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Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910.

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man trank sich zu und mußte mit demselben Quantum Bescheid tun. Man trank auf Brüderschaft und ließ einen ungeheuren Becher "das römische Reich" die Runde machen; dazu wurden Kneiplieder gesungen. Diese Gestaltung nahmen die studentischen Trinksitten erst im 17. Jahrhundert an. Bier war der gewöhnliche Stoff, der bei den studentischen Gelagen konsumiert wurde, und daß es dabei an Uebermaß nicht fehlte, hiefür spricht nur zu deutlich eine Äußerung Abels "wohlerfahrener Leibmedikus derer Studenten": "Jetztund währet das Saufen bis in die finstere Nacht; da trinket man erstlich aus Durst, darnach aus Wollust, dann zur Trunkenheit, und endlich bis alle Vernunft gebrochen und man ganz toll worden, ja dem unvernünftigen Vieh gleich."

Bemerkenswert ist, daß, während die akademischen Behörden vielfach gegen die Trinkunsitten eiferten, einzelne Professoren dieselben aus Habsucht begünstigten, ja die bei ihnen in Pension sich befindenden Studenten zum Trinken sogar verleiteten. Insbesonders wurde hierüber in Jena geklagt. Dort hatten die Professoren das Recht, im Kollegienbrauhause das für ihre Familie und Hausgenossen nötige Bierquantum tranksteuerfrei herzustellen. Dies benützten einzelne Professoren dazu, daß sie neben ihrer akademischen Lehrtätigkeit das Gewerbe eines Schankwirtes ausübten und förmliche Zechstuben für die Studenten hielten. Selbst in den Hörsälen wurden geistige Getränke verabreicht und ein Wittenberger Visitationsdekret von 1616 lautet dahin, "daß aller Bier- und Weinschank im Juristenkolleg als einer uns an der Tranksteuer, daneben der Jugend und Bürgerschaft schädlicher Steuerung wieder abgeschafft und der Universität unter den Lektionen im großen Churfürstenkollegium Gäste zu setzen, keineswegs nachgelassen werden soll." Es scheint demnach, daß man gelegentlich Hörsäle auch als Trinkstuben benützte. Auch das Branntweintrinken nahm allmählich unter den Studenten überhand.

Das studentische Kneipleben im 18. Jahrhundert fand im wesentlichen nicht in Wirtshäusern, sondern auf den Buden statt. Man nannte diese Kneipen "Hospiz", da sie von dem Budenbesitzer, dem "Hospes" veranstaltet und geleitet wurden. Ursprünglich war der Hospes ein Pennäle (angehender Student), der seine Landsleute invitierte. Die Bewirtung begann mit Kaffee und Brötchen und ging dann zur eigentlichen Kneiperei über. Der Hospes war, falls er nicht das Amt einem erwählten Vizehospes abtrat, eo ipso Kneipwart und Präses, sein Abzeichen der Hausschlüssel, mit dem er Silentium gebot. Er hatte unbeschränkte Macht, konnte Jeden zu jedem beliebigen Quantum verdonnern und brauchte nur pro libito zu trinken, d. h. zu nippen. So

man trank sich zu und mußte mit demselben Quantum Bescheid tun. Man trank auf Brüderschaft und ließ einen ungeheuren Becher „das römische Reich“ die Runde machen; dazu wurden Kneiplieder gesungen. Diese Gestaltung nahmen die studentischen Trinksitten erst im 17. Jahrhundert an. Bier war der gewöhnliche Stoff, der bei den studentischen Gelagen konsumiert wurde, und daß es dabei an Uebermaß nicht fehlte, hiefür spricht nur zu deutlich eine Äußerung Abels „wohlerfahrener Leibmedikus derer Studenten“: „Jetztund währet das Saufen bis in die finstere Nacht; da trinket man erstlich aus Durst, darnach aus Wollust, dann zur Trunkenheit, und endlich bis alle Vernunft gebrochen und man ganz toll worden, ja dem unvernünftigen Vieh gleich.“

