Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Eigenschaften der Körper.
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erstreckt.
Denn diese Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober-
fläche zunächst liegenden Körper, wenn sie ihrer Unterstützung be-
raubt werden, gegen sie fallen, sondern sie ist auch, wie wir bald
sehen werden, die Ursache, warum der Mond in einer Entfernung
von nahe fünfzig tausend Meilen sich um die Erde bewegt.

§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende
Kraft.) Indem wir aber diese Kraft der Erde näher untersuchen
wollen, müssen wir sie zuerst wohl von einem Impulse oder
von einem bloßen Stoße unterscheiden. Wenn wir einen Körper
mit der Hand stoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen
Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, so
wirkt diese auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen-
blick, nur so lange als dieser Stoß dauert, nach welchem dann
der Körper gleichsam sich selbst überlassen bleibt. Die Folge
davon ist, daß der Körper in Folge dieses Stoßes eine Bewegung
annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe
immer dieselbe seyn wird, wenn in der That bloß dieser Stoß
und sonst keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung
eines auf diese Art bewegten Körpers muß also erstens geradlinig
und zweitens gleichförmig seyn, d. h. er muß sich mit immer
gleicher Geschwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne
Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar solche Bewe-
gungen nicht nachweisen, weil alle Körper, denen wir einen solchen
augenblicklichen Impuls durch unsere mechanischen Kräfte bei-
bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgesetzt sind und
sich überdieß in der Luft oder in andern widerstehenden Mitteln
bewegen, daher sie, außer jenem ersten Impulse, auch noch diesen
andern Kräften unterworfen sind. Wenn wir eine Kugel auf
einem horizontalen Boden fortstoßen, wenn wir ein Rad um
seine Axe schwingen, wenn wir eine Kugel aus unseren Feuerge-
wehren abschießen oder einen Stein in die Höhe werfen, so sehen
wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in
einer krummen Linie laufen, sie und das Rad an der Axe immer
langsamer gehen und bald völlig still stehen, weil die Reibung der
Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des

2 *

Eigenſchaften der Körper.
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt.
Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober-
fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be-
raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald
ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung
von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt.

§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende
Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen
wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem Impulſe oder
von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper
mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen
Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo
wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen-
blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann
der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge
davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung
annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe
immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß
und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung
eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig
und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer
gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne
Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe-
gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen
augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei-
bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und
ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln
bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen
andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf
einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um
ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge-
wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen
wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in
einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer
langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der
Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des

