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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Allgemeine Schwere.
um ihre Axe und auf die Bewegung des Mondes um die Erde
anzuwenden, (was Newton eigentlich später that, und wo-
durch er eben auf seine große Entdeckung geführt wurde),
so würde Er der Schöpfer des neuen Systems geworden seyn.
Aber er versäumte es, diese Anwendung, diesen letzten Schritt zu
machen, und mußte daher die Palme des Ruhmes einem Andern,
einem Glücklicheren überlassen.

§. 24. (Veranlassung zu dieser Entdeckung Newtons.) Isaak
Newton
wurde am 25. Dez. 1642 geboren. In seinem 18ten
Jahre betrat er die Universität zu Cambridge, beinahe ohne alle
jene vorbereitende Bildung, welche die Schüler dieses berühmten
Instituts bei ihrem Eintritte in dasselbe mitzubringen pflegten.
Vielleicht aber wirkte eben dieser Mangel vortheilhaft auf seinen
Geist. Er wurde von keinen Vorkenntnissen unterstützt, er hatte
aber auch keine Vorurtheile zu besiegen. Er hatte nichts gelernt,
er durfte auch nichts verlernen, und sein jugendlicher Geist konnte
ungehindert seinen eigenthümlichen Gang gehen, den Weg des
kleinsten Widerstandes, ohne sich von den Gebirgen von Hinder-
nissen irren zu lassen, die sich vor ihm aufthürmten, die er aber
nicht kannte, und die er bald darauf so glorreich besiegte.

Er wendete sich, gleich im Anfange seiner Studien, zur Ma-
thematik. Seine Absicht dabei soll gewesen seyn, die Irrthümer
der Astrologie, die zu jener Zeit noch viele Anhänger zählte, auf
geometrischem Wege zu widerlegen. Euclid's Werke lernte er
nur eben kennen, um sie sogleich wieder aus der Hand zu legen.
Er fand sie zu leicht, und betrachtete die meisten der in ihnen
enthaltenen Sätze nur als eben so viele Axiome, deren Wahr-
heit sich gleichsam von selbst versteht. Er wendete sich daher
sogleich zu der viel schwereren Geometrie des Descartes, zu
Wallis Arithmetik des Unendlichen und zu Keplers astronomischen
Werken, welche er alle, die Feder in der Hand, las und sich daraus
Auszüge machte, die er bis an das Ende seines Lebens bewahrte.
Man erkannte bald den Geist, der in ihm lebte, und im Jahre
1669, wurde er, an des berühmten Barrow's Stelle, Professor
der Mathematik in Cambridge, eine Stelle, die er bis zu dem
Jahre 1695 begleitete, wo er zum Vorsteher der königl. Münze in
London mit einem jährlichen Gehalte von 15000 Pf. Sterling

Allgemeine Schwere.
um ihre Axe und auf die Bewegung des Mondes um die Erde
anzuwenden, (was Newton eigentlich ſpäter that, und wo-
durch er eben auf ſeine große Entdeckung geführt wurde),
ſo würde Er der Schöpfer des neuen Syſtems geworden ſeyn.
Aber er verſäumte es, dieſe Anwendung, dieſen letzten Schritt zu
machen, und mußte daher die Palme des Ruhmes einem Andern,
einem Glücklicheren überlaſſen.

§. 24. (Veranlaſſung zu dieſer Entdeckung Newtons.) Iſaak
Newton
wurde am 25. Dez. 1642 geboren. In ſeinem 18ten
Jahre betrat er die Univerſität zu Cambridge, beinahe ohne alle
jene vorbereitende Bildung, welche die Schüler dieſes berühmten
Inſtituts bei ihrem Eintritte in daſſelbe mitzubringen pflegten.
Vielleicht aber wirkte eben dieſer Mangel vortheilhaft auf ſeinen
Geiſt. Er wurde von keinen Vorkenntniſſen unterſtützt, er hatte
aber auch keine Vorurtheile zu beſiegen. Er hatte nichts gelernt,
er durfte auch nichts verlernen, und ſein jugendlicher Geiſt konnte
ungehindert ſeinen eigenthümlichen Gang gehen, den Weg des
kleinſten Widerſtandes, ohne ſich von den Gebirgen von Hinder-
niſſen irren zu laſſen, die ſich vor ihm aufthürmten, die er aber
nicht kannte, und die er bald darauf ſo glorreich beſiegte.

