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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Periodische Störungen.
größten positiven Werth erreicht. Man sieht daraus zugleich,
daß die Evection eine Periode von 31,8 Tagen hat, in welcher
Zeit sie alle ihre Veränderungen regelmäßig durchlauft. Die
alten Griechen vor Ptolemäus beobachteten den Mond nur zur
Zeit der Finsternisse, d. h. in den Syzygien, wo der vorherge-
hende Ausdruck gleich 1,27° Sin. B wird, wenn B, wie zuvor, die
mittlere Anomalie des Mondes bezeichnet. Allein ganz dieselbe
Form hat auch die Gleichung des Mittelpunkts (I. §. 141), und
dieß ist die Ursache, warum jene alte Astronomen die Gleichung
der Mondsbahn um 1,27° zu klein, oder warum sie die Monds-
bahn in ihrer Gestalt einem Kreise viel näher angenommen haben,
als sie in der That ist. Ptolemäus oder vielleicht schon Hipparch
(140 Jahre vor Chr. G.), dessen Arbeiten Ptolemäus benützte,
beobachtete den Mond auch zur Zeit seiner Quadraturen, wo die
Länge desselben, vermöge der Evection, größer erscheint, als sie
seyn soll, da sie doch in den Syzygien kleiner war. Weil er diese,
wenn auch nur scheinbaren Widersprüche weder vereinigen, noch
erklären konnte, so nahm er die Excentricität der Mondsbahn
veränderlich an, indem er voraussetzte, daß sie sich zur Zeit der
Neu- und Vollmonde mehr zu einem Kreise abrunde, zur Zeit
der Quadrat[u]ren aber zu einer sehr länglichen Ellipse ausdehne.
Eine Voraussetzung, die nicht gegründet ist, und die man auch
sofort verwarf, als man die wahre Ursache der Evection in der
Störung des Mondes durch die Sonne kennen gelernt hatte.

Wir werden unten sehen, daß die große Axe der Mondsbahn,
oder daß die Absidenlinie dieser Bahn eine sehr schnelle Bewegung
am Himmel hat, so daß sie ihren Ort während der Zeit eines
Jahres um mehr als 40 Grade ändert. Wenn nun diese Absiden
zu irgend einer Zeit mit den Quadraturen zusammen fallen, so
wird dadurch, wie eine einfache Rechnung zeigt, die Centralkraft
der Erde, für die ganze Bahn des Mondes, durch die Sonne
weniger verändert, als sonst der Fall ist. Geht daher der Mond
von der Erdnähe zur Erdferne, so wird er sich dabei weniger von
der Erde entfernen, als er sonst gethan haben würde, d. h. seine
Excentricität wird kleiner erscheinen. Geht er aber von der Erd-
ferne zur Erdnähe über, so wird er, da er schwächer, als es die
reine Ellipse fordert, von der Erde angezogen wird, in der Erd-

Periodiſche Störungen.
größten poſitiven Werth erreicht. Man ſieht daraus zugleich,
daß die Evection eine Periode von 31,8 Tagen hat, in welcher
Zeit ſie alle ihre Veränderungen regelmäßig durchlauft. Die
alten Griechen vor Ptolemäus beobachteten den Mond nur zur
Zeit der Finſterniſſe, d. h. in den Syzygien, wo der vorherge-
hende Ausdruck gleich 1,27° Sin. B wird, wenn B, wie zuvor, die
mittlere Anomalie des Mondes bezeichnet. Allein ganz dieſelbe
Form hat auch die Gleichung des Mittelpunkts (I. §. 141), und
dieß iſt die Urſache, warum jene alte Aſtronomen die Gleichung
der Mondsbahn um 1,27° zu klein, oder warum ſie die Monds-
bahn in ihrer Geſtalt einem Kreiſe viel näher angenommen haben,
als ſie in der That iſt. Ptolemäus oder vielleicht ſchon Hipparch
(140 Jahre vor Chr. G.), deſſen Arbeiten Ptolemäus benützte,
beobachtete den Mond auch zur Zeit ſeiner Quadraturen, wo die
Länge deſſelben, vermöge der Evection, größer erſcheint, als ſie
ſeyn ſoll, da ſie doch in den Syzygien kleiner war. Weil er dieſe,
wenn auch nur ſcheinbaren Widerſprüche weder vereinigen, noch
erklären konnte, ſo nahm er die Excentricität der Mondsbahn
veränderlich an, indem er vorausſetzte, daß ſie ſich zur Zeit der
Neu- und Vollmonde mehr zu einem Kreiſe abrunde, zur Zeit
der Quadrat[u]ren aber zu einer ſehr länglichen Ellipſe ausdehne.
Eine Vorausſetzung, die nicht gegründet iſt, und die man auch
ſofort verwarf, als man die wahre Urſache der Evection in der
Störung des Mondes durch die Sonne kennen gelernt hatte.

