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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Allgemeine Schwere.
nicht bloß die Planeten von der Sonne, sondern sie werden auch
von einander selbst angezogen, und daher kommt es, daß die
Ellipsen, welche jeder Planet, wenn er allein da wäre, um die
Sonne beschreiben würde, durch die Attraction der anderen Pla-
neten oft sehr merklich gestört, und in eine andere sehr ver-
wickelte krumme Linie verwandelt wird. Glücklicher Weise sind
diese Planeten alle so klein gegen die Sonne, und überdieß durch
so große Zwischenräume von einander getrennt, daß diese Stö-
rungen nur gering sind, und daß man sich ohne merklichen Fehler
erlauben kann, die Störungen jedes Planeten durch jeden andern,
einzeln betrachtet, zu untersuchen. Wäre dieß nicht der Fall, so
würde man alle diese Störungen, welche jeder Planet von allen
andern zugleich erleidet, berechnen müssen, und dann würden die
Schwierigkeiten so groß seyn, daß sie die Kräfte unserer gegen-
wärtigen, und wahrscheinlich auch die aller künftigen Analyse, weit
übersteigen würde. Bei dieser Einrichtung unseres Sonnensystems
aber reicht vollkommen zur Theorie der Bewegung eines Planeten
hin, wenn man zuerst die reinen elliptischen Elemente (I. Band
Kap. X.) desselben sucht, und dann die Störungen auffindet,
welche derselbe durch jeden andern Planeten, einzeln betrachtet,
erleidet. Auf diese Weise ist die Untersuchung auf das soge-
nannte Problem der drei Körper zurückgebracht, d. h. auf
die Bestimmung der Bewegung eines Planeten, der von der Sonne
angezogen, und von einem anderen, gegen die Sonne viel schwä-
cheren Planeten, in seiner Bewegung etwas gestört wird. Auch
in dieser Beschränkung bleibt diese Aufgabe noch immer eine der
schwierigsten der ganzen Astronomie. Newton hat sie nicht er-
schöpft, wie sie denn auch in unsern Tagen noch immer nicht als
vollendet betrachtet werden kann, so weit man auch in derselben
bereits vorgerückt ist. Aber er hat, wie beinahe in allen großen
Fragen dieser Wissenschaft, die seit ihm die ersten Geometer
beschäftigte, er hat die Grundzüge, die ersten und schwersten
Schritte zur Auflösung derselben angegeben.

Die weitere Entwickelung desselben Naturgesetzes gab ihm
auch Mittel an die Hand, die Massen der Sonne und der Pla-
neten, die Dichtigkeiten derselben, und die Größen zu bestimmen,
durch welche auf der Oberfläche derselben die Körper in der ersten

Allgemeine Schwere.
nicht bloß die Planeten von der Sonne, ſondern ſie werden auch
von einander ſelbſt angezogen, und daher kommt es, daß die
Ellipſen, welche jeder Planet, wenn er allein da wäre, um die
Sonne beſchreiben würde, durch die Attraction der anderen Pla-
neten oft ſehr merklich geſtört, und in eine andere ſehr ver-
wickelte krumme Linie verwandelt wird. Glücklicher Weiſe ſind
dieſe Planeten alle ſo klein gegen die Sonne, und überdieß durch
ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt, daß dieſe Stö-
rungen nur gering ſind, und daß man ſich ohne merklichen Fehler
erlauben kann, die Störungen jedes Planeten durch jeden andern,
einzeln betrachtet, zu unterſuchen. Wäre dieß nicht der Fall, ſo
würde man alle dieſe Störungen, welche jeder Planet von allen
andern zugleich erleidet, berechnen müſſen, und dann würden die
Schwierigkeiten ſo groß ſeyn, daß ſie die Kräfte unſerer gegen-
wärtigen, und wahrſcheinlich auch die aller künftigen Analyſe, weit
überſteigen würde. Bei dieſer Einrichtung unſeres Sonnenſyſtems
aber reicht vollkommen zur Theorie der Bewegung eines Planeten
hin, wenn man zuerſt die reinen elliptiſchen Elemente (I. Band
Kap. X.) deſſelben ſucht, und dann die Störungen auffindet,
welche derſelbe durch jeden andern Planeten, einzeln betrachtet,
erleidet. Auf dieſe Weiſe iſt die Unterſuchung auf das ſoge-
nannte Problem der drei Körper zurückgebracht, d. h. auf
die Beſtimmung der Bewegung eines Planeten, der von der Sonne
angezogen, und von einem anderen, gegen die Sonne viel ſchwä-
cheren Planeten, in ſeiner Bewegung etwas geſtört wird. Auch
in dieſer Beſchränkung bleibt dieſe Aufgabe noch immer eine der
ſchwierigſten der ganzen Aſtronomie. Newton hat ſie nicht er-
ſchöpft, wie ſie denn auch in unſern Tagen noch immer nicht als
vollendet betrachtet werden kann, ſo weit man auch in derſelben
bereits vorgerückt iſt. Aber er hat, wie beinahe in allen großen
Fragen dieſer Wiſſenſchaft, die ſeit ihm die erſten Geometer
beſchäftigte, er hat die Grundzüge, die erſten und ſchwerſten
Schritte zur Auflöſung derſelben angegeben.