Er wendete ſich, gleich im Anfange ſeiner Studien, zur Ma-
thematik. Seine Abſicht dabei ſoll geweſen ſeyn, die Irrthümer
der Aſtrologie, die zu jener Zeit noch viele Anhänger zählte, auf
geometriſchem Wege zu widerlegen. Euclid’s Werke lernte er
nur eben kennen, um ſie ſogleich wieder aus der Hand zu legen.
Er fand ſie zu leicht, und betrachtete die meiſten der in ihnen
enthaltenen Sätze nur als eben ſo viele Axiome, deren Wahr-
heit ſich gleichſam von ſelbſt verſteht. Er wendete ſich daher
ſogleich zu der viel ſchwereren Geometrie des Descartes, zu
Wallis Arithmetik des Unendlichen und zu Keplers aſtronomiſchen
Werken, welche er alle, die Feder in der Hand, las und ſich daraus
Auszüge machte, die er bis an das Ende ſeines Lebens bewahrte.
Man erkannte bald den Geiſt, der in ihm lebte, und im Jahre
1669, wurde er, an des berühmten Barrow’s Stelle, Profeſſor
der Mathematik in Cambridge, eine Stelle, die er bis zu dem
Jahre 1695 begleitete, wo er zum Vorſteher der königl. Münze in
London mit einem jährlichen Gehalte von 15000 Pf. Sterling

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[34/0046] Allgemeine Schwere. um ihre Axe und auf die Bewegung des Mondes um die Erde anzuwenden, (was Newton eigentlich ſpäter that, und wo- durch er eben auf ſeine große Entdeckung geführt wurde), ſo würde Er der Schöpfer des neuen Syſtems geworden ſeyn. Aber er verſäumte es, dieſe Anwendung, dieſen letzten Schritt zu machen, und mußte daher die Palme des Ruhmes einem Andern, einem Glücklicheren überlaſſen. §. 24. (Veranlaſſung zu dieſer Entdeckung Newtons.) Iſaak Newton wurde am 25. Dez. 1642 geboren. In ſeinem 18ten Jahre betrat er die Univerſität zu Cambridge, beinahe ohne alle jene vorbereitende Bildung, welche die Schüler dieſes berühmten Inſtituts bei ihrem Eintritte in daſſelbe mitzubringen pflegten. Vielleicht aber wirkte eben dieſer Mangel vortheilhaft auf ſeinen Geiſt. Er wurde von keinen Vorkenntniſſen unterſtützt, er hatte aber auch keine Vorurtheile zu beſiegen. Er hatte nichts gelernt, er durfte auch nichts verlernen, und ſein jugendlicher Geiſt konnte ungehindert ſeinen eigenthümlichen Gang gehen, den Weg des kleinſten Widerſtandes, ohne ſich von den Gebirgen von Hinder- niſſen irren zu laſſen, die ſich vor ihm aufthürmten, die er aber nicht kannte, und die er bald darauf ſo glorreich beſiegte. Er wendete ſich, gleich im Anfange ſeiner Studien, zur Ma- thematik. Seine Abſicht dabei ſoll geweſen ſeyn, die Irrthümer der Aſtrologie, die zu jener Zeit noch viele Anhänger zählte, auf geometriſchem Wege zu widerlegen. Euclid’s Werke lernte er nur eben kennen, um ſie ſogleich wieder aus der Hand zu legen. Er fand ſie zu leicht, und betrachtete die meiſten der in ihnen enthaltenen Sätze nur als eben ſo viele Axiome, deren Wahr- heit ſich gleichſam von ſelbſt verſteht. Er wendete ſich daher ſogleich zu der viel ſchwereren Geometrie des Descartes, zu Wallis Arithmetik des Unendlichen und zu Keplers aſtronomiſchen Werken, welche er alle, die Feder in der Hand, las und ſich daraus Auszüge machte, die er bis an das Ende ſeines Lebens bewahrte. Man erkannte bald den Geiſt, der in ihm lebte, und im Jahre 1669, wurde er, an des berühmten Barrow’s Stelle, Profeſſor der Mathematik in Cambridge, eine Stelle, die er bis zu dem Jahre 1695 begleitete, wo er zum Vorſteher der königl. Münze in London mit einem jährlichen Gehalte von 15000 Pf. Sterling

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/46>, abgerufen am 29.03.2024.