Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Elliptische Bewegung der Himmelskörper.
meisten Bahnen derselben entweder Ellipsen oder Hyperbeln seyn
werden. Selbst unter diesen beiden letzten Kegelschnitten wird
wieder die Ellipse sehr viel wahrscheinlicher seyn, als die Hyper-
bel, aus dem Grunde, weil für die Ellipse schon die geringste
Geschwindigkeit, schon die leiseste Anziehung irgend eines andern
Himmelskörpers hinreicht, während im Gegentheile für die Hy-
perbeln durchaus nur solche Geschwindigkeiten erfordert werden,
die eine bestimmte Größe übersteigen. In der That haben wir
auch bisher in der Natur noch kein Beispiel von einem Planeten
oder Kometen gefunden, dessen Bahn genau kreisförmig oder pa-
rabolisch wäre. Dasselbe gilt sehr nahe auch von den hyperbolischen
Bahnen, in welchen man bisher bloß zwei Kometen, den von
1771 und von 1824 einhergehen lassen wollte. Allein die Beobach-
tungen dieser beiden Kometen lassen immer noch einige Zweifel
über die Gestalt ihrer Bahnen übrig, und es ist nahe eben so
wahrscheinlich, daß dieselben nur sehr excentrische Ellipsen sind.

Wir werden also annehmen können, daß die im verkehrten
Verhältnisse ihrer Entfernung wirkende Kraft der Sonne, ver-
bunden mit der Kraft eines Impulses, welchen der Planet im
Augenblicke seiner Entstehung erhalten hat, diesen Planeten im
Allgemeinen in einer Ellipse um die Sonne führt, indem die letzte
einen der beiden Brennpunkte dieser Ellipse einnimmt. Da sich
nun der Planet, wenn er von seinem Aphelium ausgeht, in der
ersten Hälfte seiner Bahn der Sonne nähert, in der darauf fol-
genden zweiten Hälfte aber wieder von ihr entfernt, so hört man
von den mit dem Gegenstande weniger bekannten Lesern öfter den
Zweifel aufwerfen, wie es möglich sey, daß die Kraft der Sonne,
die doch den Planeten in allen Punkten seiner Bahn anziehen
soll, ihn auch zuweilen von sich entfernen können? -- Eine ge-
ringe Ueberlegung wird aber bald die Antwort auf diesen Ein-
wurf finden. Wenn ein Planet von seiner Sonnennähe ausgeht,
so steht die Richtung seiner Bewegung, die immer durch die Tan-
gente seiner Bahn angedeutet wird, senkrecht auf seinen Radius
oder auf die Linie, welche ihn mit der Sonne verbindet. Da er
hier der Sonne am nächsten ist, so wird er auch am stärksten von
ihr angezogen. Da aber auch seine Geschwindigkeit in der Tan-
gente hier die größte ist, und da, wie die Rechnung zeigt, dieses

Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.
meiſten Bahnen derſelben entweder Ellipſen oder Hyperbeln ſeyn
werden. Selbſt unter dieſen beiden letzten Kegelſchnitten wird
wieder die Ellipſe ſehr viel wahrſcheinlicher ſeyn, als die Hyper-
bel, aus dem Grunde, weil für die Ellipſe ſchon die geringſte
Geſchwindigkeit, ſchon die leiſeſte Anziehung irgend eines andern
Himmelskörpers hinreicht, während im Gegentheile für die Hy-
perbeln durchaus nur ſolche Geſchwindigkeiten erfordert werden,
die eine beſtimmte Größe überſteigen. In der That haben wir
auch bisher in der Natur noch kein Beiſpiel von einem Planeten
oder Kometen gefunden, deſſen Bahn genau kreisförmig oder pa-
raboliſch wäre. Daſſelbe gilt ſehr nahe auch von den hyperboliſchen
Bahnen, in welchen man bisher bloß zwei Kometen, den von
1771 und von 1824 einhergehen laſſen wollte. Allein die Beobach-
tungen dieſer beiden Kometen laſſen immer noch einige Zweifel
über die Geſtalt ihrer Bahnen übrig, und es iſt nahe eben ſo
wahrſcheinlich, daß dieſelben nur ſehr excentriſche Ellipſen ſind.

