Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Beschreibung und Gebrauch der astronom. Instrumente.
geachtet haben unsere Künstler, in Verbindung mit den Astrono-
men, für welche sie arbeiten, Mittel gefunden, die einzelnen Se-

Mit Hülfe des bekannten Fühlhebels kann man die Bie-
gungen, welche durch äußere Kräfte hervorgebracht werden,
an denjenigen Körpern noch deutlich lesen, die man sonst
für ganz unbiegsam gehalten hat. Wenn man zum Beispiel
eine Kanone an ihren beiden Enden auf Stützen legt, so
krümmt sich, wie der Fühlhebel zeigt, der nicht unterstützte,
mittlere Theil der Kanone durch die Wirkung der Schwere,
gleich einem dünnen, biegsamen Stabe zur Erde. Wird aber
die Kanone bloß in ihrer Mitte auf eine einzige Stütze gelegt,
so sieht man dafür die beiden Enden derselben, gleich einem in
der Mitte gehaltenen Fischbeine, sich abwärts biegen. Man
könnte dieß der größern Masse oder dem bedeutenden Gewichte
der Kanone zuschreiben. Aber dieselbe Erscheinung wiederholt
sich auch bei den leichtesten Körpern, mit welchen wir noch Ver-
suche dieser Art anstellen können. Die horizontalen Fäden,
welche man in dem Brennpunkte der astronomischen Fernröhre
ausgespannt findet, gehören zu den feinsten, welche die Natur
oder auch die Kunst hervorbringen kann. Man pflegt sie häufig
von dem feinen Gespinnste zu nehmen, welches im Herbste unsere
Gärten und Wiesen überzieht, und das unter der Benennung
des fliegenden Sommers bekannt ist. Diese Fäden, welche von
einer eigenen Gattung sehr kleiner Spinnen gesponnen werden,
sind so fein, daß man sie mit freien Augen nur mehr an ihrer
Spiegelung erkennt, wenn sie gegen die Sonne gehalten werden.
Obschon daher ihr Gewicht ohne Zweifel ganz ungemein klein
ist, so sieht man doch durch die starke Vergrößerung des Fern-
rohrs, daß sie, wenn sie an ihren beiden Enden in dem Fern-
rohre befestigt, und auf das beste horizontal gespannt werden,
in ihrer Mitte sich krümmen, und daher keine gerade, sondern
eine krumme, gegen den Horizont convexe Linie bilden,
nicht anders, als ein dickes Seil oder eine schwere Kette von
beträchtlicher Länge, die auch bekanntlich keine Kraft an ihren
Enden so stark spannen kann, daß sie eine vollkommen gerade
Linie bildet. -- Ein anderes Mittel, die Veränderlichkeit der
Körper, die man gewöhnlich für unveränderlich hält, zu unter-
suchen, geben unsere äußerst empfindlichen Wasserwagen. Legt
man eine solche Wage auf die Fensterbrüstung eines Hauses,
selbst im ersten Stockwerke, selbst von dem solidesten Mauerwerke,
und drückt man dann mit der Hand stark gegen die Wand des
Fensters, so sieht man augenblicklich die Lage der Blase sich
verändern, und wenn der Druck nachläßt, sich wieder herstellen,
zum Zeichen, daß auch unsere stärkste Mauer, wie jene Säule
an dem Multiplicationskreise, gleich einer weichen Wachstafel,

Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente.
