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Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870.

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Saiten auf der Laute nicht berührt werden. Sie empfinden eines des andern Noth an ihrem Herzen: sie haben ein herzliches Mitleiden mit einander, wenn's übel geht; sie freuen sich aber mit einander, wenn's wohl geht; sie sind barmherzig und gut, thätig und dienen einander willig mit der Gabe, die sie empfangen haben. Die Erfahrung bezeugt es, daß manchmal den Eltern das Herz weh thut, wenn es ihren Kindern, die in der Fremde oder sonst von ihnen entfernt sind, nicht wohl geht. Dergleichen widerfährt mancher christlichen Seele: Es ist oft ihr Herz so beklommen und ängstigt sich in ihnen, daß sie nicht wißen, wo sie sich laßen sollen, ob sie wohl manchmal nicht errathen können, was die Ursache sei. Ich halte aber dafür, wenn die Kirche zuweilen an einem Ort bedrängt wird, oder sonst die Trübsal vieler Orten überhand nimmt, daß die Gläubigen damit überschwemmt und hoch beschwert werden; so empfinden es die andern an ihrem Herzen, damit sie zum Seufzen und zum Beten angemahnt werden; darum auch in solcher Bangigkeit nichts Beßeres ist, als daß man seine eigenen, seiner Angehörigen, seiner Glaubensgenoßen und aller seiner Mitchristen Noth, sie seien nahe oder ferne, dem lieben Gott mit eifrigem Seufzen vortrage und um Hilf und Rettung schreie.- Dies gibt nun eine Warnung an die Gottlosen, einen Trost aber und Unterricht an die Frommen. Die Gottlosen müßen wißen, daß die heiligen Kinder Gottes auf Erden alle für Einen Mann stehen: sie glauben mit einander, sie beten, sie seufzen, sie weinen, sie freuen sich mit einander, sie helfen einander nicht mit Geschoßen und Schwertern, sondern mit ihren Thränen und Flehen: wer einen betrübt, der betrübt sie alle; wer des einen Thränen und Seufzen auf sich lädt, der muß ein gleiches von allen erwarten. Dies achtet zwar und versteht die Welt nicht, sie wird es aber oftmals inne, daß die Thränen der Gläubigen zur Fluth und zum gewaltigen Strom, die Seufzer aber zum starken Sturmwind werden, dadurch alle ihre Pracht und Herrlichkeit, aller Trotz und Frevel unverhofft über den Haufen geworfen werden. Tröstlich aber ist es den Frommen, zu wißen, daß sie so viele Fürbitter haben, als rechtschaffene Christen auf Erden leben, und wenn ihnen dünkt, ihr armes Gebet sei gar zu schwach, es könne nicht viel ausrichten; so bedenken sie billig, daß viel tausend gläubige Seelen neben ihnen vor Gott mit mit ihrem Gebete liegen. Aus vielen kleinen nun wird ein großes, und wenn eines Gerechten Gebet, wenn's ernstlich ist, so viel vermag,

Saiten auf der Laute nicht berührt werden. Sie empfinden eines des andern Noth an ihrem Herzen: sie haben ein herzliches Mitleiden mit einander, wenn’s übel geht; sie freuen sich aber mit einander, wenn’s wohl geht; sie sind barmherzig und gut, thätig und dienen einander willig mit der Gabe, die sie empfangen haben. Die Erfahrung bezeugt es, daß manchmal den Eltern das Herz weh thut, wenn es ihren Kindern, die in der Fremde oder sonst von ihnen entfernt sind, nicht wohl geht. Dergleichen widerfährt mancher christlichen Seele: Es ist oft ihr Herz so beklommen und ängstigt sich in ihnen, daß sie nicht wißen, wo sie sich laßen sollen, ob sie wohl manchmal nicht errathen können, was die Ursache sei. Ich halte aber dafür, wenn die Kirche zuweilen an einem Ort bedrängt wird, oder sonst die Trübsal vieler Orten überhand nimmt, daß die Gläubigen damit überschwemmt und hoch beschwert werden; so empfinden es die andern an ihrem Herzen, damit sie zum Seufzen und zum Beten angemahnt werden; darum auch in solcher Bangigkeit nichts Beßeres ist, als daß man seine eigenen, seiner Angehörigen, seiner Glaubensgenoßen und aller seiner Mitchristen Noth, sie seien nahe oder ferne, dem lieben Gott mit eifrigem Seufzen vortrage und um Hilf und Rettung schreie.– Dies gibt nun eine Warnung an die Gottlosen, einen Trost aber und Unterricht an die Frommen. Die Gottlosen müßen wißen, daß die heiligen Kinder Gottes auf Erden alle für Einen Mann stehen: sie glauben mit einander, sie beten, sie seufzen, sie weinen, sie freuen sich mit einander, sie helfen einander nicht mit Geschoßen und Schwertern, sondern mit ihren Thränen und Flehen: wer einen betrübt, der betrübt sie alle; wer des einen Thränen und Seufzen auf sich lädt, der muß ein gleiches von allen erwarten. Dies achtet zwar und versteht die Welt nicht, sie wird es aber oftmals inne, daß die Thränen der Gläubigen zur Fluth und zum gewaltigen Strom, die Seufzer aber zum starken Sturmwind werden, dadurch alle ihre Pracht und Herrlichkeit, aller Trotz und Frevel unverhofft über den Haufen geworfen werden. Tröstlich aber ist es den Frommen, zu wißen, daß sie so viele Fürbitter haben, als rechtschaffene Christen auf Erden leben, und wenn ihnen dünkt, ihr armes Gebet sei gar zu schwach, es könne nicht viel ausrichten; so bedenken sie billig, daß viel tausend gläubige Seelen neben ihnen vor Gott mit mit ihrem Gebete liegen. Aus vielen kleinen nun wird ein großes, und wenn eines Gerechten Gebet, wenn’s ernstlich ist, so viel vermag,