Bemerkenswert ist, daß, während die akademischen Behörden vielfach gegen die Trinkunsitten eiferten, einzelne Professoren dieselben aus Habsucht begünstigten, ja die bei ihnen in Pension sich befindenden Studenten zum Trinken sogar verleiteten. Insbesonders wurde hierüber in Jena geklagt. Dort hatten die Professoren das Recht, im Kollegienbrauhause das für ihre Familie und Hausgenossen nötige Bierquantum tranksteuerfrei herzustellen. Dies benützten einzelne Professoren dazu, daß sie neben ihrer akademischen Lehrtätigkeit das Gewerbe eines Schankwirtes ausübten und förmliche Zechstuben für die Studenten hielten. Selbst in den Hörsälen wurden geistige Getränke verabreicht und ein Wittenberger Visitationsdekret von 1616 lautet dahin, „daß aller Bier- und Weinschank im Juristenkolleg als einer uns an der Tranksteuer, daneben der Jugend und Bürgerschaft schädlicher Steuerung wieder abgeschafft und der Universität unter den Lektionen im großen Churfürstenkollegium Gäste zu setzen, keineswegs nachgelassen werden soll.“ Es scheint demnach, daß man gelegentlich Hörsäle auch als Trinkstuben benützte. Auch das Branntweintrinken nahm allmählich unter den Studenten überhand.

Das studentische Kneipleben im 18. Jahrhundert fand im wesentlichen nicht in Wirtshäusern, sondern auf den Buden statt. Man nannte diese Kneipen „Hospiz“, da sie von dem Budenbesitzer, dem „Hospes“ veranstaltet und geleitet wurden. Ursprünglich war der Hospes ein Pennäle (angehender Student), der seine Landsleute invitierte. Die Bewirtung begann mit Kaffee und Brötchen und ging dann zur eigentlichen Kneiperei über. Der Hospes war, falls er nicht das Amt einem erwählten Vizehospes abtrat, eo ipso Kneipwart und Präses, sein Abzeichen der Hausschlüssel, mit dem er Silentium gebot. Er hatte unbeschränkte Macht, konnte Jeden zu jedem beliebigen Quantum verdonnern und brauchte nur pro libito zu trinken, d. h. zu nippen. So

