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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
phischen Fragmenten, Helmstädt 1746 und in Bodes Berl. Jahr-
büchern 1793, 1796 und 1803.

§. 59. (Tages- und Jahreszeiten auf der Venus.) Der Tag
der Venus ist also in Beziehung auf seine Länge von dem unse-
rer Erde nur unbedeutend verschieden, so daß also auch die Ta-
geszeiten
auf beiden Planeten nahe dieselben seyn werden. Al-
lein ganz anders müssen sich die Jahrszeiten verhalten, wenn
es anders gegründet ist, daß die Axe, um welche Venus täg-
lich um sich selbst rotirt, gegen die Axe ihrer jährlichen Bahn um
die Sonne nahe um 72 Grade geneigt ist, daß also das, was
man ihre Schiefe der Ecliptik nennen könnte, mehr als dreimal
größer ist, als bei der Erde, wo sie (I. §. 48.) nur 23° 28' be-
trägt. Man wird sich aus dem VII. Capitel des ersten Buches
erinnern, daß die Jahreszeiten durch diese Schiefe der Ecliptik
bestimmt werden und wir haben bereits dort (I. §. 91.) die Fol-
gen aus einander gesetzt, welche eine viel größere Schiefe der Ec-
liptik auf die Temperatur und auf den Wechsel der Jahreszeiten
der Erde haben würde. Dieß läßt sich nun unmittelbar auf die
Venus anwenden. Wenn der Aequator dieses Planeten gegen die
Bahn desselben in der That um volle 72 Grade geneigt ist, (was
aber noch einer genaueren Bestätigung bedarf, da Schröter sich
nie bestimmt darüber ausgesprochen hat), so würde die heiße Zo-
ne, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Scheitel sehen kön-
nen, sich in einer Breite von 144 Graden um diesen Planeten
erstrecken, während die Breite dieses Gürtels auf der Erde nur
47 Grade beträgt. Nennt man aber kalte Zone diejenigen Theile
eines Planeten, für welchen die Sonne mehrere Tage im Jahre
nicht auf- oder nicht untergeht, so würde man von dieser heißen
Zone die beiden äußeren Theile, deren jeder eine Breite von 54
Graden hätte, auch zugleich zur kalten Zone rechnen müssen.
Man würde also in jeder Hemisphäre eine heiße Zone haben,
die von dem Aequator bis zu dem 18ten Grade der nördlichen
oder südlichen Breite geht, und in welcher die Sonne durch das
ganze Jahr täglich auf- und untergeht. Die kalte Zone aber
würde um jeden der beiden Pole herum liegen und sich von ihnen
ebenfalls 18 Grade gegen den Aequator hin erstrecken, und in

Venus.
phiſchen Fragmenten, Helmſtädt 1746 und in Bodes Berl. Jahr-
büchern 1793, 1796 und 1803.

