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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Periodische Störungen.
mit großen Kosten ausgerüstet hatte, um diese Durchgänge von
verschiedenen Orten der Erde zu beobachten.

Eine ähnliche Störung der Länge, so wie auch eine der Breite
des Mondes, hängt in ihrem Coefficienten von der Abplattung
der Erde an ihren beiden Polen ab. Die Beobachtungen des
Mondes haben den größten Werth der ersten dieser Gleichungen
gleich 6,8 Sekunden gegeben, woraus die Abplattung 1/305 folgt
(vergl. I. §. 22). Wäre diese Abplattung, wie Einige wollten,
nahe noch einmal so groß, so würde auch der Coefficient jener
Störung doppelt so groß, oder nahe 14 Sekunden seyn, was mit
den Mondsbeobachtungen im Widerspruche steht. Ganz auf die-
selbe Weise gab auch die erwähnte Störung der Breite diese
Abplattung der Erde gleich 1/304. Man erhält auf diese Weise
die Abplattung unserer Erde ganz unabhängig von den Unregel-
mäßigkeiten ihrer Oberfläche und ihrer Dichtigkeit an verschiedenen
Orten, was bei den Meridianvermessungen, und selbst bei den
Pendelbeobachtungen, durch welche allein wir bisher die Gestalt
der Erde bestimmen konnten, nicht der Fall ist.

Die Parallaxe des Mondes (vergl. I. Kap. V.) kann durch
bloße Theorie aus der bekannten Länge des Sekundenpendels und
aus den Gradmessungen abgeleitet werden, also kann man auch
umgekehrt aus der Länge des Pendels, und aus der bekannten
Parallaxe des Mondes den Halbmesser der Erde bestimmen.
Diese Parallaxen kann man aber durch bloße Beobachtungen des
Mondes in verschiedenen Höhen über seinem Horizonte finden,
ohne daß es nöthig ist, seinen Beobachtungsort zu verändern,
oder weit entfernte Gegenden der Erde zu diesem Zwecke auf-
zusuchen.

So ist also der Astronom in den Stand gesetzt, bloß durch
die Vergleichung der Theorie mit seinen Beobachtungen, ohne
seine Sternwarte auch nur einen Augenblick zu verlassen, nicht
nur die Größe, sondern auch die Gestalt, und sogar die Ent-
fernung
der Erde von der Sonne zu bestimmen, ohne mühsame
geodätische Messungen auszuführen, ohne kostbare Reisen in fremde
Welttheile zu unternehmen, und ohne endlich alte, Jahrtausende
von uns entfernte Beobachtungen zu Hülfe zu rufen.


Periodiſche Störungen.
mit großen Koſten ausgerüſtet hatte, um dieſe Durchgänge von
verſchiedenen Orten der Erde zu beobachten.

Eine ähnliche Störung der Länge, ſo wie auch eine der Breite
des Mondes, hängt in ihrem Coefficienten von der Abplattung
der Erde an ihren beiden Polen ab. Die Beobachtungen des
Mondes haben den größten Werth der erſten dieſer Gleichungen
gleich 6,8 Sekunden gegeben, woraus die Abplattung 1/305 folgt
(vergl. I. §. 22). Wäre dieſe Abplattung, wie Einige wollten,
nahe noch einmal ſo groß, ſo würde auch der Coefficient jener
Störung doppelt ſo groß, oder nahe 14 Sekunden ſeyn, was mit
den Mondsbeobachtungen im Widerſpruche ſteht. Ganz auf die-
ſelbe Weiſe gab auch die erwähnte Störung der Breite dieſe
Abplattung der Erde gleich 1/304. Man erhält auf dieſe Weiſe
die Abplattung unſerer Erde ganz unabhängig von den Unregel-
mäßigkeiten ihrer Oberfläche und ihrer Dichtigkeit an verſchiedenen
Orten, was bei den Meridianvermeſſungen, und ſelbſt bei den
Pendelbeobachtungen, durch welche allein wir bisher die Geſtalt
der Erde beſtimmen konnten, nicht der Fall iſt.

