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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Eigenschaften der Körper.
Eisen, oder ob er in einem diese beiden Körper umgebenden
Medium sey, dieß ist uns eben so unbekannt, als die Art, auf
welche diese Anziehung beider Körper bewirkt werden mag. Die
Wirkung allein ist es, die wir kennen, weil wir von ihrem
Daseyn, von ihrer Größe und von ihren Modificationen unmit-
telbar durch unsere Sinne belehrt werden. Aus diesen Wirkungen
schließen wir, daß es ein allgemeines, alle Körper der Natur um-
schlingendes, obgleich uns unsichtbares Band geben muß, welches
nicht nur diese Körper, sondern auch die kleinsten Theile eines
jeden einzelnen Körpers unter sich verbindet, und ohne welches
jeder Körper, jedes Atom des Körpers eine Welt für sich aus-
machen würde, ohne Zusammenhang und Wechselwirkung auf
andere. Dieses magische Band, dieses räthselhafte Wesen, was
da macht, daß jedes Atom der Materie, daß jeder Körper alle
anderen an sich zu ziehen sucht, nennen wir, obschon wir dasselbe
nicht weiter kennen, der Kürze wegen, die Kraft dieses Körpers,
nicht sowohl, um dadurch die Sache selbst, als vielmehr nur die
uns sichtbare Wirkung derselben zu bezeichnen. Wir bemerken
eben so wenig den unsichtbaren Faden, der den fallenden Stein
zur Erde herabzieht, als wir das Seil bemerken, an welchem sich
die Erde um die Sonne, oder der Mond um die Erde schwingt,
und wir wissen eben so wenig von dem, was ein Körper, was
Materie überhaupt ist, als wir einsehen, wie diese Körper auf
einander wirken oder sich gegenseitig in Bewegung setzen können.
Die Entdeckung dieser Dinge wollen wir nur auch fernerhin dem
Scharfsinne unserer Metaphysiker überlassen, die ohnehin, seit die
Erde steht, noch keine einzige nützliche gemacht haben, und uns
dafür begnügen, die Wirkungen dieser Ursachen näher kennen zu
lernen und durch diese Kenntnisse, verbunden mit der allein un-
trüglichen mathematischen Analyse, auf dem Wege reiner und
vorurtheilsfreier Beobachtungen so viel von den Geheimnissen der
Natur zu erforschen, als sie eben den menschlichen Kräften zu
gönnen für gut gefunden hat.

§. 10. (Molecular- und allgemeine Anziehung der Körper.)
Zuvörderst wollen wir bemerken, daß diese Kräfte, mit welchen
die Körper auf einander wirken, zweierlei wesentlich von einander
verschiedener Art zu seyn scheinen. Die einen wirken nur zwischen

Eigenſchaften der Körper.
Eiſen, oder ob er in einem dieſe beiden Körper umgebenden
Medium ſey, dieß iſt uns eben ſo unbekannt, als die Art, auf
welche dieſe Anziehung beider Körper bewirkt werden mag. Die
Wirkung allein iſt es, die wir kennen, weil wir von ihrem
Daſeyn, von ihrer Größe und von ihren Modificationen unmit-
telbar durch unſere Sinne belehrt werden. Aus dieſen Wirkungen
ſchließen wir, daß es ein allgemeines, alle Körper der Natur um-
ſchlingendes, obgleich uns unſichtbares Band geben muß, welches
nicht nur dieſe Körper, ſondern auch die kleinſten Theile eines
jeden einzelnen Körpers unter ſich verbindet, und ohne welches
jeder Körper, jedes Atom des Körpers eine Welt für ſich aus-
machen würde, ohne Zuſammenhang und Wechſelwirkung auf
andere. Dieſes magiſche Band, dieſes räthſelhafte Weſen, was
da macht, daß jedes Atom der Materie, daß jeder Körper alle
anderen an ſich zu ziehen ſucht, nennen wir, obſchon wir daſſelbe
nicht weiter kennen, der Kürze wegen, die Kraft dieſes Körpers,
nicht ſowohl, um dadurch die Sache ſelbſt, als vielmehr nur die
uns ſichtbare Wirkung derſelben zu bezeichnen. Wir bemerken
eben ſo wenig den unſichtbaren Faden, der den fallenden Stein
zur Erde herabzieht, als wir das Seil bemerken, an welchem ſich
die Erde um die Sonne, oder der Mond um die Erde ſchwingt,
und wir wiſſen eben ſo wenig von dem, was ein Körper, was
Materie überhaupt iſt, als wir einſehen, wie dieſe Körper auf
einander wirken oder ſich gegenſeitig in Bewegung ſetzen können.
Die Entdeckung dieſer Dinge wollen wir nur auch fernerhin dem
Scharfſinne unſerer Metaphyſiker überlaſſen, die ohnehin, ſeit die
Erde ſteht, noch keine einzige nützliche gemacht haben, und uns
dafür begnügen, die Wirkungen dieſer Urſachen näher kennen zu
lernen und durch dieſe Kenntniſſe, verbunden mit der allein un-
trüglichen mathematiſchen Analyſe, auf dem Wege reiner und
vorurtheilsfreier Beobachtungen ſo viel von den Geheimniſſen der
Natur zu erforſchen, als ſie eben den menſchlichen Kräften zu
gönnen für gut gefunden hat.

