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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
seiner Bahn einnimmt, von seinem nördlichen Rande etwas we-
niger, und von seinem südlichen etwas mehr erblicken, als wenn
er in dem tiefsten Punkte seiner Bahn stünde. Da endlich derjenige
Punkt des Mondrandes, der bei seinem Aufgange am höchsten
steht, bei seinem Untergange nahe am tiefsten erscheint, so wird
ein Beobachter auf der Oberfläche der Erde an dem äußersten
Rande des Mondes auch andere Flecken sehen, als der Antipode
desselben. Allein alle diese, übrigens sehr geringen Verände-
rungen, die man die scheinbaren Librationen des Mondes
nennt, haben ihren Grund nur in unserer Stellung gegen den-
selben, und sind daher bloß als optische Erscheinungen zu betrach-
ten, die mit den Bewegungen des Mondes selbst in keinem
unmittelbaren Zusammenhange stehen. Die erste dieser Libratio-
nen, in der Länge, kann, aus dem Mittelpunkte des Mondes
gesehen, höchstens 8 Grade, die Libration der Breite 6,8° und
endlich die dritte oder die Libration der Parallaxe einen Grad
betragen.

§. 118. (Säculäre Aenderungen der Rotation des Mondes.)
Wir werden daher annehmen müssen, daß die Rotation des Mon-
des um seine Axe der mittleren Bewegung desselben um die
Erde vollkommen gleich ist. Allein welcher mittleren? -- Denn wir
haben oben (I. S. 330) gesehen, daß diese mittlere Bewegung
des Mondes selbst wieder veränderlich ist, indem sie seit mehr als
20000 Jahren immer zugenommen hat, und nahe eben so lange
noch zunehmen, dann aber wieder allmählig langsamer werden
wird. Wenn daher die Rotation des Mondes eine für alle Zeiten
unveränderliche Größe wäre, wie dieß bei der Erde und den Pla-
neten in der That der Fall ist, so müßte sie in der Folge der Jahr-
hunderte schon längst von der Revolution dieses Satelliten verschieden
geworden seyn, und wir würden daher schon seit Jahrtausenden
einen großen Theil der von uns noch immer abgewendeten He-
misphäre desselben zu Gesichte bekommen haben. Da dieß gegen
die Erfahrung ist, so muß man annehmen, daß auch die Rota-
tion des Mondes einer ähnlichen säculären Veränderung, wie die
Revolution, unterworfen sey. Weil aber auf der andern Seite jede
freie Rotation eines Körpers ihrer Natur nach nicht anders als
gleichförmig seyn kann, so muß es eine besondere äußere Kraft

Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten.
ſeiner Bahn einnimmt, von ſeinem nördlichen Rande etwas we-
niger, und von ſeinem ſüdlichen etwas mehr erblicken, als wenn
er in dem tiefſten Punkte ſeiner Bahn ſtünde. Da endlich derjenige
Punkt des Mondrandes, der bei ſeinem Aufgange am höchſten
ſteht, bei ſeinem Untergange nahe am tiefſten erſcheint, ſo wird
ein Beobachter auf der Oberfläche der Erde an dem äußerſten
Rande des Mondes auch andere Flecken ſehen, als der Antipode
deſſelben. Allein alle dieſe, übrigens ſehr geringen Verände-
rungen, die man die ſcheinbaren Librationen des Mondes
nennt, haben ihren Grund nur in unſerer Stellung gegen den-
ſelben, und ſind daher bloß als optiſche Erſcheinungen zu betrach-
ten, die mit den Bewegungen des Mondes ſelbſt in keinem
unmittelbaren Zuſammenhange ſtehen. Die erſte dieſer Libratio-
nen, in der Länge, kann, aus dem Mittelpunkte des Mondes
geſehen, höchſtens 8 Grade, die Libration der Breite 6,8° und
endlich die dritte oder die Libration der Parallaxe einen Grad
betragen.

