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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmosphäre d. Erde.
Man fand auf diese Art, daß diese Perioden mit dem synodischen
Mondmonat (I. §. 98 und 162), das heißt, mit der Zeit des
Neu- und Vollmondes in auffallendem Zusammenhange stehen,
und daß sie besonders von den Stellungen des Mondes gegen die
Erde abhängen. Zwar sind diese Perioden nicht immer gleich
unter einander, aber wenn man aus mehreren auf einander fol-
genden das Mittel nimmt, so erhält man für die Dauer derselben
24 Stunden, 50 Minuten, in welchem Zeitraum immer zwei
Ebben und eben so viele Fluthen sich ereignen. Dieß ist aber
genau die Zeit, in welcher der Mond, für jeden Beobachter auf
der Erde, vermöge der mittleren Bewegung dieses Satelliten,
wieder zu seinem Meridian zurückkömmt, eine Zeit, die man den
Mondtag nennen kann, so wie man die Zeit von 24 Stunden
zwischen zwei nächsten Culminationen der Sonne einen Sonnentag
zu nennen pflegt. (I. §. 155.)

Wenn also für irgend einen Hafen heute das Hochmeer
genau in den Mittag dieses Ortes fällt, oder um 12 Uhr statt
hat, so wird es am ersten folgenden Tag um 12 Uhr 50 Minuten
Abends, am zweiten um 1 Uhr 40 Minuten, am dritten um
2 Uhr 30 Minuten eintreten, so daß es täglich um 50 Minuten
später kommt, und zwischen je zwei solchen Abendfluthen wird
immer auch eine Morgenfluth in der Mitte liegen, von welcher
die erste um 12 Uhr 25 Minuten Morgens, die am erstfolgenden
Tag um 1 Uhr 15 Minuten, am zweiten um 2 Uhr 10 Min., am
dritten um 3 Uhr 0 Min. Morgens ... eintritt u. s. w. Zwar sind
diese Intervalle, wie schon gesagt, zuweilen einige Minuten größer
oder kleiner, als sie angegeben wurden, aber eben diese Ungleich-
heiten sind nun wieder ein neuer Beweis, daß die ganze Erschei-
nung von dem Monde kommt, da auch dieser, wie wir oben
(Kap. VI.) gesehen haben, seine Geschwindigkeit sehr stark ändert,
und da man, wenn man die Unregelmäßigkeit beider aufmerksam
betrachtet, eine sehr genaue Uebereinstimmung beider findet.

§. 109. (Ursachen der Ebbe und Fluth.) Doch ist der Mond
zwar die wichtigste, aber keineswegs die einzige Ursache dieser Er-
scheinungen. Man darf sie in der That nur durch einige Mo-
nate beobachtet haben, um zu bemerken, daß die Fluthen, welche

Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde.
Man fand auf dieſe Art, daß dieſe Perioden mit dem ſynodiſchen
Mondmonat (I. §. 98 und 162), das heißt, mit der Zeit des
Neu- und Vollmondes in auffallendem Zuſammenhange ſtehen,
und daß ſie beſonders von den Stellungen des Mondes gegen die
Erde abhängen. Zwar ſind dieſe Perioden nicht immer gleich
unter einander, aber wenn man aus mehreren auf einander fol-
genden das Mittel nimmt, ſo erhält man für die Dauer derſelben
24 Stunden, 50 Minuten, in welchem Zeitraum immer zwei
Ebben und eben ſo viele Fluthen ſich ereignen. Dieß iſt aber
genau die Zeit, in welcher der Mond, für jeden Beobachter auf
der Erde, vermöge der mittleren Bewegung dieſes Satelliten,
wieder zu ſeinem Meridian zurückkömmt, eine Zeit, die man den
Mondtag nennen kann, ſo wie man die Zeit von 24 Stunden
zwiſchen zwei nächſten Culminationen der Sonne einen Sonnentag
zu nennen pflegt. (I. §. 155.)

