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Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

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Schon auf dem Gymnasium hatte Gott gesorgt, daß er rechnen lernen mußte. Nie hat er am Rechnen eine Freude gehabt und hat auch in späterer Zeit es nicht begriffen, wenn er las, wie häufig das mathematische Studium Theologen zu ihrer Bildung gedient hat. Auf dem Gymnasium gehörte es zu seiner ärgsten Lebensplage, den mathematischen Curs seines hochbegabten und strengen Lehrers, des nachmaligen Ministerialraths Hermann durchzumachen, und dieser Plage los zu werden, sehnte er sich solange, bis er ihrer los ward und rührte auf der Universität dergleichen Dinge nicht einmal mehr an. Er sieht sich heute noch mit einem Stück Kreide vor der Rechentafel der Schule stehen und hört noch jetzt die Stimme seines Lehrers klingen, der ihm aus seiner Unfähigkeit und seinem Unwillen für alles Arithmetische manchmal weissagte, es werde ihm gerade so wenig mit der Logik und Dialectik gelingen, eine Weissagung, die doch nicht hinausgieng und die derselbige Lehrer zurücknahm, als er selbst späterhin diese Wissenschaften lehren sollte, und bei dem schwächsten seiner Schüler im mathematischen Fache doch einige Begabung mehr fand. Als ich späterhin meine Thätigkeit für Amerika begann und für die Gesellschaft für innere Mission, habe ich das ganze Rechnungswesen der Amerikanischen Mission und der Gesellschaft für innere Mission geregelt und eingerichtet und erst aus meinen Händen gieng es in die Hände des späteren Cassiers, eines Kaufmanns, nemlich meines eignen Bruders, über und schon damals lernte ich anwenden, was ich bei meinem Lehrer für das mathematische Fach gelernt hatte. Späterhin kam die Zeit, wo die Zehnten abgelöst wurden, und ich hatte den Muth, alle Berechnungen, die zu machen waren, so viele 1000 Exempel ganz allein zu machen, ohne daß ich irgend einen Tadel oder eine Correctur zu erfahren hatte. Es gelang mir im Ganzen und Einzelnen und meine

Schon auf dem Gymnasium hatte Gott gesorgt, daß er rechnen lernen mußte. Nie hat er am Rechnen eine Freude gehabt und hat auch in späterer Zeit es nicht begriffen, wenn er las, wie häufig das mathematische Studium Theologen zu ihrer Bildung gedient hat. Auf dem Gymnasium gehörte es zu seiner ärgsten Lebensplage, den mathematischen Curs seines hochbegabten und strengen Lehrers, des nachmaligen Ministerialraths Hermann durchzumachen, und dieser Plage los zu werden, sehnte er sich solange, bis er ihrer los ward und rührte auf der Universität dergleichen Dinge nicht einmal mehr an. Er sieht sich heute noch mit einem Stück Kreide vor der Rechentafel der Schule stehen und hört noch jetzt die Stimme seines Lehrers klingen, der ihm aus seiner Unfähigkeit und seinem Unwillen für alles Arithmetische manchmal weissagte, es werde ihm gerade so wenig mit der Logik und Dialectik gelingen, eine Weissagung, die doch nicht hinausgieng und die derselbige Lehrer zurücknahm, als er selbst späterhin diese Wissenschaften lehren sollte, und bei dem schwächsten seiner Schüler im mathematischen Fache doch einige Begabung mehr fand. Als ich späterhin meine Thätigkeit für Amerika begann und für die Gesellschaft für innere Mission, habe ich das ganze Rechnungswesen der Amerikanischen Mission und der Gesellschaft für innere Mission geregelt und eingerichtet und erst aus meinen Händen gieng es in die Hände des späteren Cassiers, eines Kaufmanns, nemlich meines eignen Bruders, über und schon damals lernte ich anwenden, was ich bei meinem Lehrer für das mathematische Fach gelernt hatte. Späterhin kam die Zeit, wo die Zehnten abgelöst wurden, und ich hatte den Muth, alle Berechnungen, die zu machen waren, so viele 1000 Exempel ganz allein zu machen, ohne daß ich irgend einen Tadel oder eine Correctur zu erfahren hatte. Es gelang mir im Ganzen und Einzelnen und meine