§. 118. (Säculäre Aenderungen der Rotation des Mondes.)
Wir werden daher annehmen müſſen, daß die Rotation des Mon-
des um ſeine Axe der mittleren Bewegung deſſelben um die
Erde vollkommen gleich iſt. Allein welcher mittleren? — Denn wir
haben oben (I. S. 330) geſehen, daß dieſe mittlere Bewegung
des Mondes ſelbſt wieder veränderlich iſt, indem ſie ſeit mehr als
20000 Jahren immer zugenommen hat, und nahe eben ſo lange
noch zunehmen, dann aber wieder allmählig langſamer werden
wird. Wenn daher die Rotation des Mondes eine für alle Zeiten
unveränderliche Größe wäre, wie dieß bei der Erde und den Pla-
neten in der That der Fall iſt, ſo müßte ſie in der Folge der Jahr-
hunderte ſchon längſt von der Revolution dieſes Satelliten verſchieden
geworden ſeyn, und wir würden daher ſchon ſeit Jahrtauſenden
einen großen Theil der von uns noch immer abgewendeten He-
miſphäre deſſelben zu Geſichte bekommen haben. Da dieß gegen
die Erfahrung iſt, ſo muß man annehmen, daß auch die Rota-
tion des Mondes einer ähnlichen ſäculären Veränderung, wie die
Revolution, unterworfen ſey. Weil aber auf der andern Seite jede
freie Rotation eines Körpers ihrer Natur nach nicht anders als
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[166/0178] Andere merkwürdige Folgen der Störungen der Planeten. ſeiner Bahn einnimmt, von ſeinem nördlichen Rande etwas we- niger, und von ſeinem ſüdlichen etwas mehr erblicken, als wenn er in dem tiefſten Punkte ſeiner Bahn ſtünde. Da endlich derjenige Punkt des Mondrandes, der bei ſeinem Aufgange am höchſten ſteht, bei ſeinem Untergange nahe am tiefſten erſcheint, ſo wird ein Beobachter auf der Oberfläche der Erde an dem äußerſten Rande des Mondes auch andere Flecken ſehen, als der Antipode deſſelben. Allein alle dieſe, übrigens ſehr geringen Verände- rungen, die man die ſcheinbaren Librationen des Mondes nennt, haben ihren Grund nur in unſerer Stellung gegen den- ſelben, und ſind daher bloß als optiſche Erſcheinungen zu betrach- ten, die mit den Bewegungen des Mondes ſelbſt in keinem unmittelbaren Zuſammenhange ſtehen. Die erſte dieſer Libratio- nen, in der Länge, kann, aus dem Mittelpunkte des Mondes geſehen, höchſtens 8 Grade, die Libration der Breite 6,8° und endlich die dritte oder die Libration der Parallaxe einen Grad betragen. §. 118. (Säculäre Aenderungen der Rotation des Mondes.) Wir werden daher annehmen müſſen, daß die Rotation des Mon- des um ſeine Axe der mittleren Bewegung deſſelben um die Erde vollkommen gleich iſt. Allein welcher mittleren? — Denn wir haben oben (I. S. 330) geſehen, daß dieſe mittlere Bewegung des Mondes ſelbſt wieder veränderlich iſt, indem ſie ſeit mehr als 20000 Jahren immer zugenommen hat, und nahe eben ſo lange noch zunehmen, dann aber wieder allmählig langſamer werden wird. Wenn daher die Rotation des Mondes eine für alle Zeiten unveränderliche Größe wäre, wie dieß bei der Erde und den Pla- neten in der That der Fall iſt, ſo müßte ſie in der Folge der Jahr- hunderte ſchon längſt von der Revolution dieſes Satelliten verſchieden geworden ſeyn, und wir würden daher ſchon ſeit Jahrtauſenden einen großen Theil der von uns noch immer abgewendeten He- miſphäre deſſelben zu Geſichte bekommen haben. Da dieß gegen die Erfahrung iſt, ſo muß man annehmen, daß auch die Rota- tion des Mondes einer ähnlichen ſäculären Veränderung, wie die Revolution, unterworfen ſey. Weil aber auf der andern Seite jede freie Rotation eines Körpers ihrer Natur nach nicht anders als gleichförmig ſeyn kann, ſo muß es eine beſondere äußere Kraft

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/178>, abgerufen am 28.03.2024.