Wir werden alſo annehmen können, daß die im verkehrten
Verhältniſſe ihrer Entfernung wirkende Kraft der Sonne, ver-
bunden mit der Kraft eines Impulſes, welchen der Planet im
Augenblicke ſeiner Entſtehung erhalten hat, dieſen Planeten im
Allgemeinen in einer Ellipſe um die Sonne führt, indem die letzte
einen der beiden Brennpunkte dieſer Ellipſe einnimmt. Da ſich
nun der Planet, wenn er von ſeinem Aphelium ausgeht, in der
erſten Hälfte ſeiner Bahn der Sonne nähert, in der darauf fol-
genden zweiten Hälfte aber wieder von ihr entfernt, ſo hört man
von den mit dem Gegenſtande weniger bekannten Leſern öfter den
Zweifel aufwerfen, wie es möglich ſey, daß die Kraft der Sonne,
die doch den Planeten in allen Punkten ſeiner Bahn anziehen
ſoll, ihn auch zuweilen von ſich entfernen können? — Eine ge-
ringe Ueberlegung wird aber bald die Antwort auf dieſen Ein-
wurf finden. Wenn ein Planet von ſeiner Sonnennähe ausgeht,
ſo ſteht die Richtung ſeiner Bewegung, die immer durch die Tan-
gente ſeiner Bahn angedeutet wird, ſenkrecht auf ſeinen Radius
oder auf die Linie, welche ihn mit der Sonne verbindet. Da er
hier der Sonne am nächſten iſt, ſo wird er auch am ſtärkſten von
ihr angezogen. Da aber auch ſeine Geſchwindigkeit in der Tan-
gente hier die größte iſt, und da, wie die Rechnung zeigt, dieſes

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0113" n="101"/><fw place="top" type="header">Ellipti&#x017F;che Bewegung der Himmelskörper.</fw><lb/>
mei&#x017F;ten Bahnen der&#x017F;elben entweder Ellip&#x017F;en oder Hyperbeln &#x017F;eyn<lb/>
werden. Selb&#x017F;t unter die&#x017F;en beiden letzten Kegel&#x017F;chnitten wird<lb/>
wieder die Ellip&#x017F;e &#x017F;ehr viel wahr&#x017F;cheinlicher &#x017F;eyn, als die Hyper-<lb/>
bel, aus dem Grunde, weil für die Ellip&#x017F;e &#x017F;chon die gering&#x017F;te<lb/>
Ge&#x017F;chwindigkeit, &#x017F;chon die lei&#x017F;e&#x017F;te Anziehung irgend eines andern<lb/>
Himmelskörpers hinreicht, während im Gegentheile für die Hy-<lb/>
perbeln durchaus nur &#x017F;olche Ge&#x017F;chwindigkeiten erfordert werden,<lb/>
die eine be&#x017F;timmte Größe über&#x017F;teigen. In der That haben wir<lb/>
auch bisher in der Natur noch kein Bei&#x017F;piel von einem Planeten<lb/>
oder Kometen gefunden, de&#x017F;&#x017F;en Bahn genau kreisförmig oder pa-<lb/>
raboli&#x017F;ch wäre. Da&#x017F;&#x017F;elbe gilt &#x017F;ehr nahe auch von den hyperboli&#x017F;chen<lb/>
Bahnen, in welchen man bisher bloß zwei Kometen, den von<lb/>
1771 und von 1824 einhergehen la&#x017F;&#x017F;en wollte. Allein die Beobach-<lb/>
tungen die&#x017F;er beiden Kometen la&#x017F;&#x017F;en immer noch einige Zweifel<lb/>
über die Ge&#x017F;talt ihrer Bahnen übrig, und es i&#x017F;t nahe eben &#x017F;o<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich, daß die&#x017F;elben nur &#x017F;ehr excentri&#x017F;che Ellip&#x017F;en &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Wir werden al&#x017F;o annehmen können, daß die im verkehrten<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e ihrer Entfernung wirkende Kraft der Sonne, ver-<lb/>
bunden mit der Kraft eines Impul&#x017F;es, welchen der Planet im<lb/>
Augenblicke &#x017F;einer Ent&#x017F;tehung erhalten hat, die&#x017F;en Planeten im<lb/>
Allgemeinen in einer Ellip&#x017F;e um die Sonne führt, indem die letzte<lb/>
einen der beiden Brennpunkte die&#x017F;er Ellip&#x017F;e einnimmt. Da &#x017F;ich<lb/>
nun der Planet, wenn er von &#x017F;einem Aphelium ausgeht, in der<lb/>
er&#x017F;ten Hälfte &#x017F;einer Bahn der Sonne nähert, in der darauf fol-<lb/>
genden zweiten Hälfte aber wieder von ihr entfernt, &#x017F;o hört man<lb/>