§. 59. (Tages- und Jahreszeiten auf der Venus.) Der Tag
der Venus iſt alſo in Beziehung auf ſeine Länge von dem unſe-
rer Erde nur unbedeutend verſchieden, ſo daß alſo auch die Ta-
geszeiten
auf beiden Planeten nahe dieſelben ſeyn werden. Al-
lein ganz anders müſſen ſich die Jahrszeiten verhalten, wenn
es anders gegründet iſt, daß die Axe, um welche Venus täg-
lich um ſich ſelbſt rotirt, gegen die Axe ihrer jährlichen Bahn um
die Sonne nahe um 72 Grade geneigt iſt, daß alſo das, was
man ihre Schiefe der Ecliptik nennen könnte, mehr als dreimal
größer iſt, als bei der Erde, wo ſie (I. §. 48.) nur 23° 28′ be-
trägt. Man wird ſich aus dem VII. Capitel des erſten Buches
erinnern, daß die Jahreszeiten durch dieſe Schiefe der Ecliptik
beſtimmt werden und wir haben bereits dort (I. §. 91.) die Fol-
gen aus einander geſetzt, welche eine viel größere Schiefe der Ec-
liptik auf die Temperatur und auf den Wechſel der Jahreszeiten
der Erde haben würde. Dieß läßt ſich nun unmittelbar auf die
Venus anwenden. Wenn der Aequator dieſes Planeten gegen die
Bahn deſſelben in der That um volle 72 Grade geneigt iſt, (was
aber noch einer genaueren Beſtätigung bedarf, da Schröter ſich
nie beſtimmt darüber ausgeſprochen hat), ſo würde die heiße Zo-
ne, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Scheitel ſehen kön-
nen, ſich in einer Breite von 144 Graden um dieſen Planeten
erſtrecken, während die Breite dieſes Gürtels auf der Erde nur
47 Grade beträgt. Nennt man aber kalte Zone diejenigen Theile
eines Planeten, für welchen die Sonne mehrere Tage im Jahre
nicht auf- oder nicht untergeht, ſo würde man von dieſer heißen
Zone die beiden äußeren Theile, deren jeder eine Breite von 54
Graden hätte, auch zugleich zur kalten Zone rechnen müſſen.
Man würde alſo in jeder Hemiſphäre eine heiße Zone haben,
die von dem Aequator bis zu dem 18ten Grade der nördlichen
oder ſüdlichen Breite geht, und in welcher die Sonne durch das
ganze Jahr täglich auf- und untergeht. Die kalte Zone aber
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[73/0083] Venus. phiſchen Fragmenten, Helmſtädt 1746 und in Bodes Berl. Jahr- büchern 1793, 1796 und 1803. §. 59. (Tages- und Jahreszeiten auf der Venus.) Der Tag der Venus iſt alſo in Beziehung auf ſeine Länge von dem unſe- rer Erde nur unbedeutend verſchieden, ſo daß alſo auch die Ta- geszeiten auf beiden Planeten nahe dieſelben ſeyn werden. Al- lein ganz anders müſſen ſich die Jahrszeiten verhalten, wenn es anders gegründet iſt, daß die Axe, um welche Venus täg- lich um ſich ſelbſt rotirt, gegen die Axe ihrer jährlichen Bahn um die Sonne nahe um 72 Grade geneigt iſt, daß alſo das, was man ihre Schiefe der Ecliptik nennen könnte, mehr als dreimal größer iſt, als bei der Erde, wo ſie (I. §. 48.) nur 23° 28′ be- trägt. Man wird ſich aus dem VII. Capitel des erſten Buches erinnern, daß die Jahreszeiten durch dieſe Schiefe der Ecliptik beſtimmt werden und wir haben bereits dort (I. §. 91.) die Fol- gen aus einander geſetzt, welche eine viel größere Schiefe der Ec- liptik auf die Temperatur und auf den Wechſel der Jahreszeiten der Erde haben würde. Dieß läßt ſich nun unmittelbar auf die Venus anwenden. Wenn der Aequator dieſes Planeten gegen die Bahn deſſelben in der That um volle 72 Grade geneigt iſt, (was aber noch einer genaueren Beſtätigung bedarf, da Schröter ſich nie beſtimmt darüber ausgeſprochen hat), ſo würde die heiße Zo- ne, deren Bewohner die Sonne noch in ihrem Scheitel ſehen kön- nen, ſich in einer Breite von 144 Graden um dieſen Planeten erſtrecken, während die Breite dieſes Gürtels auf der Erde nur 47 Grade beträgt. Nennt man aber kalte Zone diejenigen Theile eines Planeten, für welchen die Sonne mehrere Tage im Jahre nicht auf- oder nicht untergeht, ſo würde man von dieſer heißen Zone die beiden äußeren Theile, deren jeder eine Breite von 54 Graden hätte, auch zugleich zur kalten Zone rechnen müſſen. Man würde alſo in jeder Hemiſphäre eine heiße Zone haben, die von dem Aequator bis zu dem 18ten Grade der nördlichen oder ſüdlichen Breite geht, und in welcher die Sonne durch das ganze Jahr täglich auf- und untergeht. Die kalte Zone aber würde um jeden der beiden Pole herum liegen und ſich von ihnen ebenfalls 18 Grade gegen den Aequator hin erſtrecken, und in

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/83>, abgerufen am 29.03.2024.