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Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689.

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Erstes Buch
[Spaltenumbruch] nicht vermocht/ mit demüthiger Begegnung be-
sänftigen solte. Fürst Malovend aber/ und
Apronius ein Römischer Oberster/ welchen nebst
vielen andern über der Entwafnung so vieler
tapfern Kriegs-Leute die Augen übergiengen/
und dahero des Cejonius kleinmüthige und
schimpfliche Entschlüssung verdammten/ hatten
aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/
nicht aber des noch übrigen Römischen Adlers
vergessen. Dahero eilten sie zum Emilian/ der
ihn in seiner Verwahrung hatte/ hielten ihm die
ihnen allen daraus erwachsende Schande ein/
da dieses güldne Kleinod und Zeichen der Römi-
schen Hoheit in die Hände des Feindes geliefert
würde; worden also schlüssig/ solchen in einen
im Läger befindlichen Sumpf zu verstecken.

Hertzog Herrmann wolte bey so glücklichen
Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch
Gelegenheit versäumen/ gab alsobald Befehl/
daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks
ins Läger rücken/ die vier Pforten/ ihre Thür-
me/ das in der Mitte auf einem Hügel stehen-
de und gleich einem Tempel mit einem Opfer-
Tische versehene Haupt-Zelt des Feldherrn/
welches von Seide und Goldstück war/ auch ge-
würffelte Persische Teppichte zum Fuß-Boden
hatte/ das Zeug-Haus nebst andern vornehmen
Plätzen besetzen/ und die Waffen der Belägerten
in Verwahrung nehmen solte. Als nun diß
alles in genungsame Sicherheit gebracht/ ritte
er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/
des Cattischen und anderer Fürsten ins Läger;
welchen Cejonius für der Pforte begegnete/ dem
Feldherrn die Schlüssel fußfällig überlieferte/
ihn auch für sich und die Ergebenen umb eine
leidliche Gefängnüß und Beschirmung für den
gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte-
mal diese schwerlich reine Hände behalten kön-
ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug
zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar-
reckte. Die Großmüthigkeit eines so grossen
Uberwinders liesse sie nichts widriges besorgen/
[Spaltenumbruch] weil so denn weder Menschen noch Götter ihm
den herrlichen Sieg mißgönnen könten. Die
vorigen Merckmale seiner Gütigkeit hätten sie
beredet/ daß sie ihre Ergebung einer verzwei-
felten Gegenwehr fürgezogen hätten/ weil sie
glaubten/ es würden sie so wenig der Deutschen
Bothmässigkeit/ als ihn ihrer demüthigen Un-
terwerffung gereuen. Der Feldherr versetzte
ihm: Man würde nach denen Gesetzen des Va-
terlandes/ nach dem Beyspiel der über die Deut-
schen ehmals siegenden Römer/ und nach Maaß-
gebung der Kriegs-Rechte gegen sie verfahren.
Worauf Cejonius/ Fürst Malovend/ Arbogast
und alle Grossen in Fessel geschlagen/ die ge-
meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn
aneinander gekoppelt/ und nebst der gefundenen
reichen Beute unter die Uberwinder eingethei-
let/ die ins Läger zurückgebrachte Schriften des
Varus und alle andere Geheimnüsse sorgfältig
auffgesucht und auffgehoben worden. Es hätte
einen Stein in der Erden jammern mögen/ das
erbärmliche Winseln der Gefangenen/ welche
an Stricken gleich als Heerden unvernünfti-
gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al-
lererst ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber
zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere
Fürsten ihr Volck mehrmals ermahnten/ sie sol-
ten sich mit der Beute vergnügen/ hingegen un-
barmhertziger Blutstürtzung enthalten; denn
es würde den Schirm-Göttern Deutschlandes
schon ein austrägliches/ und die allgemeine Ra-
che vergnügendes Antheil aufgeopfert werden;
so war es doch unmöglich über so viel tausend ein
nichts übersehendes Auge zu haben/ und in ihren
kriegerischen Gemüthern das Gedächtnüß so
mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan-
genden Zunder der so süssen Rache zu vertilgen.
Denn etliche stelleten ihre Gefangene auf der ab-
gehauenen Bäume Stöcke empor/ und liessen
ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel
schüssen. Viel spisseten die Schädel der Todten

auf

Erſtes Buch
[Spaltenumbruch] nicht vermocht/ mit demuͤthiger Begegnung be-
ſaͤnftigen ſolte. Fuͤrſt Malovend aber/ und
Apronius ein Roͤmiſcher Oberſter/ welchen nebſt
vielen andern uͤber der Entwafnung ſo vieler
tapfern Kriegs-Leute die Augen uͤbergiengen/
und dahero des Cejonius kleinmuͤthige und
ſchimpfliche Entſchluͤſſung verdammten/ hatten
aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth/
nicht aber des noch uͤbrigen Roͤmiſchen Adlers
vergeſſen. Dahero eilten ſie zum Emilian/ der
ihn in ſeiner Verwahrung hatte/ hielten ihm die
ihnen allen daraus erwachſende Schande ein/
da dieſes guͤldne Kleinod und Zeichen der Roͤmi-
ſchen Hoheit in die Haͤnde des Feindes geliefert
wuͤrde; worden alſo ſchluͤſſig/ ſolchen in einen
im Laͤger befindlichen Sumpf zu verſtecken.