Wenn alſo für irgend einen Hafen heute das Hochmeer
genau in den Mittag dieſes Ortes fällt, oder um 12 Uhr ſtatt
hat, ſo wird es am erſten folgenden Tag um 12 Uhr 50 Minuten
Abends, am zweiten um 1 Uhr 40 Minuten, am dritten um
2 Uhr 30 Minuten eintreten, ſo daß es täglich um 50 Minuten
ſpäter kommt, und zwiſchen je zwei ſolchen Abendfluthen wird
immer auch eine Morgenfluth in der Mitte liegen, von welcher
die erſte um 12 Uhr 25 Minuten Morgens, die am erſtfolgenden
Tag um 1 Uhr 15 Minuten, am zweiten um 2 Uhr 10 Min., am
dritten um 3 Uhr 0 Min. Morgens … eintritt u. ſ. w. Zwar ſind
dieſe Intervalle, wie ſchon geſagt, zuweilen einige Minuten größer
oder kleiner, als ſie angegeben wurden, aber eben dieſe Ungleich-
heiten ſind nun wieder ein neuer Beweis, daß die ganze Erſchei-
nung von dem Monde kommt, da auch dieſer, wie wir oben
(Kap. VI.) geſehen haben, ſeine Geſchwindigkeit ſehr ſtark ändert,
und da man, wenn man die Unregelmäßigkeit beider aufmerkſam
betrachtet, eine ſehr genaue Uebereinſtimmung beider findet.

§. 109. (Urſachen der Ebbe und Fluth.) Doch iſt der Mond
zwar die wichtigſte, aber keineswegs die einzige Urſache dieſer Er-
ſcheinungen. Man darf ſie in der That nur durch einige Mo-
nate beobachtet haben, um zu bemerken, daß die Fluthen, welche

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[156/0168] Ebbe u. Fluth d. Meeres und d. Atmoſphäre d. Erde. Man fand auf dieſe Art, daß dieſe Perioden mit dem ſynodiſchen Mondmonat (I. §. 98 und 162), das heißt, mit der Zeit des Neu- und Vollmondes in auffallendem Zuſammenhange ſtehen, und daß ſie beſonders von den Stellungen des Mondes gegen die Erde abhängen. Zwar ſind dieſe Perioden nicht immer gleich unter einander, aber wenn man aus mehreren auf einander fol- genden das Mittel nimmt, ſo erhält man für die Dauer derſelben 24 Stunden, 50 Minuten, in welchem Zeitraum immer zwei Ebben und eben ſo viele Fluthen ſich ereignen. Dieß iſt aber genau die Zeit, in welcher der Mond, für jeden Beobachter auf der Erde, vermöge der mittleren Bewegung dieſes Satelliten, wieder zu ſeinem Meridian zurückkömmt, eine Zeit, die man den Mondtag nennen kann, ſo wie man die Zeit von 24 Stunden zwiſchen zwei nächſten Culminationen der Sonne einen Sonnentag zu nennen pflegt. (I. §. 155.) Wenn alſo für irgend einen Hafen heute das Hochmeer genau in den Mittag dieſes Ortes fällt, oder um 12 Uhr ſtatt hat, ſo wird es am erſten folgenden Tag um 12 Uhr 50 Minuten Abends, am zweiten um 1 Uhr 40 Minuten, am dritten um 2 Uhr 30 Minuten eintreten, ſo daß es täglich um 50 Minuten ſpäter kommt, und zwiſchen je zwei ſolchen Abendfluthen wird immer auch eine Morgenfluth in der Mitte liegen, von welcher die erſte um 12 Uhr 25 Minuten Morgens, die am erſtfolgenden Tag um 1 Uhr 15 Minuten, am zweiten um 2 Uhr 10 Min., am dritten um 3 Uhr 0 Min. Morgens … eintritt u. ſ. w. Zwar ſind dieſe Intervalle, wie ſchon geſagt, zuweilen einige Minuten größer oder kleiner, als ſie angegeben wurden, aber eben dieſe Ungleich- heiten ſind nun wieder ein neuer Beweis, daß die ganze Erſchei- nung von dem Monde kommt, da auch dieſer, wie wir oben (Kap. VI.) geſehen haben, ſeine Geſchwindigkeit ſehr ſtark ändert, und da man, wenn man die Unregelmäßigkeit beider aufmerkſam betrachtet, eine ſehr genaue Uebereinſtimmung beider findet. §. 109. (Urſachen der Ebbe und Fluth.) Doch iſt der Mond zwar die wichtigſte, aber keineswegs die einzige Urſache dieſer Er- ſcheinungen. Man darf ſie in der That nur durch einige Mo- nate beobachtet haben, um zu bemerken, daß die Fluthen, welche

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/168>, abgerufen am 18.04.2024.