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[55/0055] Saiten auf der Laute nicht berührt werden. Sie empfinden eines des andern Noth an ihrem Herzen: sie haben ein herzliches Mitleiden mit einander, wenn’s übel geht; sie freuen sich aber mit einander, wenn’s wohl geht; sie sind barmherzig und gut, thätig und dienen einander willig mit der Gabe, die sie empfangen haben. Die Erfahrung bezeugt es, daß manchmal den Eltern das Herz weh thut, wenn es ihren Kindern, die in der Fremde oder sonst von ihnen entfernt sind, nicht wohl geht. Dergleichen widerfährt mancher christlichen Seele: Es ist oft ihr Herz so beklommen und ängstigt sich in ihnen, daß sie nicht wißen, wo sie sich laßen sollen, ob sie wohl manchmal nicht errathen können, was die Ursache sei. Ich halte aber dafür, wenn die Kirche zuweilen an einem Ort bedrängt wird, oder sonst die Trübsal vieler Orten überhand nimmt, daß die Gläubigen damit überschwemmt und hoch beschwert werden; so empfinden es die andern an ihrem Herzen, damit sie zum Seufzen und zum Beten angemahnt werden; darum auch in solcher Bangigkeit nichts Beßeres ist, als daß man seine eigenen, seiner Angehörigen, seiner Glaubensgenoßen und aller seiner Mitchristen Noth, sie seien nahe oder ferne, dem lieben Gott mit eifrigem Seufzen vortrage und um Hilf und Rettung schreie.– Dies gibt nun eine Warnung an die Gottlosen, einen Trost aber und Unterricht an die Frommen. Die Gottlosen müßen wißen, daß die heiligen Kinder Gottes auf Erden alle für Einen Mann stehen: sie glauben mit einander, sie beten, sie seufzen, sie weinen, sie freuen sich mit einander, sie helfen einander nicht mit Geschoßen und Schwertern, sondern mit ihren Thränen und Flehen: wer einen betrübt, der betrübt sie alle; wer des einen Thränen und Seufzen auf sich lädt, der muß ein gleiches von allen erwarten. Dies achtet zwar und versteht die Welt nicht, sie wird es aber oftmals inne, daß die Thränen der Gläubigen zur Fluth und zum gewaltigen Strom, die Seufzer aber zum starken Sturmwind werden, dadurch alle ihre Pracht und Herrlichkeit, aller Trotz und Frevel unverhofft über den Haufen geworfen werden. Tröstlich aber ist es den Frommen, zu wißen, daß sie so viele Fürbitter haben, als rechtschaffene Christen auf Erden leben, und wenn ihnen dünkt, ihr armes Gebet sei gar zu schwach, es könne nicht viel ausrichten; so bedenken sie billig, daß viel tausend gläubige Seelen neben ihnen vor Gott mit mit ihrem Gebete liegen. Aus vielen kleinen nun wird ein großes, und wenn eines Gerechten Gebet, wenn’s ernstlich ist, so viel vermag,

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau. Nürnberg, 1870, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_neuendettelsau_1870/55>, abgerufen am 28.03.2024.