§. 10. (Molecular- und allgemeine Anziehung der Körper.)
Zuvörderſt wollen wir bemerken, daß dieſe Kräfte, mit welchen
die Körper auf einander wirken, zweierlei weſentlich von einander
verſchiedener Art zu ſeyn ſcheinen. Die einen wirken nur zwiſchen

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[12/0024] Eigenſchaften der Körper. Eiſen, oder ob er in einem dieſe beiden Körper umgebenden Medium ſey, dieß iſt uns eben ſo unbekannt, als die Art, auf welche dieſe Anziehung beider Körper bewirkt werden mag. Die Wirkung allein iſt es, die wir kennen, weil wir von ihrem Daſeyn, von ihrer Größe und von ihren Modificationen unmit- telbar durch unſere Sinne belehrt werden. Aus dieſen Wirkungen ſchließen wir, daß es ein allgemeines, alle Körper der Natur um- ſchlingendes, obgleich uns unſichtbares Band geben muß, welches nicht nur dieſe Körper, ſondern auch die kleinſten Theile eines jeden einzelnen Körpers unter ſich verbindet, und ohne welches jeder Körper, jedes Atom des Körpers eine Welt für ſich aus- machen würde, ohne Zuſammenhang und Wechſelwirkung auf andere. Dieſes magiſche Band, dieſes räthſelhafte Weſen, was da macht, daß jedes Atom der Materie, daß jeder Körper alle anderen an ſich zu ziehen ſucht, nennen wir, obſchon wir daſſelbe nicht weiter kennen, der Kürze wegen, die Kraft dieſes Körpers, nicht ſowohl, um dadurch die Sache ſelbſt, als vielmehr nur die uns ſichtbare Wirkung derſelben zu bezeichnen. Wir bemerken eben ſo wenig den unſichtbaren Faden, der den fallenden Stein zur Erde herabzieht, als wir das Seil bemerken, an welchem ſich die Erde um die Sonne, oder der Mond um die Erde ſchwingt, und wir wiſſen eben ſo wenig von dem, was ein Körper, was Materie überhaupt iſt, als wir einſehen, wie dieſe Körper auf einander wirken oder ſich gegenſeitig in Bewegung ſetzen können. Die Entdeckung dieſer Dinge wollen wir nur auch fernerhin dem Scharfſinne unſerer Metaphyſiker überlaſſen, die ohnehin, ſeit die Erde ſteht, noch keine einzige nützliche gemacht haben, und uns dafür begnügen, die Wirkungen dieſer Urſachen näher kennen zu lernen und durch dieſe Kenntniſſe, verbunden mit der allein un- trüglichen mathematiſchen Analyſe, auf dem Wege reiner und vorurtheilsfreier Beobachtungen ſo viel von den Geheimniſſen der Natur zu erforſchen, als ſie eben den menſchlichen Kräften zu gönnen für gut gefunden hat. §. 10. (Molecular- und allgemeine Anziehung der Körper.) Zuvörderſt wollen wir bemerken, daß dieſe Kräfte, mit welchen die Körper auf einander wirken, zweierlei weſentlich von einander verſchiedener Art zu ſeyn ſcheinen. Die einen wirken nur zwiſchen

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/24>, abgerufen am 29.03.2024.