geachtet haben unſere Künſtler, in Verbindung mit den Aſtrono-
men, für welche ſie arbeiten, Mittel gefunden, die einzelnen Se-

Mit Hülfe des bekannten Fühlhebels kann man die Bie-
gungen, welche durch äußere Kräfte hervorgebracht werden,
an denjenigen Körpern noch deutlich leſen, die man ſonſt
für ganz unbiegſam gehalten hat. Wenn man zum Beiſpiel
eine Kanone an ihren beiden Enden auf Stützen legt, ſo
krümmt ſich, wie der Fühlhebel zeigt, der nicht unterſtützte,
mittlere Theil der Kanone durch die Wirkung der Schwere,
gleich einem dünnen, biegſamen Stabe zur Erde. Wird aber
die Kanone bloß in ihrer Mitte auf eine einzige Stütze gelegt,
ſo ſieht man dafür die beiden Enden derſelben, gleich einem in
der Mitte gehaltenen Fiſchbeine, ſich abwärts biegen. Man
könnte dieß der größern Maſſe oder dem bedeutenden Gewichte
der Kanone zuſchreiben. Aber dieſelbe Erſcheinung wiederholt
ſich auch bei den leichteſten Körpern, mit welchen wir noch Ver-
ſuche dieſer Art anſtellen können. Die horizontalen Fäden,
welche man in dem Brennpunkte der aſtronomiſchen Fernröhre
ausgeſpannt findet, gehören zu den feinſten, welche die Natur
oder auch die Kunſt hervorbringen kann. Man pflegt ſie häufig
von dem feinen Geſpinnſte zu nehmen, welches im Herbſte unſere
Gärten und Wieſen überzieht, und das unter der Benennung
des fliegenden Sommers bekannt iſt. Dieſe Fäden, welche von
einer eigenen Gattung ſehr kleiner Spinnen geſponnen werden,
ſind ſo fein, daß man ſie mit freien Augen nur mehr an ihrer
Spiegelung erkennt, wenn ſie gegen die Sonne gehalten werden.
Obſchon daher ihr Gewicht ohne Zweifel ganz ungemein klein
iſt, ſo ſieht man doch durch die ſtarke Vergrößerung des Fern-
rohrs, daß ſie, wenn ſie an ihren beiden Enden in dem Fern-
rohre befeſtigt, und auf das beſte horizontal geſpannt werden,
in ihrer Mitte ſich krümmen, und daher keine gerade, ſondern
eine krumme, gegen den Horizont convexe Linie bilden,
nicht anders, als ein dickes Seil oder eine ſchwere Kette von
beträchtlicher Länge, die auch bekanntlich keine Kraft an ihren
Enden ſo ſtark ſpannen kann, daß ſie eine vollkommen gerade
Linie bildet. — Ein anderes Mittel, die Veränderlichkeit der
Körper, die man gewöhnlich für unveränderlich hält, zu unter-
ſuchen, geben unſere äußerſt empfindlichen Waſſerwagen. Legt
man eine ſolche Wage auf die Fenſterbrüſtung eines Hauſes,
ſelbſt im erſten Stockwerke, ſelbſt von dem ſolideſten Mauerwerke,
und drückt man dann mit der Hand ſtark gegen die Wand des
Fenſters, ſo ſieht man augenblicklich die Lage der Blaſe ſich
verändern, und wenn der Druck nachläßt, ſich wieder herſtellen,
zum Zeichen, daß auch unſere ſtärkſte Mauer, wie jene Säule
an dem Multiplicationskreiſe, gleich einer weichen Wachstafel,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0240" n="228"/><fw place="top" type="header">Be&#x017F;chreibung und Gebrauch der a&#x017F;tronom. In&#x017F;trumente.</fw><lb/>
geachtet haben un&#x017F;ere Kün&#x017F;tler, in Verbindung mit den A&#x017F;trono-<lb/>
men, für welche &#x017F;ie arbeiten, Mittel gefunden, die einzelnen Se-<lb/><note next="#seg2pn_1_3" xml:id="seg2pn_1_2" prev="#seg2pn_1_1" place="foot" n="*)">Mit Hülfe des bekannten <hi rendition="#g">Fühlhebels</hi> kann man die Bie-<lb/>
