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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
ser Beobachtungen an sich kann also weiter kein Zweifel seyn.
Allein es handelt sich hier nicht sowohl um diese Beobachtungen
selbst, als vielmehr um das Resultat, welches man daraus ablei-
ten will, nämlich um die wahre Größe der Sonnenparallaxe.
Wenn man nun z. B. zeigen könnte, daß ein Fehler der Beob-
achtung von einer Zeitsecunde die gesuchte Parallaxe erst um
eine Raumsecunde, also um 15 mal weniger fehlerhaft machen
würde, so würden wir diese Methode mit Recht als eine sehr
gute und in der Ausübung mit Verläßlichkeit anwendbare an-
seben, da, wie wir gesehen haben, ein Fehler von einer Zeitsecun-
de in der Beobachtung jener vier Berührungen nicht wohl statt ha-
ben kann. Allein die Verhältnisse sind in der That noch viel
günstiger, als sie in diesem Beispiele dargestellt wurden.

Halley hat in den zwei bereits erwähnten Memoiren (Phil.
Tranasct.
1691 und 1716) durch Berechnung gezeigt, daß wenn
bei ganz schicklich gewählten Beobachtungsorten auf der Erde die
Ein- und Austritte der Venus auf eine Zeitsecunde genau be-
stimmt werden, daraus die Parallaxe oder die Distanz der Sonne
bis auf ihren 1/500 sten Theil genau bestimmt werden könne. Wenn
nun auch diese Behauptung vielleicht etwas übertrieben erscheinen
mag, und wenn, wie die Erfahrung bei den zwei letzten Durch-
gängen gelehrt hat, die Fehler der Beobachtungen eine Secunde
oft genug übersteigen, so bleibt es demungeachtet nicht minder
wahr, daß diese Beobachtungsart eine der sichersten in der gan-
zen praktischen Astronomie ist, und daß diese Methode der Bestim-
mung der Sonnenparallaxe einen Grad von Verläßlichkeit besitzt,
deren sich nur wenige und vielleicht keine andere erfreut.

Es wird nicht unangemessen seyn, hier Einiges aus dem er-
wähnten Aufsatze Halley's anzuführen, dem wir die Kenntniß
dieser Methode verdanken und der zugleich in einer gemeinfaßli-
chen Sprache geschrieben und sehr lehrreich abgefaßt ist. "Es giebt
viele Dinge in der Welt, sagt er, die auf den ersten Blick sehr
paradox, ja ganz unglaublich erscheinen und die doch nicht minder
wahr und oft sogar mit Hülfe der Mathematik sehr leicht zu be-
weisen sind. Was sollte es wohl Schwereres geben, als die Be-

Venus.
ſer Beobachtungen an ſich kann alſo weiter kein Zweifel ſeyn.
Allein es handelt ſich hier nicht ſowohl um dieſe Beobachtungen
ſelbſt, als vielmehr um das Reſultat, welches man daraus ablei-
ten will, nämlich um die wahre Größe der Sonnenparallaxe.
Wenn man nun z. B. zeigen könnte, daß ein Fehler der Beob-
achtung von einer Zeitſecunde die geſuchte Parallaxe erſt um
eine Raumſecunde, alſo um 15 mal weniger fehlerhaft machen
würde, ſo würden wir dieſe Methode mit Recht als eine ſehr
gute und in der Ausübung mit Verläßlichkeit anwendbare an-
ſeben, da, wie wir geſehen haben, ein Fehler von einer Zeitſecun-
de in der Beobachtung jener vier Berührungen nicht wohl ſtatt ha-
ben kann. Allein die Verhältniſſe ſind in der That noch viel
günſtiger, als ſie in dieſem Beiſpiele dargeſtellt wurden.