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        <p>Bemerkenswert ist, daß, während die akademischen Behörden vielfach gegen die Trinkunsitten eiferten, einzelne Professoren dieselben aus Habsucht begünstigten, ja die bei ihnen in Pension sich befindenden Studenten zum Trinken sogar verleiteten. Insbesonders wurde hierüber in Jena geklagt. Dort hatten die Professoren das Recht, im Kollegienbrauhause das für ihre Familie und Hausgenossen nötige Bierquantum tranksteuerfrei herzustellen. Dies benützten einzelne Professoren dazu, daß sie neben ihrer akademischen Lehrtätigkeit das Gewerbe eines Schankwirtes ausübten und förmliche Zechstuben für die Studenten hielten. Selbst in den Hörsälen wurden geistige Getränke verabreicht und ein Wittenberger Visitationsdekret von 1616 lautet dahin, &#x201E;daß aller Bier- und Weinschank im Juristenkolleg als einer uns an der Tranksteuer, daneben der Jugend und Bürgerschaft schädlicher Steuerung wieder abgeschafft und der Universität unter den Lektionen im großen Churfürstenkollegium Gäste zu setzen, keineswegs nachgelassen werden soll.&#x201C; Es scheint demnach, daß man gelegentlich Hörsäle auch als Trinkstuben benützte. Auch das Branntweintrinken nahm allmählich unter den Studenten überhand.</p>
        <p>Das studentische Kneipleben im 18. Jahrhundert fand im wesentlichen nicht in Wirtshäusern, sondern auf den Buden statt. Man nannte diese Kneipen &#x201E;Hospiz&#x201C;, da sie von dem Budenbesitzer, dem &#x201E;Hospes&#x201C; veranstaltet und geleitet wurden. Ursprünglich war der Hospes ein Pennäle (angehender Student), der seine Landsleute invitierte. Die Bewirtung begann mit Kaffee und Brötchen und ging dann zur eigentlichen Kneiperei über. Der Hospes war, falls er nicht das Amt einem erwählten Vizehospes abtrat, <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">eo ipso</hi></foreign> Kneipwart und Präses, sein Abzeichen der Hausschlüssel, mit dem er <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">Silentium</hi></foreign> gebot. Er hatte unbeschränkte Macht, konnte Jeden zu jedem beliebigen Quantum verdonnern und brauchte nur <foreign xml:lang="la"><hi rendition="#aq">pro libito</hi></foreign> zu trinken, d. h. zu nippen. So
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[6/0008] man trank sich zu und mußte mit demselben Quantum Bescheid tun. Man trank auf Brüderschaft und ließ einen ungeheuren Becher „das römische Reich“ die Runde machen; dazu wurden Kneiplieder gesungen. Diese Gestaltung nahmen die studentischen Trinksitten erst im 17. Jahrhundert an. Bier war der gewöhnliche Stoff, der bei den studentischen Gelagen konsumiert wurde, und daß es dabei an Uebermaß nicht fehlte, hiefür spricht nur zu deutlich eine Äußerung Abels „wohlerfahrener Leibmedikus derer Studenten“: „Jetztund währet das Saufen bis in die finstere Nacht; da trinket man erstlich aus Durst, darnach aus Wollust, dann zur Trunkenheit, und endlich bis alle Vernunft gebrochen und man ganz toll worden, ja dem unvernünftigen Vieh gleich.“ Bemerkenswert ist, daß, während die akademischen Behörden vielfach gegen die Trinkunsitten eiferten, einzelne Professoren dieselben aus Habsucht begünstigten, ja die bei ihnen in Pension sich befindenden Studenten zum Trinken sogar verleiteten. Insbesonders wurde hierüber in Jena geklagt. Dort hatten die Professoren das Recht, im Kollegienbrauhause das für ihre Familie und Hausgenossen nötige Bierquantum tranksteuerfrei herzustellen. Dies benützten einzelne Professoren dazu, daß sie neben ihrer akademischen Lehrtätigkeit das Gewerbe eines Schankwirtes ausübten und förmliche Zechstuben für die Studenten hielten. Selbst in den Hörsälen wurden geistige Getränke verabreicht und ein Wittenberger Visitationsdekret von 1616 lautet dahin, „daß aller Bier- und Weinschank im Juristenkolleg als einer uns an der Tranksteuer, daneben der Jugend und Bürgerschaft schädlicher Steuerung wieder abgeschafft und der Universität unter den Lektionen im großen Churfürstenkollegium Gäste zu setzen, keineswegs nachgelassen werden soll.“ Es scheint demnach, daß man gelegentlich Hörsäle auch als Trinkstuben benützte. Auch das Branntweintrinken nahm allmählich unter den Studenten überhand. Das studentische Kneipleben im 18. Jahrhundert fand im wesentlichen nicht in Wirtshäusern, sondern auf den Buden statt. Man nannte diese Kneipen „Hospiz“, da sie von dem Budenbesitzer, dem „Hospes“ veranstaltet und geleitet wurden. Ursprünglich war der Hospes ein Pennäle (angehender Student), der seine Landsleute invitierte. Die Bewirtung begann mit Kaffee und Brötchen und ging dann zur eigentlichen Kneiperei über. Der Hospes war, falls er nicht das Amt einem erwählten Vizehospes abtrat, eo ipso Kneipwart und Präses, sein Abzeichen der Hausschlüssel, mit dem er Silentium gebot. Er hatte unbeschränkte Macht, konnte Jeden zu jedem beliebigen Quantum verdonnern und brauchte nur pro libito zu trinken, d. h. zu nippen. So

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Zitationshilfe: Löwenfeld, Leopold: Student und Alkohol. München, 1910, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loewenfeld_student_1910/8>, abgerufen am 28.03.2024.