von den mit dem Gegen&#x017F;tande weniger bekannten Le&#x017F;ern öfter den<lb/>
Zweifel aufwerfen, wie es möglich &#x017F;ey, daß die Kraft der Sonne,<lb/>
die doch den Planeten in allen Punkten &#x017F;einer Bahn <hi rendition="#g">anziehen</hi><lb/>
&#x017F;oll, ihn auch zuweilen von &#x017F;ich <hi rendition="#g">entfernen</hi> können? &#x2014; Eine ge-<lb/>
ringe Ueberlegung wird aber bald die Antwort auf die&#x017F;en Ein-<lb/>
wurf finden. Wenn ein Planet von &#x017F;einer Sonnennähe ausgeht,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;teht die Richtung &#x017F;einer Bewegung, die immer durch die Tan-<lb/>
gente &#x017F;einer Bahn angedeutet wird, &#x017F;enkrecht auf &#x017F;einen Radius<lb/>
oder auf die Linie, welche ihn mit der Sonne verbindet. Da er<lb/>
hier der Sonne am näch&#x017F;ten i&#x017F;t, &#x017F;o wird er auch am &#x017F;tärk&#x017F;ten von<lb/>
ihr angezogen. Da aber auch &#x017F;eine Ge&#x017F;chwindigkeit in der Tan-<lb/>
gente hier die größte i&#x017F;t, und da, wie die Rechnung zeigt, die&#x017F;es<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[101/0113] Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper. meiſten Bahnen derſelben entweder Ellipſen oder Hyperbeln ſeyn werden. Selbſt unter dieſen beiden letzten Kegelſchnitten wird wieder die Ellipſe ſehr viel wahrſcheinlicher ſeyn, als die Hyper- bel, aus dem Grunde, weil für die Ellipſe ſchon die geringſte Geſchwindigkeit, ſchon die leiſeſte Anziehung irgend eines andern Himmelskörpers hinreicht, während im Gegentheile für die Hy- perbeln durchaus nur ſolche Geſchwindigkeiten erfordert werden, die eine beſtimmte Größe überſteigen. In der That haben wir auch bisher in der Natur noch kein Beiſpiel von einem Planeten oder Kometen gefunden, deſſen Bahn genau kreisförmig oder pa- raboliſch wäre. Daſſelbe gilt ſehr nahe auch von den hyperboliſchen Bahnen, in welchen man bisher bloß zwei Kometen, den von 1771 und von 1824 einhergehen laſſen wollte. Allein die Beobach- tungen dieſer beiden Kometen laſſen immer noch einige Zweifel über die Geſtalt ihrer Bahnen übrig, und es iſt nahe eben ſo wahrſcheinlich, daß dieſelben nur ſehr excentriſche Ellipſen ſind. Wir werden alſo annehmen können, daß die im verkehrten Verhältniſſe ihrer Entfernung wirkende Kraft der Sonne, ver- bunden mit der Kraft eines Impulſes, welchen der Planet im Augenblicke ſeiner Entſtehung erhalten hat, dieſen Planeten im Allgemeinen in einer Ellipſe um die Sonne führt, indem die letzte einen der beiden Brennpunkte dieſer Ellipſe einnimmt. Da ſich nun der Planet, wenn er von ſeinem Aphelium ausgeht, in der erſten Hälfte ſeiner Bahn der Sonne nähert, in der darauf fol- genden zweiten Hälfte aber wieder von ihr entfernt, ſo hört man von den mit dem Gegenſtande weniger bekannten Leſern öfter den Zweifel aufwerfen, wie es möglich ſey, daß die Kraft der Sonne, die doch den Planeten in allen Punkten ſeiner Bahn anziehen ſoll, ihn auch zuweilen von ſich entfernen können? — Eine ge- ringe Ueberlegung wird aber bald die Antwort auf dieſen Ein- wurf finden. Wenn ein Planet von ſeiner Sonnennähe ausgeht, ſo ſteht die Richtung ſeiner Bewegung, die immer durch die Tan- gente ſeiner Bahn angedeutet wird, ſenkrecht auf ſeinen Radius oder auf die Linie, welche ihn mit der Sonne verbindet. Da er hier der Sonne am nächſten iſt, ſo wird er auch am ſtärkſten von ihr angezogen. Da aber auch ſeine Geſchwindigkeit in der Tan- gente hier die größte iſt, und da, wie die Rechnung zeigt, dieſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/113
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/113>, abgerufen am 19.04.2024.