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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
mit ihm zu gehen, wie es mit den dreißig Satelliten der Sonne
gegangen ist, die das Dictionnaire de Trevoux ankündigte, und
die bald darauf für bloße Sonnenflecken erkannt worden sind,

Tobias u. dgl. gesetzt. Allein bald darauf kam der bekannte
Jesuit Riccioli, der sich sehr viel mit dem Monde und überhaupt
mit der ganzen Astronomie beschäftigte, ohne dadurch diese Wis-
senschaft eben viel weiter zu bringen; dieser fand wieder jene
Heiligennamen unpassend, und führte dafür die Namen berühm-
ter Astronomen und anderer Gelehrten ein, unter welchen er sich,
wahrscheinlich aus bloßer Bescheidenheit, die oberste Stelle
vorbehielt. Auf diese Weise mußte der h. Athanasius dem
alten Plato; die h. Margareth dem Ptolemäus, der h. Anton
der Einsiedler dem jüngeren Plinius, und die h. Genovefa dem
ketzerischen Galilei ihren Platz abtreten, und nur die h. Katha-
rina blieb, aus besonderer Anhänglichkeit Riccioli's an eine
Frau dieses Namens, ungekränkt an ihrer Stelle. Indeß, das
Unternehmen Ricciolis war vom Glücke begünstigt, und wir
sehen noch in unsern Tagen auf dem Monde, oder wenigstens
auf unsern Karten von dem Monde, zwar noch viele Seen und
Meere aus den guten Zeiten des alten Hevel, aber wir sehen
auch hier diesen Hevel selbst mit Grimaldi, dort den König
Alphons von Castilien mit Ptolemäus, und an einem dritten
Orte sogar den alten Aristipp aus Cyrene mit Herrn Cassini
aus Paris, friedlich und Arm in Arm miteinander spatzieren
gehen, ja selbst Riccioli glänzt noch in seiner früheren Glorie
ganz auf dem obersten Punkte des Mondrandes. -- Uebrigens
verstanden sich selbst die alten Römer schon auf diese, wie es
scheint, sehr leichten Künste, und sie wußten sich dieselben sogar
noch etwas bequemer zu machen. Nachdem sie ihren Impera-
toren, sie mochten es verdienen oder nicht, Tempel und Altäre,
Statuen und Triumphbogen ohne Zahl gewidmet, und diese
Apotheosen den Reiz der Neuheit verloren hatten, mußte das
erste Volk der Erde seiner Kriecherei auf eine andere Weise
aufzuhelfen suchen. Allein die römischen Senatoren waren keine
Weltumsegler, um die von ihnen entdeckten Länder mit den
Namen ihrer Beherrscher zu beehren; sie waren auch keine
Astronomen, um für sie neue Sternbilder an dem Himmel auf-
zusuchen, und eben so wenig konnten sie die Länder und Meere
des Mondes an sie verschenken, da sie dieselben noch gar nicht
kannten. Sie wählten sich daher die Plünderung oder vielmehr
die Verstümmlung ihres ohnehin sehr schlechten Kalenders, zu
welchem Geschäfte sie weder vorzüglicher Instrumente, noch
besonderer Kenntnisse, an denen es ihnen fehlte, sondern nur
ein gutes Maaß von kriechender Schmeichelei bedurften, an der
sie Ueberfluß hatten. So erhielt, durch einen förmlichen Senats-

Venus.
mit ihm zu gehen, wie es mit den dreißig Satelliten der Sonne
gegangen iſt, die das Dictionnaire de Trévoux ankündigte, und
die bald darauf für bloße Sonnenflecken erkannt worden ſind,