Die Parallaxe des Mondes (vergl. I. Kap. V.) kann durch
bloße Theorie aus der bekannten Länge des Sekundenpendels und
aus den Gradmeſſungen abgeleitet werden, alſo kann man auch
umgekehrt aus der Länge des Pendels, und aus der bekannten
Parallaxe des Mondes den Halbmeſſer der Erde beſtimmen.
Dieſe Parallaxen kann man aber durch bloße Beobachtungen des
Mondes in verſchiedenen Höhen über ſeinem Horizonte finden,
ohne daß es nöthig iſt, ſeinen Beobachtungsort zu verändern,
oder weit entfernte Gegenden der Erde zu dieſem Zwecke auf-
zuſuchen.

So iſt alſo der Aſtronom in den Stand geſetzt, bloß durch
die Vergleichung der Theorie mit ſeinen Beobachtungen, ohne
ſeine Sternwarte auch nur einen Augenblick zu verlaſſen, nicht
nur die Größe, ſondern auch die Geſtalt, und ſogar die Ent-
fernung
der Erde von der Sonne zu beſtimmen, ohne mühſame
geodätiſche Meſſungen auszuführen, ohne koſtbare Reiſen in fremde
Welttheile zu unternehmen, und ohne endlich alte, Jahrtauſende
von uns entfernte Beobachtungen zu Hülfe zu rufen.


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[123/0135] Periodiſche Störungen. mit großen Koſten ausgerüſtet hatte, um dieſe Durchgänge von verſchiedenen Orten der Erde zu beobachten. Eine ähnliche Störung der Länge, ſo wie auch eine der Breite des Mondes, hängt in ihrem Coefficienten von der Abplattung der Erde an ihren beiden Polen ab. Die Beobachtungen des Mondes haben den größten Werth der erſten dieſer Gleichungen gleich 6,8 Sekunden gegeben, woraus die Abplattung 1/305 folgt (vergl. I. §. 22). Wäre dieſe Abplattung, wie Einige wollten, nahe noch einmal ſo groß, ſo würde auch der Coefficient jener Störung doppelt ſo groß, oder nahe 14 Sekunden ſeyn, was mit den Mondsbeobachtungen im Widerſpruche ſteht. Ganz auf die- ſelbe Weiſe gab auch die erwähnte Störung der Breite dieſe Abplattung der Erde gleich 1/304. Man erhält auf dieſe Weiſe die Abplattung unſerer Erde ganz unabhängig von den Unregel- mäßigkeiten ihrer Oberfläche und ihrer Dichtigkeit an verſchiedenen Orten, was bei den Meridianvermeſſungen, und ſelbſt bei den Pendelbeobachtungen, durch welche allein wir bisher die Geſtalt der Erde beſtimmen konnten, nicht der Fall iſt. Die Parallaxe des Mondes (vergl. I. Kap. V.) kann durch bloße Theorie aus der bekannten Länge des Sekundenpendels und aus den Gradmeſſungen abgeleitet werden, alſo kann man auch umgekehrt aus der Länge des Pendels, und aus der bekannten Parallaxe des Mondes den Halbmeſſer der Erde beſtimmen. Dieſe Parallaxen kann man aber durch bloße Beobachtungen des Mondes in verſchiedenen Höhen über ſeinem Horizonte finden, ohne daß es nöthig iſt, ſeinen Beobachtungsort zu verändern, oder weit entfernte Gegenden der Erde zu dieſem Zwecke auf- zuſuchen. So iſt alſo der Aſtronom in den Stand geſetzt, bloß durch die Vergleichung der Theorie mit ſeinen Beobachtungen, ohne ſeine Sternwarte auch nur einen Augenblick zu verlaſſen, nicht nur die Größe, ſondern auch die Geſtalt, und ſogar die Ent- fernung der Erde von der Sonne zu beſtimmen, ohne mühſame geodätiſche Meſſungen auszuführen, ohne koſtbare Reiſen in fremde Welttheile zu unternehmen, und ohne endlich alte, Jahrtauſende von uns entfernte Beobachtungen zu Hülfe zu rufen.

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/135>, abgerufen am 29.03.2024.