! Ja! und vertilge die Verraͤther deſſelbten mit Strumpf und Stiel; brach ihm Neſſelrod ein Cheruskiſcher Ritter ein: Sehet/ und erſtar- ret zugleich ihr edlen Deutſchen/ uͤber der Boß- heit des meineydigen Segeſthes. Hiermit laß er einen Brief/ welchen er in des Varus Klei- dern gefunden/ Segeſthes aber die letzte Nacht fuͤr dem Treffen an ihn geſchrieben hatte/ mit nachfolgenden Worten ab: Segeſthes wuͤntſchet dem Quintilius Varus Leben und Sieg/ ihm ſelbſt aber den numehr zu ſpaͤten Tod/ nach dem er mit dem Hertzog Herr- mann und andern Bundbruͤchigen Fuͤrſten in den Uberfall des Roͤmiſchen Kriegs-Volcks hat ſtimmen muͤſſen/ welche die zum Schein wider die Sicambrer/ Angrivarier und ihren aufruͤh- riſchen Melo verſammleten Huͤlffs-Voͤlcker folgenden Tag wider eure Adler anfuͤhren wer- den. Wolte Gott! Varus haͤtte meinen War- nungen ſo viel Glauben gegeben/ da ich ihm noch fuͤr wenig Tagen rieth ſo wol mich als den arg- liſtigen Herrmann nebſt ſeinem Anhange bey ſeinem Gaſtmahle in Feſſel zu ſchluͤſſen/ als er auff die glatten Verſicherungen dieſes Aufruͤh- rers mit ſeinem nun empfindlichen Schaden ge- trauet. Es iſt mehr ein thoͤrichter Aberglauben/ als

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/120>, abgerufen am 18.04.2024.