Die weitere Entwickelung deſſelben Naturgeſetzes gab ihm
auch Mittel an die Hand, die Maſſen der Sonne und der Pla-
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[57/0069] Allgemeine Schwere. nicht bloß die Planeten von der Sonne, ſondern ſie werden auch von einander ſelbſt angezogen, und daher kommt es, daß die Ellipſen, welche jeder Planet, wenn er allein da wäre, um die Sonne beſchreiben würde, durch die Attraction der anderen Pla- neten oft ſehr merklich geſtört, und in eine andere ſehr ver- wickelte krumme Linie verwandelt wird. Glücklicher Weiſe ſind dieſe Planeten alle ſo klein gegen die Sonne, und überdieß durch ſo große Zwiſchenräume von einander getrennt, daß dieſe Stö- rungen nur gering ſind, und daß man ſich ohne merklichen Fehler erlauben kann, die Störungen jedes Planeten durch jeden andern, einzeln betrachtet, zu unterſuchen. Wäre dieß nicht der Fall, ſo würde man alle dieſe Störungen, welche jeder Planet von allen andern zugleich erleidet, berechnen müſſen, und dann würden die Schwierigkeiten ſo groß ſeyn, daß ſie die Kräfte unſerer gegen- wärtigen, und wahrſcheinlich auch die aller künftigen Analyſe, weit überſteigen würde. Bei dieſer Einrichtung unſeres Sonnenſyſtems aber reicht vollkommen zur Theorie der Bewegung eines Planeten hin, wenn man zuerſt die reinen elliptiſchen Elemente (I. Band Kap. X.) deſſelben ſucht, und dann die Störungen auffindet, welche derſelbe durch jeden andern Planeten, einzeln betrachtet, erleidet. Auf dieſe Weiſe iſt die Unterſuchung auf das ſoge- nannte Problem der drei Körper zurückgebracht, d. h. auf die Beſtimmung der Bewegung eines Planeten, der von der Sonne angezogen, und von einem anderen, gegen die Sonne viel ſchwä- cheren Planeten, in ſeiner Bewegung etwas geſtört wird. Auch in dieſer Beſchränkung bleibt dieſe Aufgabe noch immer eine der ſchwierigſten der ganzen Aſtronomie. Newton hat ſie nicht er- ſchöpft, wie ſie denn auch in unſern Tagen noch immer nicht als vollendet betrachtet werden kann, ſo weit man auch in derſelben bereits vorgerückt iſt. Aber er hat, wie beinahe in allen großen Fragen dieſer Wiſſenſchaft, die ſeit ihm die erſten Geometer beſchäftigte, er hat die Grundzüge, die erſten und ſchwerſten Schritte zur Auflöſung derſelben angegeben. Die weitere Entwickelung deſſelben Naturgeſetzes gab ihm auch Mittel an die Hand, die Maſſen der Sonne und der Pla- neten, die Dichtigkeiten derſelben, und die Größen zu beſtimmen, durch welche auf der Oberfläche derſelben die Körper in der erſten

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/69>, abgerufen am 29.03.2024.