gungen, welche durch äußere Kräfte hervorgebracht werden,<lb/>
an denjenigen Körpern noch deutlich le&#x017F;en, die man &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
für ganz unbieg&#x017F;am gehalten hat. Wenn man zum Bei&#x017F;piel<lb/>
eine Kanone an ihren beiden Enden auf Stützen legt, &#x017F;o<lb/>
krümmt &#x017F;ich, wie der Fühlhebel zeigt, der nicht unter&#x017F;tützte,<lb/>
mittlere Theil der Kanone durch die Wirkung der Schwere,<lb/>
gleich einem dünnen, bieg&#x017F;amen Stabe zur Erde. Wird aber<lb/>
die Kanone bloß in ihrer Mitte auf eine einzige Stütze gelegt,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ieht man dafür die beiden Enden der&#x017F;elben, gleich einem in<lb/>
der Mitte gehaltenen Fi&#x017F;chbeine, &#x017F;ich abwärts biegen. Man<lb/>
könnte dieß der größern Ma&#x017F;&#x017F;e oder dem bedeutenden Gewichte<lb/>
der Kanone zu&#x017F;chreiben. Aber die&#x017F;elbe Er&#x017F;cheinung wiederholt<lb/>
&#x017F;ich auch bei den leichte&#x017F;ten Körpern, mit welchen wir noch Ver-<lb/>
&#x017F;uche die&#x017F;er Art an&#x017F;tellen können. Die horizontalen Fäden,<lb/>
welche man in dem Brennpunkte der a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Fernröhre<lb/>
ausge&#x017F;pannt findet, gehören zu den fein&#x017F;ten, welche die Natur<lb/>
oder auch die Kun&#x017F;t hervorbringen kann. Man pflegt &#x017F;ie häufig<lb/>
von dem feinen Ge&#x017F;pinn&#x017F;te zu nehmen, welches im Herb&#x017F;te un&#x017F;ere<lb/>
Gärten und Wie&#x017F;en überzieht, und das unter der Benennung<lb/>
des fliegenden Sommers bekannt i&#x017F;t. Die&#x017F;e Fäden, welche von<lb/>
einer eigenen Gattung &#x017F;ehr kleiner Spinnen ge&#x017F;ponnen werden,<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;o fein, daß man &#x017F;ie mit freien Augen nur mehr an ihrer<lb/>
Spiegelung erkennt, wenn &#x017F;ie gegen die Sonne gehalten werden.<lb/>
Ob&#x017F;chon daher ihr Gewicht ohne Zweifel ganz ungemein klein<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ieht man doch durch die &#x017F;tarke Vergrößerung des Fern-<lb/>
rohrs, daß &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie an ihren beiden Enden in dem Fern-<lb/>
rohre befe&#x017F;tigt, und auf das be&#x017F;te horizontal ge&#x017F;pannt werden,<lb/>
in ihrer Mitte &#x017F;ich krümmen, und daher keine gerade, &#x017F;ondern<lb/>
eine krumme, gegen den Horizont convexe Linie bilden,<lb/>
nicht anders, als ein dickes Seil oder eine &#x017F;chwere Kette von<lb/>
beträchtlicher Länge, die auch bekanntlich keine Kraft an ihren<lb/>
Enden &#x017F;o &#x017F;tark &#x017F;pannen kann, daß &#x017F;ie eine vollkommen gerade<lb/>
Linie bildet. &#x2014; Ein anderes Mittel, die Veränderlichkeit der<lb/>
Körper, die man gewöhnlich für unveränderlich hält, zu unter-<lb/>
&#x017F;uchen, geben un&#x017F;ere äußer&#x017F;t empfindlichen Wa&#x017F;&#x017F;erwagen. Legt<lb/>
man eine &#x017F;olche Wage auf die Fen&#x017F;terbrü&#x017F;tung eines Hau&#x017F;es,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t im er&#x017F;ten Stockwerke, &#x017F;elb&#x017F;t von dem &#x017F;olide&#x017F;ten Mauerwerke,<lb/>
und drückt man dann mit der Hand &#x017F;tark gegen die Wand des<lb/>
Fen&#x017F;ters, &#x017F;o &#x017F;ieht man augenblicklich die Lage der Bla&#x017F;e &#x017F;ich<lb/>
