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Löhe, Wilhelm: Eine protestantische Missionspredigt von der Abendmahlszucht. Nürnberg, 1853.

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"Euer Ruhm ist nicht fein. Wißet ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?"

Um nun die Corinther von ihrer schmachvollen Niederlage aufzuschrecken und zum Abwerfen und Zerbrechen alter, obschon neuangelegter Feßeln zu ermuthigen, hält ihnen St. Paulus eine gewaltige Wahrheit vor, auf die er durch Erwähnung des Sauerteigs geführt wurde; wenn man nicht vielmehr sagen soll: sie lag ihm zuvor schon in Gedanken, so daß er um ihretwillen auch das Gleichnis und Vorbild vom Sauerteig anwendete. Ich meine nemlich das Verhältnis einer christlichen Gemeinde zur neutestamentlichen Osterlammsmahlzeit. Das Osterlamm des Alten Testaments war ein Sühnopfer, auf welches die Osterlammsmahlzeit folgte; durch diese wurden alle, welche das Lamm dargebracht hatten, ihres Opfers und seines Segens theilhaft und gewiß. Aehnlich ist es im Neuen Testamente. Da ist Christus, Gottes Lamm, - von welchem St. Paulus spricht: "Wir haben auch ein Osterlamm, für uns geschlachtet." Das Opfer Christi ist ein für alle Male geschehen und kein zweites folgt. Er hat mit Einem Opfer alle vollendet, die geheiligt werden. Wir haben also in einem unendlich höheren und tieferen Sinn, als die Juden, "ein Osterlamm, für uns geschlachtet." Und nun unser Osterlamm geschlachtet ist, "feiert man Ostern" durch den Genuß des Osterlamms, seines Leibes und Blutes im heiligen Abendmahl, bis der HErr am Ende wiederkommt. Die ganze Zeit von dem Opfer auf Golgatha bis zur Wiederkunft des HErrn ist für die Christen nicht bloß bildlich und gleichnisweise, sondern im vollkommensten, heiligsten Ernste Eine wahrhaftige, ununterbrochene Osterfeier, eine Osterlamms- und Abendmahls-Zeit. Die neutestamentlichen Gemeinden leben von der Vorbereitung zum Genuß des Osterlamms, vom Genuß zur Vorbereitung: zwischen Bereitung und Genuß vergeht die Zeit, bis ER kommt. Immer aufs Neue wollen

„Euer Ruhm ist nicht fein. Wißet ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?“

Um nun die Corinther von ihrer schmachvollen Niederlage aufzuschrecken und zum Abwerfen und Zerbrechen alter, obschon neuangelegter Feßeln zu ermuthigen, hält ihnen St. Paulus eine gewaltige Wahrheit vor, auf die er durch Erwähnung des Sauerteigs geführt wurde; wenn man nicht vielmehr sagen soll: sie lag ihm zuvor schon in Gedanken, so daß er um ihretwillen auch das Gleichnis und Vorbild vom Sauerteig anwendete. Ich meine nemlich das Verhältnis einer christlichen Gemeinde zur neutestamentlichen Osterlammsmahlzeit. Das Osterlamm des Alten Testaments war ein Sühnopfer, auf welches die Osterlammsmahlzeit folgte; durch diese wurden alle, welche das Lamm dargebracht hatten, ihres Opfers und seines Segens theilhaft und gewiß. Aehnlich ist es im Neuen Testamente. Da ist Christus, Gottes Lamm, – von welchem St. Paulus spricht: „Wir haben auch ein Osterlamm, für uns geschlachtet.“ Das Opfer Christi ist ein für alle Male geschehen und kein zweites folgt. Er hat mit Einem Opfer alle vollendet, die geheiligt werden. Wir haben also in einem unendlich höheren und tieferen Sinn, als die Juden, „ein Osterlamm, für uns geschlachtet.“ Und nun unser Osterlamm geschlachtet ist, „feiert man Ostern“ durch den Genuß des Osterlamms, seines Leibes und Blutes im heiligen Abendmahl, bis der HErr am Ende wiederkommt. Die ganze Zeit von dem Opfer auf Golgatha bis zur Wiederkunft des HErrn ist für die Christen nicht bloß bildlich und gleichnisweise, sondern im vollkommensten, heiligsten Ernste Eine wahrhaftige, ununterbrochene Osterfeier, eine Osterlamms- und Abendmahls-Zeit. Die neutestamentlichen Gemeinden leben von der Vorbereitung zum Genuß des Osterlamms, vom Genuß zur Vorbereitung: zwischen Bereitung und Genuß vergeht die Zeit, bis ER kommt. Immer aufs Neue wollen

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[6/0006] „Euer Ruhm ist nicht fein. Wißet ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert?“ Um nun die Corinther von ihrer schmachvollen Niederlage aufzuschrecken und zum Abwerfen und Zerbrechen alter, obschon neuangelegter Feßeln zu ermuthigen, hält ihnen St. Paulus eine gewaltige Wahrheit vor, auf die er durch Erwähnung des Sauerteigs geführt wurde; wenn man nicht vielmehr sagen soll: sie lag ihm zuvor schon in Gedanken, so daß er um ihretwillen auch das Gleichnis und Vorbild vom Sauerteig anwendete. Ich meine nemlich das Verhältnis einer christlichen Gemeinde zur neutestamentlichen Osterlammsmahlzeit. Das Osterlamm des Alten Testaments war ein Sühnopfer, auf welches die Osterlammsmahlzeit folgte; durch diese wurden alle, welche das Lamm dargebracht hatten, ihres Opfers und seines Segens theilhaft und gewiß. Aehnlich ist es im Neuen Testamente. Da ist Christus, Gottes Lamm, – von welchem St. Paulus spricht: „Wir haben auch ein Osterlamm, für uns geschlachtet.“ Das Opfer Christi ist ein für alle Male geschehen und kein zweites folgt. Er hat mit Einem Opfer alle vollendet, die geheiligt werden. Wir haben also in einem unendlich höheren und tieferen Sinn, als die Juden, „ein Osterlamm, für uns geschlachtet.“ Und nun unser Osterlamm geschlachtet ist, „feiert man Ostern“ durch den Genuß des Osterlamms, seines Leibes und Blutes im heiligen Abendmahl, bis der HErr am Ende wiederkommt. Die ganze Zeit von dem Opfer auf Golgatha bis zur Wiederkunft des HErrn ist für die Christen nicht bloß bildlich und gleichnisweise, sondern im vollkommensten, heiligsten Ernste Eine wahrhaftige, ununterbrochene Osterfeier, eine Osterlamms- und Abendmahls-Zeit. Die neutestamentlichen Gemeinden leben von der Vorbereitung zum Genuß des Osterlamms, vom Genuß zur Vorbereitung: zwischen Bereitung und Genuß vergeht die Zeit, bis ER kommt. Immer aufs Neue wollen

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Zitationshilfe: Löhe, Wilhelm: Eine protestantische Missionspredigt von der Abendmahlszucht. Nürnberg, 1853, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/loehe_abendmahlszucht_1853/6>, abgerufen am 19.04.2024.