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Löhe, Wilhelm: Prediget das Evangelium aller Creatur! Nürnberg, 1847.

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Schooß seiner Erde, die nichts verliert, aus welcher die entschlafene Menschheit grünen wird wie das Gras, wenn nun fallen wird der Thau des grünen Feldes. Wir sind glücklich zu preisen! - Aber wie unglücklich sind diejenigen, welche von dem einigen Erlöser des menschlichen Geschlechtes und von seiner Treue nichts erfahren! Laß sie im Purpur der Ehren geboren sein, laß sie im Ueberfluß aufwachsen, laß sie weise und klug sein, wie es immer die menschliche Natur vermag, laß das Glück der Erde, welches keinem je treu gewesen ist, ihnen zu Liebe treu werden und denke dir es so groß du willst: es wird dir doch alles als eitel und nichtig erscheinen, so wie du dich erinnerst, daß sie von allen Segnungen, welche in der Christenheit auch der Aermste genießt, keiner einzigen sich erfreuen. Für sie betete niemand, da sie noch im Mutterleibe waren; keine Taufe, keine Absolution entsündigt sie, keine Predigt des Evangeliums zeigt ihnen den Weg, kein h. Mahl speist und tränkt sie zum ewigen Leben, sie werden von dem ewigen König nicht als Schafe behandelt und geweidet, - und ihr ewiges Loos, man sage nun, wie und was man will, ist doch so ungewiß, daß man nicht absehen kann, mit welchem Troste sie ihr Herz im Sterben erquicken sollen. Wie mancher Knecht des Herrn wurde an Sterbebetten der Christen von Freude und Dank durchdrungen, weil es doch einen Sterbenstrost gibt, weil man mit lautem Preis einer ewigen Gnade den kämpfenden Seelen zurufen konnte: "Euch kann man doch trösten!" Wie schaurig aber ist der Abschied sterbender Heiden. Es ist unbegreiflich, oder ja, es ist begreiflich, aber nur aus dem tiefen Verderben des menschlichen Herzens, daß die Heiden das Grauen des Todes und die dunkle Hoffnungslosigkeit, welche um ihre Sterbenden her ist, ertragen können, ohne zu versinken.

Ach wie sind die Heiden so unglücklich und wir so glücklich! - Das Glück macht oft mild gegen andere:

Schooß seiner Erde, die nichts verliert, aus welcher die entschlafene Menschheit grünen wird wie das Gras, wenn nun fallen wird der Thau des grünen Feldes. Wir sind glücklich zu preisen! – Aber wie unglücklich sind diejenigen, welche von dem einigen Erlöser des menschlichen Geschlechtes und von seiner Treue nichts erfahren! Laß sie im Purpur der Ehren geboren sein, laß sie im Ueberfluß aufwachsen, laß sie weise und klug sein, wie es immer die menschliche Natur vermag, laß das Glück der Erde, welches keinem je treu gewesen ist, ihnen zu Liebe treu werden und denke dir es so groß du willst: es wird dir doch alles als eitel und nichtig erscheinen, so wie du dich erinnerst, daß sie von allen Segnungen, welche in der Christenheit auch der Aermste genießt, keiner einzigen sich erfreuen. Für sie betete niemand, da sie noch im Mutterleibe waren; keine Taufe, keine Absolution entsündigt sie, keine Predigt des Evangeliums zeigt ihnen den Weg, kein h. Mahl speist und tränkt sie zum ewigen Leben, sie werden von dem ewigen König nicht als Schafe behandelt und geweidet, – und ihr ewiges Loos, man sage nun, wie und was man will, ist doch so ungewiß, daß man nicht absehen kann, mit welchem Troste sie ihr Herz im Sterben erquicken sollen. Wie mancher Knecht des Herrn wurde an Sterbebetten der Christen von Freude und Dank durchdrungen, weil es doch einen Sterbenstrost gibt, weil man mit lautem Preis einer ewigen Gnade den kämpfenden Seelen zurufen konnte: «Euch kann man doch trösten!» Wie schaurig aber ist der Abschied sterbender Heiden. Es ist unbegreiflich, oder ja, es ist begreiflich, aber nur aus dem tiefen Verderben des menschlichen Herzens, daß die Heiden das Grauen des Todes und die dunkle Hoffnungslosigkeit, welche um ihre Sterbenden her ist, ertragen können, ohne zu versinken.

Ach wie sind die Heiden so unglücklich und wir so glücklich! – Das Glück macht oft mild gegen andere:

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[5/0005] Schooß seiner Erde, die nichts verliert, aus welcher die entschlafene Menschheit grünen wird wie das Gras, wenn nun fallen wird der Thau des grünen Feldes. Wir sind glücklich zu preisen! – Aber wie unglücklich sind diejenigen, welche von dem einigen Erlöser des menschlichen Geschlechtes und von seiner Treue nichts erfahren! Laß sie im Purpur der Ehren geboren sein, laß sie im Ueberfluß aufwachsen, laß sie weise und klug sein, wie es immer die menschliche Natur vermag, laß das Glück der Erde, welches keinem je treu gewesen ist, ihnen zu Liebe treu werden und denke dir es so groß du willst: es wird dir doch alles als eitel und nichtig erscheinen, so wie du dich erinnerst, daß sie von allen Segnungen, welche in der Christenheit auch der Aermste genießt, keiner einzigen sich erfreuen. Für sie betete niemand, da sie noch im Mutterleibe waren; keine Taufe, keine Absolution entsündigt sie, keine Predigt des Evangeliums zeigt ihnen den Weg, kein h. Mahl speist und tränkt sie zum ewigen Leben, sie werden von dem ewigen König nicht als Schafe behandelt und geweidet, – und ihr ewiges Loos, man sage nun, wie und was man will, ist doch so ungewiß, daß man nicht absehen kann, mit welchem Troste sie ihr Herz im Sterben erquicken sollen. Wie mancher Knecht des Herrn wurde an Sterbebetten der Christen von Freude und Dank durchdrungen, weil es doch einen Sterbenstrost gibt, weil man mit lautem Preis einer ewigen Gnade den kämpfenden Seelen zurufen konnte: «Euch kann man doch trösten!» Wie schaurig aber ist der Abschied sterbender Heiden. Es ist unbegreiflich, oder ja, es ist begreiflich, aber nur aus dem tiefen Verderben des menschlichen Herzens, daß die Heiden das Grauen des Todes und die dunkle Hoffnungslosigkeit, welche um ihre Sterbenden her ist, ertragen können, ohne zu versinken. Ach wie sind die Heiden so unglücklich und wir so glücklich! – Das Glück macht oft mild gegen andere:

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Prediget das Evangelium aller Creatur! Nürnberg, 1847, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_evangelium_1847/5>, abgerufen am 25.04.2024.