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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
sie um Mittag mit freyen Augen gesehen werden, und daß sie in der
Abwesenheit der Sonne Schatten werfen kann. In diesem Falle fällt
der hellglänzende Stern selbst dem gemeinen Manne auf, besonders
wenn diese Zeit in die Abendstunden des Sommers fällt, und von eines
günstigen Witterung unterstützt wird. Nach Lambert's Berechnung
ist dann das Licht der Venus nur 3000 mal schwächer, als das
des Vollmonds, und nahe gleich dem Schein einer Kerze in der
Entfernung von 230 Fuß. Als Venus am 21. Julius d. J. 1716
in dieser Lage war, betrachtete der Pöbel von London diese Er-
scheinung als ein Wunder und als ein drohendes Vorzeichen
nahen Unglücks, und i. J. 1750 wurde der nicht minder unwissende
Pöbel von Paris durch dieses Phänomen so aufgeregt, daß es
nöthig wurde, die Hilfe der Polizei aufzurufen, um dem Tumulte
Einhalt zu thun. Und doch ereignet sich dieselbe Sache wenigstens
alle acht Jahre einmal in derselben Jahreszeit und unter denselben
Verhältnissen.

Die dunkle Seite der Venus ist, besonders zu der Zeit wo
der beleuchtete Theil nur wie ein feiner Lichtfaden erscheint, von
einem eigenen Lichtschimmer beleuchtet, wie der Mond in den
ersten Tagen nach dem Neumonde (I. §. 165). Die Ursache dieser
Erscheinung ist uns noch unbekannt, und ist vielleicht in einem
eigenen phosphorescirenden Lichte zu suchen, das der Oberfläche
dieses und wohl auch noch mehrerer anderer Planeten eigenthüm-
lich ist.

§. 56. (Flecken und Atmosphäre der Venus.) Cassini und
Bianchini wollen auf der Venus Flecken, denen unserer Sonne
ähnlich, gefunden haben; allein Schröter konnte, seiner sorgfältigen
und lang fortgesetzten Beobachtungen ungeachtet, keine dunklen
Flecken, sondern nur zuweilen sehr schwache und bald vorüber-
gehende Spuren von grauen, unsern Wolken ähnlichen Stellen
sehen. Aber daß dieser Planet mit einer Atmosphäre, die der
unsern an Dichtigkeit und Höhe nahe gleich ist, umgeben sey, hat
Schröter durch dieselben Beobachtungen außer Zweifel gesetzt.
Wenn nämlich unsere Erde keine Atmosphäre hätte, so würden
wir auch keine Morgen- oder Abenddämmerung haben, und die

Venus.
ſie um Mittag mit freyen Augen geſehen werden, und daß ſie in der
Abweſenheit der Sonne Schatten werfen kann. In dieſem Falle fällt
der hellglänzende Stern ſelbſt dem gemeinen Manne auf, beſonders
wenn dieſe Zeit in die Abendſtunden des Sommers fällt, und von eines
günſtigen Witterung unterſtützt wird. Nach Lambert’s Berechnung
iſt dann das Licht der Venus nur 3000 mal ſchwächer, als das
des Vollmonds, und nahe gleich dem Schein einer Kerze in der
Entfernung von 230 Fuß. Als Venus am 21. Julius d. J. 1716
in dieſer Lage war, betrachtete der Pöbel von London dieſe Er-
ſcheinung als ein Wunder und als ein drohendes Vorzeichen
nahen Unglücks, und i. J. 1750 wurde der nicht minder unwiſſende
Pöbel von Paris durch dieſes Phänomen ſo aufgeregt, daß es
nöthig wurde, die Hilfe der Polizei aufzurufen, um dem Tumulte
Einhalt zu thun. Und doch ereignet ſich dieſelbe Sache wenigſtens
alle acht Jahre einmal in derſelben Jahreszeit und unter denſelben
Verhältniſſen.