2 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0031" n="19"/><fw place="top" type="header">Eigen&#x017F;chaften der Körper.</fw><lb/>
auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper er&#x017F;treckt.<lb/>
Denn die&#x017F;e Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober-<lb/>
fläche zunäch&#x017F;t liegenden Körper, wenn &#x017F;ie ihrer Unter&#x017F;tützung be-<lb/>
raubt werden, gegen &#x017F;ie fallen, &#x017F;ondern &#x017F;ie i&#x017F;t auch, wie wir bald<lb/>
&#x017F;ehen werden, die Ur&#x017F;ache, warum der Mond in einer Entfernung<lb/>
von nahe fünfzig tau&#x017F;end Meilen &#x017F;ich um die Erde bewegt.</p><lb/>
              <p>§. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende<lb/>
Kraft.) Indem wir aber die&#x017F;e Kraft der Erde näher unter&#x017F;uchen<lb/>
wollen, mü&#x017F;&#x017F;en wir &#x017F;ie zuer&#x017F;t wohl von einem <hi rendition="#g">Impul&#x017F;e</hi> oder<lb/>
von einem bloßen Stoße unter&#x017F;cheiden. Wenn wir einen Körper<lb/>
mit der Hand &#x017F;toßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen<lb/>
Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, &#x017F;o<lb/>
wirkt die&#x017F;e auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen-<lb/>
blick, nur &#x017F;o lange als die&#x017F;er Stoß dauert, nach welchem dann<lb/>
der Körper gleich&#x017F;am &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t überla&#x017F;&#x017F;en bleibt. Die Folge<lb/>
davon i&#x017F;t, daß der Körper in Folge die&#x017F;es Stoßes eine Bewegung<lb/>
annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe<lb/>
immer die&#x017F;elbe &#x017F;eyn wird, wenn in der That bloß die&#x017F;er Stoß<lb/>
und &#x017F;on&#x017F;t keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung<lb/>
eines auf die&#x017F;e Art bewegten Körpers muß al&#x017F;o er&#x017F;tens geradlinig<lb/>
und zweitens gleichförmig &#x017F;eyn, d. h. er muß &#x017F;ich mit immer<lb/>
gleicher Ge&#x017F;chwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne<lb/>
Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar &#x017F;olche Bewe-<lb/>
gungen nicht nachwei&#x017F;en, weil alle Körper, denen wir einen &#x017F;olchen<lb/>
augenblicklichen Impuls durch un&#x017F;ere mechani&#x017F;chen Kräfte bei-<lb/>
bringen, auch <hi rendition="#g">zugleich</hi> der Kraft der Erde ausge&#x017F;etzt &#x017F;ind und<lb/>
&#x017F;ich überdieß in der Luft oder in andern wider&#x017F;tehenden Mitteln<lb/>
bewegen, daher &#x017F;ie, außer jenem er&#x017F;ten Impul&#x017F;e, auch noch die&#x017F;en<lb/>
andern Kräften unterworfen &#x017F;ind. Wenn wir eine Kugel auf<lb/>
einem horizontalen Boden fort&#x017F;toßen, wenn wir ein Rad um<lb/>
&#x017F;eine Axe &#x017F;chwingen, wenn wir eine Kugel aus un&#x017F;eren Feuerge-<lb/>
wehren ab&#x017F;chießen oder einen Stein in die Höhe werfen, &#x017F;o &#x017F;ehen<lb/>
wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in<lb/>
einer krummen Linie laufen, &#x017F;ie und das Rad an der Axe immer<lb/>
lang&#x017F;amer gehen und bald völlig &#x017F;till &#x017F;tehen, weil die Reibung der<lb/>
Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2 *</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0031] Eigenſchaften der Körper. auf unendliche Entfernungen von dem anziehenden Körper erſtreckt. Denn dieſe Anziehung der Erde macht nicht bloß die ihrer Ober- fläche zunächſt liegenden Körper, wenn ſie ihrer Unterſtützung be- raubt werden, gegen ſie fallen, ſondern ſie iſt auch, wie wir bald ſehen werden, die Urſache, warum der Mond in einer Entfernung von nahe fünfzig tauſend Meilen ſich um die Erde bewegt. §. 15. (Augenblicklicher Stoß und immerwährend wirkende Kraft.) Indem wir aber dieſe Kraft der Erde näher unterſuchen wollen, müſſen wir ſie zuerſt wohl von einem Impulſe oder von einem bloßen Stoße unterſcheiden. Wenn wir einen Körper mit der Hand ſtoßen oder werfen, oder wenn wir ihm durch einen Stab, Hammer u. dgl. irgend eine Bewegung beibringen, ſo wirkt dieſe auf den Körper angebrachte Kraft nur einen Augen- blick, nur ſo lange als dieſer Stoß dauert, nach welchem dann der Körper gleichſam ſich ſelbſt überlaſſen bleibt. Die Folge davon iſt, daß der Körper in Folge dieſes Stoßes eine Bewegung annehmen wird, deren Richtung die des Stoßes, und deren Größe immer dieſelbe ſeyn wird, wenn in der That bloß dieſer Stoß und ſonſt keine andere Kraft auf ihn wirkt. Die Bewegung eines auf dieſe Art bewegten Körpers muß alſo erſtens geradlinig und zweitens gleichförmig ſeyn, d. h. er muß ſich mit immer gleicher Geſchwindigkeit in einer geraden Linie und zwar ohne Ende fortbewegen. In der Natur können wir zwar ſolche Bewe- gungen nicht nachweiſen, weil alle Körper, denen wir einen ſolchen augenblicklichen Impuls durch unſere mechaniſchen Kräfte bei- bringen, auch zugleich der Kraft der Erde ausgeſetzt ſind und ſich überdieß in der Luft oder in andern widerſtehenden Mitteln bewegen, daher ſie, außer jenem erſten Impulſe, auch noch dieſen andern Kräften unterworfen ſind. Wenn wir eine Kugel auf einem horizontalen Boden fortſtoßen, wenn wir ein Rad um ſeine Axe ſchwingen, wenn wir eine Kugel aus unſeren Feuerge- wehren abſchießen oder einen Stein in die Höhe werfen, ſo ſehen wir oft, jener Behauptung entgegen, die Kugel und den Stein in einer krummen Linie laufen, ſie und das Rad an der Axe immer langſamer gehen und bald völlig ſtill ſtehen, weil die Reibung der Kugel auf dem nie ganz ebenen Boden, weil die Reibung des 2 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/31
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/31>, abgerufen am 29.03.2024.