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Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

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sinkend mit den langen Händen bis zu den Knieen greifend, mit wahrhaft blöden Gebährden dahingieng und lallte, sondern in der ganzen Gegend schien der Pfarrer einmal aufmerksam geworden, blöde Kinder zu finden. Im Trunk erzeugte, aus zu nahem Verwandtschaftsgrade stammende, mit Mohntrank beschwichtigte Kinder, namentlich solche, die unter natürlichen Umständen aufwuchsen, die zum Blödsinne sich hinneigten, besonders verwahrloste, in Onanie herangewachsene, auf der Winterseite wohnende Menschen fand ich sehr häufig blöde. Wie Cantor Güttler vor seinem Antritt bei den Blöden eine Reise nach Winterbach machte, so hatte auch ich gethan. Ich hatte das Glück, eine Unzahl von Menschen beisammen zu finden, die sich seit Guckenbühl viel mit Blöden und dem Blödsinne abgaben und die auch durch meinen Besuch und den von zwei Begleitern, mit denen ich reiste, sich besonders getrieben fühlten, von dahin einschlägigen Gegenständen zu reden. Fast in all den dargelegten Erfahrungen glaubte ich meine eigenen Erfahrungen wiederzuerkennen, und ich kam schon damals mit Gedanken heim, die mich zu einem Freunde der Blöden machten. Es war nur mit der Stiftung einer Blödenanstalt voller Ernst. Nicht daß ich mir einbildete, es mit den Blöden besonders gut zu können, aber daß ich es ganz der Mühe werth fand, daß sich Diaconissen mit ihnen abgaben. Es war mir, als müßten solche Diaconissen der Blöden Lohn empfangen, denn, wie wir später sagten, mit einer Art von Humor und Witz, aber doch auch mit voller Wahrheit: den Blöden ist Er hold.

Dazu kam es, daß uns gleich anfangs ein reicher blöder Knabe übergeben wurde, noch in bildsamen Jahren. Die Anverwandten waren gleich von Anfang sehr froh, ihn uns übergeben zu können, weil, nachdem wir einmal den Gedanken gefaßt hatten, Blöde zu erziehen, der Blödsinn uns gewissermaßen

sinkend mit den langen Händen bis zu den Knieen greifend, mit wahrhaft blöden Gebährden dahingieng und lallte, sondern in der ganzen Gegend schien der Pfarrer einmal aufmerksam geworden, blöde Kinder zu finden. Im Trunk erzeugte, aus zu nahem Verwandtschaftsgrade stammende, mit Mohntrank beschwichtigte Kinder, namentlich solche, die unter natürlichen Umständen aufwuchsen, die zum Blödsinne sich hinneigten, besonders verwahrloste, in Onanie herangewachsene, auf der Winterseite wohnende Menschen fand ich sehr häufig blöde. Wie Cantor Güttler vor seinem Antritt bei den Blöden eine Reise nach Winterbach machte, so hatte auch ich gethan. Ich hatte das Glück, eine Unzahl von Menschen beisammen zu finden, die sich seit Guckenbühl viel mit Blöden und dem Blödsinne abgaben und die auch durch meinen Besuch und den von zwei Begleitern, mit denen ich reiste, sich besonders getrieben fühlten, von dahin einschlägigen Gegenständen zu reden. Fast in all den dargelegten Erfahrungen glaubte ich meine eigenen Erfahrungen wiederzuerkennen, und ich kam schon damals mit Gedanken heim, die mich zu einem Freunde der Blöden machten. Es war nur mit der Stiftung einer Blödenanstalt voller Ernst. Nicht daß ich mir einbildete, es mit den Blöden besonders gut zu können, aber daß ich es ganz der Mühe werth fand, daß sich Diaconissen mit ihnen abgaben. Es war mir, als müßten solche Diaconissen der Blöden Lohn empfangen, denn, wie wir später sagten, mit einer Art von Humor und Witz, aber doch auch mit voller Wahrheit: den Blöden ist Er hold.

Dazu kam es, daß uns gleich anfangs ein reicher blöder Knabe übergeben wurde, noch in bildsamen Jahren. Die Anverwandten waren gleich von Anfang sehr froh, ihn uns übergeben zu können, weil, nachdem wir einmal den Gedanken gefaßt hatten, Blöde zu erziehen, der Blödsinn uns gewissermaßen

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[97/0097] sinkend mit den langen Händen bis zu den Knieen greifend, mit wahrhaft blöden Gebährden dahingieng und lallte, sondern in der ganzen Gegend schien der Pfarrer einmal aufmerksam geworden, blöde Kinder zu finden. Im Trunk erzeugte, aus zu nahem Verwandtschaftsgrade stammende, mit Mohntrank beschwichtigte Kinder, namentlich solche, die unter natürlichen Umständen aufwuchsen, die zum Blödsinne sich hinneigten, besonders verwahrloste, in Onanie herangewachsene, auf der Winterseite wohnende Menschen fand ich sehr häufig blöde. Wie Cantor Güttler vor seinem Antritt bei den Blöden eine Reise nach Winterbach machte, so hatte auch ich gethan. Ich hatte das Glück, eine Unzahl von Menschen beisammen zu finden, die sich seit Guckenbühl viel mit Blöden und dem Blödsinne abgaben und die auch durch meinen Besuch und den von zwei Begleitern, mit denen ich reiste, sich besonders getrieben fühlten, von dahin einschlägigen Gegenständen zu reden. Fast in all den dargelegten Erfahrungen glaubte ich meine eigenen Erfahrungen wiederzuerkennen, und ich kam schon damals mit Gedanken heim, die mich zu einem Freunde der Blöden machten. Es war nur mit der Stiftung einer Blödenanstalt voller Ernst. Nicht daß ich mir einbildete, es mit den Blöden besonders gut zu können, aber daß ich es ganz der Mühe werth fand, daß sich Diaconissen mit ihnen abgaben. Es war mir, als müßten solche Diaconissen der Blöden Lohn empfangen, denn, wie wir später sagten, mit einer Art von Humor und Witz, aber doch auch mit voller Wahrheit: den Blöden ist Er hold. Dazu kam es, daß uns gleich anfangs ein reicher blöder Knabe übergeben wurde, noch in bildsamen Jahren. Die Anverwandten waren gleich von Anfang sehr froh, ihn uns übergeben zu können, weil, nachdem wir einmal den Gedanken gefaßt hatten, Blöde zu erziehen, der Blödsinn uns gewissermaßen

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/97>, abgerufen am 24.04.2024.