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Schon auf dem Gymnasium hatte Gott gesorgt, daß er rechnen lernen mußte. Nie hat er am Rechnen eine Freude gehabt und hat auch in späterer Zeit es nicht begriffen, wenn er las, wie häufig das mathematische Studium Theologen zu ihrer Bildung gedient hat. Auf dem Gymnasium gehörte es zu seiner ärgsten Lebensplage, den mathematischen Curs seines hochbegabten und strengen Lehrers, des nachmaligen Ministerialraths Hermann durchzumachen, und dieser Plage los zu werden, sehnte er sich solange, bis er ihrer los ward und rührte auf der Universität dergleichen Dinge nicht einmal mehr an. Er sieht sich heute noch mit einem Stück Kreide vor der Rechentafel der Schule stehen und hört noch jetzt die Stimme seines Lehrers klingen, der ihm aus seiner Unfähigkeit und seinem Unwillen für alles Arithmetische manchmal weissagte, es werde ihm gerade so wenig mit der Logik und Dialectik gelingen, eine Weissagung, die doch nicht hinausgieng und die derselbige Lehrer zurücknahm, als er selbst späterhin diese Wissenschaften lehren sollte, und bei dem schwächsten seiner Schüler im mathematischen Fache doch einige Begabung mehr fand. Als ich späterhin meine Thätigkeit für Amerika begann und für die Gesellschaft für innere Mission, habe ich das ganze Rechnungswesen der Amerikanischen Mission und der Gesellschaft für innere Mission geregelt und eingerichtet und erst aus meinen Händen gieng es in die Hände des späteren Cassiers, eines Kaufmanns, nemlich meines eignen Bruders, über und schon damals lernte ich anwenden, was ich bei meinem Lehrer für das mathematische Fach gelernt hatte. Späterhin kam die Zeit, wo die Zehnten abgelöst wurden, und ich hatte den Muth, alle Berechnungen, die zu machen waren, so viele 1000 Exempel ganz allein zu machen, ohne daß ich irgend einen Tadel oder eine Correctur zu erfahren hatte. Es gelang mir im Ganzen und Einzelnen und meine
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[91/0091] Schon auf dem Gymnasium hatte Gott gesorgt, daß er rechnen lernen mußte. Nie hat er am Rechnen eine Freude gehabt und hat auch in späterer Zeit es nicht begriffen, wenn er las, wie häufig das mathematische Studium Theologen zu ihrer Bildung gedient hat. Auf dem Gymnasium gehörte es zu seiner ärgsten Lebensplage, den mathematischen Curs seines hochbegabten und strengen Lehrers, des nachmaligen Ministerialraths Hermann durchzumachen, und dieser Plage los zu werden, sehnte er sich solange, bis er ihrer los ward und rührte auf der Universität dergleichen Dinge nicht einmal mehr an. Er sieht sich heute noch mit einem Stück Kreide vor der Rechentafel der Schule stehen und hört noch jetzt die Stimme seines Lehrers klingen, der ihm aus seiner Unfähigkeit und seinem Unwillen für alles Arithmetische manchmal weissagte, es werde ihm gerade so wenig mit der Logik und Dialectik gelingen, eine Weissagung, die doch nicht hinausgieng und die derselbige Lehrer zurücknahm, als er selbst späterhin diese Wissenschaften lehren sollte, und bei dem schwächsten seiner Schüler im mathematischen Fache doch einige Begabung mehr fand. Als ich späterhin meine Thätigkeit für Amerika begann und für die Gesellschaft für innere Mission, habe ich das ganze Rechnungswesen der Amerikanischen Mission und der Gesellschaft für innere Mission geregelt und eingerichtet und erst aus meinen Händen gieng es in die Hände des späteren Cassiers, eines Kaufmanns, nemlich meines eignen Bruders, über und schon damals lernte ich anwenden, was ich bei meinem Lehrer für das mathematische Fach gelernt hatte. Späterhin kam die Zeit, wo die Zehnten abgelöst wurden, und ich hatte den Muth, alle Berechnungen, die zu machen waren, so viele 1000 Exempel ganz allein zu machen, ohne daß ich irgend einen Tadel oder eine Correctur zu erfahren hatte. Es gelang mir im Ganzen und Einzelnen und meine

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/91>, abgerufen am 16.04.2024.