Halley hat in den zwei bereits erwähnten Memoiren (Phil.
Tranasct.
1691 und 1716) durch Berechnung gezeigt, daß wenn
bei ganz ſchicklich gewählten Beobachtungsorten auf der Erde die
Ein- und Austritte der Venus auf eine Zeitſecunde genau be-
ſtimmt werden, daraus die Parallaxe oder die Diſtanz der Sonne
bis auf ihren 1/500 ſten Theil genau beſtimmt werden könne. Wenn
nun auch dieſe Behauptung vielleicht etwas übertrieben erſcheinen
mag, und wenn, wie die Erfahrung bei den zwei letzten Durch-
gängen gelehrt hat, die Fehler der Beobachtungen eine Secunde
oft genug überſteigen, ſo bleibt es demungeachtet nicht minder
wahr, daß dieſe Beobachtungsart eine der ſicherſten in der gan-
zen praktiſchen Aſtronomie iſt, und daß dieſe Methode der Beſtim-
mung der Sonnenparallaxe einen Grad von Verläßlichkeit beſitzt,
deren ſich nur wenige und vielleicht keine andere erfreut.

Es wird nicht unangemeſſen ſeyn, hier Einiges aus dem er-
wähnten Aufſatze Halley’s anzuführen, dem wir die Kenntniß
dieſer Methode verdanken und der zugleich in einer gemeinfaßli-
chen Sprache geſchrieben und ſehr lehrreich abgefaßt iſt. „Es giebt
viele Dinge in der Welt, ſagt er, die auf den erſten Blick ſehr
paradox, ja ganz unglaublich erſcheinen und die doch nicht minder
wahr und oft ſogar mit Hülfe der Mathematik ſehr leicht zu be-
weiſen ſind. Was ſollte es wohl Schwereres geben, als die Be-

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[89/0099] Venus. ſer Beobachtungen an ſich kann alſo weiter kein Zweifel ſeyn. Allein es handelt ſich hier nicht ſowohl um dieſe Beobachtungen ſelbſt, als vielmehr um das Reſultat, welches man daraus ablei- ten will, nämlich um die wahre Größe der Sonnenparallaxe. Wenn man nun z. B. zeigen könnte, daß ein Fehler der Beob- achtung von einer Zeitſecunde die geſuchte Parallaxe erſt um eine Raumſecunde, alſo um 15 mal weniger fehlerhaft machen würde, ſo würden wir dieſe Methode mit Recht als eine ſehr gute und in der Ausübung mit Verläßlichkeit anwendbare an- ſeben, da, wie wir geſehen haben, ein Fehler von einer Zeitſecun- de in der Beobachtung jener vier Berührungen nicht wohl ſtatt ha- ben kann. Allein die Verhältniſſe ſind in der That noch viel günſtiger, als ſie in dieſem Beiſpiele dargeſtellt wurden. Halley hat in den zwei bereits erwähnten Memoiren (Phil. Tranasct. 1691 und 1716) durch Berechnung gezeigt, daß wenn bei ganz ſchicklich gewählten Beobachtungsorten auf der Erde die Ein- und Austritte der Venus auf eine Zeitſecunde genau be- ſtimmt werden, daraus die Parallaxe oder die Diſtanz der Sonne bis auf ihren 1/500 ſten Theil genau beſtimmt werden könne. Wenn nun auch dieſe Behauptung vielleicht etwas übertrieben erſcheinen mag, und wenn, wie die Erfahrung bei den zwei letzten Durch- gängen gelehrt hat, die Fehler der Beobachtungen eine Secunde oft genug überſteigen, ſo bleibt es demungeachtet nicht minder wahr, daß dieſe Beobachtungsart eine der ſicherſten in der gan- zen praktiſchen Aſtronomie iſt, und daß dieſe Methode der Beſtim- mung der Sonnenparallaxe einen Grad von Verläßlichkeit beſitzt, deren ſich nur wenige und vielleicht keine andere erfreut. Es wird nicht unangemeſſen ſeyn, hier Einiges aus dem er- wähnten Aufſatze Halley’s anzuführen, dem wir die Kenntniß dieſer Methode verdanken und der zugleich in einer gemeinfaßli- chen Sprache geſchrieben und ſehr lehrreich abgefaßt iſt. „Es giebt viele Dinge in der Welt, ſagt er, die auf den erſten Blick ſehr paradox, ja ganz unglaublich erſcheinen und die doch nicht minder wahr und oft ſogar mit Hülfe der Mathematik ſehr leicht zu be- weiſen ſind. Was ſollte es wohl Schwereres geben, als die Be-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/99>, abgerufen am 23.04.2024.