Wir werden unten ſehen, daß die große Axe der Mondsbahn,
oder daß die Abſidenlinie dieſer Bahn eine ſehr ſchnelle Bewegung
am Himmel hat, ſo daß ſie ihren Ort während der Zeit eines
Jahres um mehr als 40 Grade ändert. Wenn nun dieſe Abſiden
zu irgend einer Zeit mit den Quadraturen zuſammen fallen, ſo
wird dadurch, wie eine einfache Rechnung zeigt, die Centralkraft
der Erde, für die ganze Bahn des Mondes, durch die Sonne
weniger verändert, als ſonſt der Fall iſt. Geht daher der Mond
von der Erdnähe zur Erdferne, ſo wird er ſich dabei weniger von
der Erde entfernen, als er ſonſt gethan haben würde, d. h. ſeine
Excentricität wird kleiner erſcheinen. Geht er aber von der Erd-
ferne zur Erdnähe über, ſo wird er, da er ſchwächer, als es die
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[119/0131] Periodiſche Störungen. größten poſitiven Werth erreicht. Man ſieht daraus zugleich, daß die Evection eine Periode von 31,8 Tagen hat, in welcher Zeit ſie alle ihre Veränderungen regelmäßig durchlauft. Die alten Griechen vor Ptolemäus beobachteten den Mond nur zur Zeit der Finſterniſſe, d. h. in den Syzygien, wo der vorherge- hende Ausdruck gleich 1,27° Sin. B wird, wenn B, wie zuvor, die mittlere Anomalie des Mondes bezeichnet. Allein ganz dieſelbe Form hat auch die Gleichung des Mittelpunkts (I. §. 141), und dieß iſt die Urſache, warum jene alte Aſtronomen die Gleichung der Mondsbahn um 1,27° zu klein, oder warum ſie die Monds- bahn in ihrer Geſtalt einem Kreiſe viel näher angenommen haben, als ſie in der That iſt. Ptolemäus oder vielleicht ſchon Hipparch (140 Jahre vor Chr. G.), deſſen Arbeiten Ptolemäus benützte, beobachtete den Mond auch zur Zeit ſeiner Quadraturen, wo die Länge deſſelben, vermöge der Evection, größer erſcheint, als ſie ſeyn ſoll, da ſie doch in den Syzygien kleiner war. Weil er dieſe, wenn auch nur ſcheinbaren Widerſprüche weder vereinigen, noch erklären konnte, ſo nahm er die Excentricität der Mondsbahn veränderlich an, indem er vorausſetzte, daß ſie ſich zur Zeit der Neu- und Vollmonde mehr zu einem Kreiſe abrunde, zur Zeit der Quadraturen aber zu einer ſehr länglichen Ellipſe ausdehne. Eine Vorausſetzung, die nicht gegründet iſt, und die man auch ſofort verwarf, als man die wahre Urſache der Evection in der Störung des Mondes durch die Sonne kennen gelernt hatte. Wir werden unten ſehen, daß die große Axe der Mondsbahn, oder daß die Abſidenlinie dieſer Bahn eine ſehr ſchnelle Bewegung am Himmel hat, ſo daß ſie ihren Ort während der Zeit eines Jahres um mehr als 40 Grade ändert. Wenn nun dieſe Abſiden zu irgend einer Zeit mit den Quadraturen zuſammen fallen, ſo wird dadurch, wie eine einfache Rechnung zeigt, die Centralkraft der Erde, für die ganze Bahn des Mondes, durch die Sonne weniger verändert, als ſonſt der Fall iſt. Geht daher der Mond von der Erdnähe zur Erdferne, ſo wird er ſich dabei weniger von der Erde entfernen, als er ſonſt gethan haben würde, d. h. ſeine Excentricität wird kleiner erſcheinen. Geht er aber von der Erd- ferne zur Erdnähe über, ſo wird er, da er ſchwächer, als es die reine Ellipſe fordert, von der Erde angezogen wird, in der Erd-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/131>, abgerufen am 16.04.2024.