Tobias u. dgl. geſetzt. Allein bald darauf kam der bekannte
Jeſuit Riccioli, der ſich ſehr viel mit dem Monde und überhaupt
mit der ganzen Aſtronomie beſchäftigte, ohne dadurch dieſe Wiſ-
ſenſchaft eben viel weiter zu bringen; dieſer fand wieder jene
Heiligennamen unpaſſend, und führte dafür die Namen berühm-
ter Aſtronomen und anderer Gelehrten ein, unter welchen er ſich,
wahrſcheinlich aus bloßer Beſcheidenheit, die oberſte Stelle
vorbehielt. Auf dieſe Weiſe mußte der h. Athanaſius dem
alten Plato; die h. Margareth dem Ptolemäus, der h. Anton
der Einſiedler dem jüngeren Plinius, und die h. Genovefa dem
ketzeriſchen Galilei ihren Platz abtreten, und nur die h. Katha-
rina blieb, aus beſonderer Anhänglichkeit Riccioli’s an eine
Frau dieſes Namens, ungekränkt an ihrer Stelle. Indeß, das
Unternehmen Ricciolis war vom Glücke begünſtigt, und wir
ſehen noch in unſern Tagen auf dem Monde, oder wenigſtens
auf unſern Karten von dem Monde, zwar noch viele Seen und
Meere aus den guten Zeiten des alten Hevel, aber wir ſehen
auch hier dieſen Hevel ſelbſt mit Grimaldi, dort den König
Alphons von Caſtilien mit Ptolemäus, und an einem dritten
Orte ſogar den alten Ariſtipp aus Cyrene mit Herrn Caſſini
aus Paris, friedlich und Arm in Arm miteinander ſpatzieren
gehen, ja ſelbſt Riccioli glänzt noch in ſeiner früheren Glorie
ganz auf dem oberſten Punkte des Mondrandes. — Uebrigens
verſtanden ſich ſelbſt die alten Römer ſchon auf dieſe, wie es
ſcheint, ſehr leichten Künſte, und ſie wußten ſich dieſelben ſogar
noch etwas bequemer zu machen. Nachdem ſie ihren Impera-
toren, ſie mochten es verdienen oder nicht, Tempel und Altäre,
Statuen und Triumphbogen ohne Zahl gewidmet, und dieſe
Apotheoſen den Reiz der Neuheit verloren hatten, mußte das
erſte Volk der Erde ſeiner Kriecherei auf eine andere Weiſe
aufzuhelfen ſuchen. Allein die römiſchen Senatoren waren keine
Weltumſegler, um die von ihnen entdeckten Länder mit den
Namen ihrer Beherrſcher zu beehren; ſie waren auch keine
Aſtronomen, um für ſie neue Sternbilder an dem Himmel auf-
zuſuchen, und eben ſo wenig konnten ſie die Länder und Meere
des Mondes an ſie verſchenken, da ſie dieſelben noch gar nicht
kannten. Sie wählten ſich daher die Plünderung oder vielmehr
die Verſtümmlung ihres ohnehin ſehr ſchlechten Kalenders, zu
welchem Geſchäfte ſie weder vorzüglicher Inſtrumente, noch
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ein gutes Maaß von kriechender Schmeichelei bedurften, an der
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[77/0087] Venus. mit ihm zu gehen, wie es mit den dreißig Satelliten der Sonne gegangen iſt, die das Dictionnaire de Trévoux ankündigte, und die bald darauf für bloße Sonnenflecken erkannt worden ſind, *) *) Tobias u. dgl. geſetzt. Allein bald darauf kam der bekannte Jeſuit Riccioli, der ſich ſehr viel mit dem Monde und überhaupt mit der ganzen Aſtronomie beſchäftigte, ohne dadurch dieſe Wiſ- ſenſchaft eben viel weiter zu bringen; dieſer fand wieder jene Heiligennamen unpaſſend, und führte dafür die Namen berühm- ter Aſtronomen und anderer Gelehrten ein, unter welchen er ſich, wahrſcheinlich aus bloßer Beſcheidenheit, die oberſte Stelle vorbehielt. Auf dieſe Weiſe mußte der h. Athanaſius dem alten Plato; die h. Margareth dem Ptolemäus, der h. Anton der Einſiedler dem jüngeren Plinius, und die h. Genovefa dem ketzeriſchen Galilei ihren Platz abtreten, und nur die h. Katha- rina blieb, aus beſonderer Anhänglichkeit Riccioli’s an eine Frau dieſes Namens, ungekränkt an ihrer Stelle. Indeß, das Unternehmen Ricciolis war vom Glücke begünſtigt, und wir ſehen noch in unſern Tagen auf dem Monde, oder wenigſtens auf unſern Karten von dem Monde, zwar noch viele Seen und Meere aus den guten Zeiten des alten Hevel, aber wir ſehen auch hier dieſen Hevel ſelbſt mit Grimaldi, dort den König Alphons von Caſtilien mit Ptolemäus, und an einem dritten Orte ſogar den alten Ariſtipp aus Cyrene mit Herrn Caſſini aus Paris, friedlich und Arm in Arm miteinander ſpatzieren gehen, ja ſelbſt Riccioli glänzt noch in ſeiner früheren Glorie ganz auf dem oberſten Punkte des Mondrandes. — Uebrigens verſtanden ſich ſelbſt die alten Römer ſchon auf dieſe, wie es ſcheint, ſehr leichten Künſte, und ſie wußten ſich dieſelben ſogar noch etwas bequemer zu machen. Nachdem ſie ihren Impera- toren, ſie mochten es verdienen oder nicht, Tempel und Altäre, Statuen und Triumphbogen ohne Zahl gewidmet, und dieſe Apotheoſen den Reiz der Neuheit verloren hatten, mußte das erſte Volk der Erde ſeiner Kriecherei auf eine andere Weiſe aufzuhelfen ſuchen. Allein die römiſchen Senatoren waren keine Weltumſegler, um die von ihnen entdeckten Länder mit den Namen ihrer Beherrſcher zu beehren; ſie waren auch keine Aſtronomen, um für ſie neue Sternbilder an dem Himmel auf- zuſuchen, und eben ſo wenig konnten ſie die Länder und Meere des Mondes an ſie verſchenken, da ſie dieſelben noch gar nicht kannten. Sie wählten ſich daher die Plünderung oder vielmehr die Verſtümmlung ihres ohnehin ſehr ſchlechten Kalenders, zu welchem Geſchäfte ſie weder vorzüglicher Inſtrumente, noch beſonderer Kenntniſſe, an denen es ihnen fehlte, ſondern nur ein gutes Maaß von kriechender Schmeichelei bedurften, an der ſie Ueberfluß hatten. So erhielt, durch einen förmlichen Senats-

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/87>, abgerufen am 19.04.2024.