verändern, und wenn der Druck nachläßt, &#x017F;ich wieder her&#x017F;tellen,<lb/>
zum Zeichen, daß auch un&#x017F;ere &#x017F;tärk&#x017F;te Mauer, wie jene Säule<lb/>
an dem Multiplicationskrei&#x017F;e, gleich einer weichen Wachstafel,</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0240] Beſchreibung und Gebrauch der aſtronom. Inſtrumente. geachtet haben unſere Künſtler, in Verbindung mit den Aſtrono- men, für welche ſie arbeiten, Mittel gefunden, die einzelnen Se- *) *) Mit Hülfe des bekannten Fühlhebels kann man die Bie- gungen, welche durch äußere Kräfte hervorgebracht werden, an denjenigen Körpern noch deutlich leſen, die man ſonſt für ganz unbiegſam gehalten hat. Wenn man zum Beiſpiel eine Kanone an ihren beiden Enden auf Stützen legt, ſo krümmt ſich, wie der Fühlhebel zeigt, der nicht unterſtützte, mittlere Theil der Kanone durch die Wirkung der Schwere, gleich einem dünnen, biegſamen Stabe zur Erde. Wird aber die Kanone bloß in ihrer Mitte auf eine einzige Stütze gelegt, ſo ſieht man dafür die beiden Enden derſelben, gleich einem in der Mitte gehaltenen Fiſchbeine, ſich abwärts biegen. Man könnte dieß der größern Maſſe oder dem bedeutenden Gewichte der Kanone zuſchreiben. Aber dieſelbe Erſcheinung wiederholt ſich auch bei den leichteſten Körpern, mit welchen wir noch Ver- ſuche dieſer Art anſtellen können. Die horizontalen Fäden, welche man in dem Brennpunkte der aſtronomiſchen Fernröhre ausgeſpannt findet, gehören zu den feinſten, welche die Natur oder auch die Kunſt hervorbringen kann. Man pflegt ſie häufig von dem feinen Geſpinnſte zu nehmen, welches im Herbſte unſere Gärten und Wieſen überzieht, und das unter der Benennung des fliegenden Sommers bekannt iſt. Dieſe Fäden, welche von einer eigenen Gattung ſehr kleiner Spinnen geſponnen werden, ſind ſo fein, daß man ſie mit freien Augen nur mehr an ihrer Spiegelung erkennt, wenn ſie gegen die Sonne gehalten werden. Obſchon daher ihr Gewicht ohne Zweifel ganz ungemein klein iſt, ſo ſieht man doch durch die ſtarke Vergrößerung des Fern- rohrs, daß ſie, wenn ſie an ihren beiden Enden in dem Fern- rohre befeſtigt, und auf das beſte horizontal geſpannt werden, in ihrer Mitte ſich krümmen, und daher keine gerade, ſondern eine krumme, gegen den Horizont convexe Linie bilden, nicht anders, als ein dickes Seil oder eine ſchwere Kette von beträchtlicher Länge, die auch bekanntlich keine Kraft an ihren Enden ſo ſtark ſpannen kann, daß ſie eine vollkommen gerade Linie bildet. — Ein anderes Mittel, die Veränderlichkeit der Körper, die man gewöhnlich für unveränderlich hält, zu unter- ſuchen, geben unſere äußerſt empfindlichen Waſſerwagen. Legt man eine ſolche Wage auf die Fenſterbrüſtung eines Hauſes, ſelbſt im erſten Stockwerke, ſelbſt von dem ſolideſten Mauerwerke, und drückt man dann mit der Hand ſtark gegen die Wand des Fenſters, ſo ſieht man augenblicklich die Lage der Blaſe ſich verändern, und wenn der Druck nachläßt, ſich wieder herſtellen, zum Zeichen, daß auch unſere ſtärkſte Mauer, wie jene Säule an dem Multiplicationskreiſe, gleich einer weichen Wachstafel,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/240
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/240>, abgerufen am 23.04.2024.