Die dunkle Seite der Venus iſt, beſonders zu der Zeit wo
der beleuchtete Theil nur wie ein feiner Lichtfaden erſcheint, von
einem eigenen Lichtſchimmer beleuchtet, wie der Mond in den
erſten Tagen nach dem Neumonde (I. §. 165). Die Urſache dieſer
Erſcheinung iſt uns noch unbekannt, und iſt vielleicht in einem
eigenen phosphorescirenden Lichte zu ſuchen, das der Oberfläche
dieſes und wohl auch noch mehrerer anderer Planeten eigenthüm-
lich iſt.

§. 56. (Flecken und Atmoſphäre der Venus.) Caſſini und
Bianchini wollen auf der Venus Flecken, denen unſerer Sonne
ähnlich, gefunden haben; allein Schröter konnte, ſeiner ſorgfältigen
und lang fortgeſetzten Beobachtungen ungeachtet, keine dunklen
Flecken, ſondern nur zuweilen ſehr ſchwache und bald vorüber-
gehende Spuren von grauen, unſern Wolken ähnlichen Stellen
ſehen. Aber daß dieſer Planet mit einer Atmoſphäre, die der
unſern an Dichtigkeit und Höhe nahe gleich iſt, umgeben ſey, hat
Schröter durch dieſelben Beobachtungen außer Zweifel geſetzt.
Wenn nämlich unſere Erde keine Atmoſphäre hätte, ſo würden
wir auch keine Morgen- oder Abenddämmerung haben, und die

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[69/0079] Venus. ſie um Mittag mit freyen Augen geſehen werden, und daß ſie in der Abweſenheit der Sonne Schatten werfen kann. In dieſem Falle fällt der hellglänzende Stern ſelbſt dem gemeinen Manne auf, beſonders wenn dieſe Zeit in die Abendſtunden des Sommers fällt, und von eines günſtigen Witterung unterſtützt wird. Nach Lambert’s Berechnung iſt dann das Licht der Venus nur 3000 mal ſchwächer, als das des Vollmonds, und nahe gleich dem Schein einer Kerze in der Entfernung von 230 Fuß. Als Venus am 21. Julius d. J. 1716 in dieſer Lage war, betrachtete der Pöbel von London dieſe Er- ſcheinung als ein Wunder und als ein drohendes Vorzeichen nahen Unglücks, und i. J. 1750 wurde der nicht minder unwiſſende Pöbel von Paris durch dieſes Phänomen ſo aufgeregt, daß es nöthig wurde, die Hilfe der Polizei aufzurufen, um dem Tumulte Einhalt zu thun. Und doch ereignet ſich dieſelbe Sache wenigſtens alle acht Jahre einmal in derſelben Jahreszeit und unter denſelben Verhältniſſen. Die dunkle Seite der Venus iſt, beſonders zu der Zeit wo der beleuchtete Theil nur wie ein feiner Lichtfaden erſcheint, von einem eigenen Lichtſchimmer beleuchtet, wie der Mond in den erſten Tagen nach dem Neumonde (I. §. 165). Die Urſache dieſer Erſcheinung iſt uns noch unbekannt, und iſt vielleicht in einem eigenen phosphorescirenden Lichte zu ſuchen, das der Oberfläche dieſes und wohl auch noch mehrerer anderer Planeten eigenthüm- lich iſt. §. 56. (Flecken und Atmoſphäre der Venus.) Caſſini und Bianchini wollen auf der Venus Flecken, denen unſerer Sonne ähnlich, gefunden haben; allein Schröter konnte, ſeiner ſorgfältigen und lang fortgeſetzten Beobachtungen ungeachtet, keine dunklen Flecken, ſondern nur zuweilen ſehr ſchwache und bald vorüber- gehende Spuren von grauen, unſern Wolken ähnlichen Stellen ſehen. Aber daß dieſer Planet mit einer Atmoſphäre, die der unſern an Dichtigkeit und Höhe nahe gleich iſt, umgeben ſey, hat Schröter durch dieſelben Beobachtungen außer Zweifel geſetzt. Wenn nämlich unſere Erde keine Atmoſphäre hätte, ſo würden wir auch keine Morgen- oder Abenddämmerung haben, und die

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/79>, abgerufen am 28.03.2024.