Hertzog Herrmann wolte bey ſo gluͤcklichen
Begebenheiten weder einige Zeit verlieren/ noch
Gelegenheit verſaͤumen/ gab alſobald Befehl/
daß die Reiterey/ und ein Theil des Fuß-Volcks
ins Laͤger ruͤcken/ die vier Pforten/ ihre Thuͤr-
me/ das in der Mitte auf einem Huͤgel ſtehen-
de und gleich einem Tempel mit einem Opfer-
Tiſche verſehene Haupt-Zelt des Feldherrn/
welches von Seide und Goldſtuͤck war/ auch ge-
wuͤrffelte Perſiſche Teppichte zum Fuß-Boden
hatte/ das Zeug-Haus nebſt andern vornehmen
Plaͤtzen beſetzen/ und die Waffen der Belaͤgerten
in Verwahrung nehmen ſolte. Als nun diß
alles in genungſame Sicherheit gebracht/ ritte
er unter der Begleitung Hertzog Jnguiomers/
des Cattiſchen und anderer Fuͤrſten ins Laͤger;
welchen Cejonius fuͤr der Pforte begegnete/ dem
Feldherrn die Schluͤſſel fußfaͤllig uͤberlieferte/
ihn auch fuͤr ſich und die Ergebenen umb eine
leidliche Gefaͤngnuͤß und Beſchirmung fuͤr den
gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sinte-
mal dieſe ſchwerlich reine Haͤnde behalten koͤn-
ten/ wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug
zur Rache/ und Gelegenheit zur Beute dar-
reckte. Die Großmuͤthigkeit eines ſo groſſen
Uberwinders lieſſe ſie nichts widriges beſorgen/
[Spaltenumbruch] weil ſo denn weder Menſchen noch Goͤtter ihm
den herrlichen Sieg mißgoͤnnen koͤnten. Die
vorigen Merckmale ſeiner Guͤtigkeit haͤtten ſie
beredet/ daß ſie ihre Ergebung einer verzwei-
felten Gegenwehr fuͤrgezogen haͤtten/ weil ſie
glaubten/ es wuͤrden ſie ſo wenig der Deutſchen
Bothmaͤſſigkeit/ als ihn ihrer demuͤthigen Un-
terwerffung gereuen. Der Feldherr verſetzte
ihm: Man wuͤrde nach denen Geſetzen des Va-
terlandes/ nach dem Beyſpiel der uͤber die Deut-
ſchen ehmals ſiegenden Roͤmer/ und nach Maaß-
gebung der Kriegs-Rechte gegen ſie verfahren.
Worauf Cejonius/ Fuͤrſt Malovend/ Arbogaſt
und alle Groſſen in Feſſel geſchlagen/ die ge-
meinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn
aneinander gekoppelt/ und nebſt der gefundenen
reichen Beute unter die Uberwinder eingethei-
let/ die ins Laͤger zuruͤckgebrachte Schriften des
Varus und alle andere Geheimnuͤſſe ſorgfaͤltig
auffgeſucht und auffgehoben worden. Es haͤtte
einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ das
erbaͤrmliche Winſeln der Gefangenen/ welche
an Stricken gleich als Heerden unvernuͤnfti-
gen Viehes fortgetrieben wurden/ und nun al-
lererſt ihre Zagheit zu bereuen/ des Cejonius aber
zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere
Fuͤrſten ihr Volck mehrmals ermahnten/ ſie ſol-
ten ſich mit der Beute vergnuͤgen/ hingegen un-
barmhertziger Blutſtuͤrtzung enthalten; denn
es wuͤrde den Schirm-Goͤttern Deutſchlandes
ſchon ein austraͤgliches/ und die allgemeine Ra-
che vergnuͤgendes Antheil aufgeopfert werden;
ſo war es doch unmoͤglich uͤber ſo viel tauſend ein
nichts uͤberſehendes Auge zu haben/ und in ihren
kriegeriſchen Gemuͤthern das Gedaͤchtnuͤß ſo
mannigfaltigen Unrechts/ als einen leicht fan-
genden Zunder der ſo ſuͤſſen Rache zu vertilgen.
Deñ etliche ſtelleten ihre Gefangene auf der ab-
gehauenen Baͤume Stoͤcke empor/ und lieſſen
ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel
ſchuͤſſen. Viel ſpiſſeten die Schaͤdel der Todten

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Zitationshilfe: Lohenstein, Daniel Casper von: Großmüthiger Feldherr Arminius oder Herrmann. Bd. 1. Leipzig, 1689, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohenstein_feldherr01_1689/108>, abgerufen am 29.03.2024.