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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
wirft. Aus derselben Ursache ist er durch lichtstarke Fernröhre
nur schwer gut zu sehen, weil sein belles Licht das Auge blendet
und jede kleine Unvollkommenheit des Fernrohrs vergrößert, viel-
leicht auch, weil er mit einer sehr dichten Atmosphäre umgeben
ist, die seinen Rand sowohl als auch die Grenzen seiner Phasen
undeutlich macht.

Durch die Helligkeit seines Lichtes fiel er schon den Alten auf.
Er ist der einzige unter den Planeten, der in den ältesten der auf
uns gekommenen Gedichte erwähnt wird. Homer nennt ihn
(Iliad. XXII. 318) den Schönsten, kallisost:
"Hell wie der Stern vorstrahlt in dämmernder Stunde des Melkens,
"Hesperus, der der Schönste erscheint von den Sternen des Himmels."

Diese Benennung "Hesperus oder Vesperugo (Abendstern)"
erhielt er, weil man ihn wahrscheinlich zuerst als einen Wandel-
stern zu der Zeit erkannte, wann er in den Abendstunden am
westlichen Himmel sichtbar wurde. Einen ähnlichen hellen Stern
bemerkte man bald auch in den Morgenstunden an der Ostseite
des Himmels, daher man diesen Phosphorus, Lichtbringer oder
Morgenstern nannte. Es war vielleicht keine kleine Aufmerksamkeit
nöthig, zu erkennen, daß beide Sterne nur einer und derselbe sind.
Man sagt, daß Pythagoras die Identität dieser beiden Gestirne
zuerst erkannt habe. Uebrigens haben wir schon bemerkt, daß
Merkur dieselben Ansprüche auf eine solche Doppelbenennung hat,
da beide Planeten als Abendsterne erscheinen, wenn sie in (2)
(Fig. 4) auf der Ostseite der Sonne, und als Morgensterne,
wenn sie in (4) auf der Westseite der Sonne stehen. Doch zog
Venus, durch ihren hellern Glanz, die Aufmerksamkeit der Men-
schen besonders auf sich, und die Dichter der Griechen und Römer
sind voll von dem Lobe ihrer Schönheit.


Qualis ubi oceani perfusus lucifer unda,
Quem Venus ante alios astrorum diligit ignes,
Extulit os sacrum coelo tenebrasque resolvit.

Aen. VIII. 589.

Die neueren Dichter scheinen mit dem gestirnten Himmel we-
niger bekannt zu seyn, da sie beinahe nur von Wein und Liebe

Venus.
wirft. Aus derſelben Urſache iſt er durch lichtſtarke Fernröhre
nur ſchwer gut zu ſehen, weil ſein belles Licht das Auge blendet
und jede kleine Unvollkommenheit des Fernrohrs vergrößert, viel-
leicht auch, weil er mit einer ſehr dichten Atmoſphäre umgeben
iſt, die ſeinen Rand ſowohl als auch die Grenzen ſeiner Phaſen
undeutlich macht.

Durch die Helligkeit ſeines Lichtes fiel er ſchon den Alten auf.
Er iſt der einzige unter den Planeten, der in den älteſten der auf
uns gekommenen Gedichte erwähnt wird. Homer nennt ihn
(Iliad. XXII. 318) den Schönſten, καλλιςοϛ:
„Hell wie der Stern vorſtrahlt in dämmernder Stunde des Melkens,
„Hesperus, der der Schönſte erſcheint von den Sternen des Himmels.“

Dieſe Benennung „Hesperus oder Vesperugo (Abendſtern)“
erhielt er, weil man ihn wahrſcheinlich zuerſt als einen Wandel-
ſtern zu der Zeit erkannte, wann er in den Abendſtunden am
weſtlichen Himmel ſichtbar wurde. Einen ähnlichen hellen Stern
bemerkte man bald auch in den Morgenſtunden an der Oſtſeite
des Himmels, daher man dieſen Phosphorus, Lichtbringer oder
Morgenſtern nannte. Es war vielleicht keine kleine Aufmerkſamkeit
nöthig, zu erkennen, daß beide Sterne nur einer und derſelbe ſind.
Man ſagt, daß Pythagoras die Identität dieſer beiden Geſtirne
zuerſt erkannt habe. Uebrigens haben wir ſchon bemerkt, daß
Merkur dieſelben Anſprüche auf eine ſolche Doppelbenennung hat,
da beide Planeten als Abendſterne erſcheinen, wenn ſie in (2)
(Fig. 4) auf der Oſtſeite der Sonne, und als Morgenſterne,
wenn ſie in (4) auf der Weſtſeite der Sonne ſtehen. Doch zog
Venus, durch ihren hellern Glanz, die Aufmerkſamkeit der Men-
ſchen beſonders auf ſich, und die Dichter der Griechen und Römer
ſind voll von dem Lobe ihrer Schönheit.


Qualis ubi oceani perfusus lucifer undâ,
Quem Venus ante alios astrorum diligit ignes,
Extulit os sacrum coelo tenebrasque resolvit.

Aen. VIII. 589.

Die neueren Dichter ſcheinen mit dem geſtirnten Himmel we-
niger bekannt zu ſeyn, da ſie beinahe nur von Wein und Liebe

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[63/0073] Venus. wirft. Aus derſelben Urſache iſt er durch lichtſtarke Fernröhre nur ſchwer gut zu ſehen, weil ſein belles Licht das Auge blendet und jede kleine Unvollkommenheit des Fernrohrs vergrößert, viel- leicht auch, weil er mit einer ſehr dichten Atmoſphäre umgeben iſt, die ſeinen Rand ſowohl als auch die Grenzen ſeiner Phaſen undeutlich macht. Durch die Helligkeit ſeines Lichtes fiel er ſchon den Alten auf. Er iſt der einzige unter den Planeten, der in den älteſten der auf uns gekommenen Gedichte erwähnt wird. Homer nennt ihn (Iliad. XXII. 318) den Schönſten, καλλιςοϛ: „Hell wie der Stern vorſtrahlt in dämmernder Stunde des Melkens, „Hesperus, der der Schönſte erſcheint von den Sternen des Himmels.“ Dieſe Benennung „Hesperus oder Vesperugo (Abendſtern)“ erhielt er, weil man ihn wahrſcheinlich zuerſt als einen Wandel- ſtern zu der Zeit erkannte, wann er in den Abendſtunden am weſtlichen Himmel ſichtbar wurde. Einen ähnlichen hellen Stern bemerkte man bald auch in den Morgenſtunden an der Oſtſeite des Himmels, daher man dieſen Phosphorus, Lichtbringer oder Morgenſtern nannte. Es war vielleicht keine kleine Aufmerkſamkeit nöthig, zu erkennen, daß beide Sterne nur einer und derſelbe ſind. Man ſagt, daß Pythagoras die Identität dieſer beiden Geſtirne zuerſt erkannt habe. Uebrigens haben wir ſchon bemerkt, daß Merkur dieſelben Anſprüche auf eine ſolche Doppelbenennung hat, da beide Planeten als Abendſterne erſcheinen, wenn ſie in (2) (Fig. 4) auf der Oſtſeite der Sonne, und als Morgenſterne, wenn ſie in (4) auf der Weſtſeite der Sonne ſtehen. Doch zog Venus, durch ihren hellern Glanz, die Aufmerkſamkeit der Men- ſchen beſonders auf ſich, und die Dichter der Griechen und Römer ſind voll von dem Lobe ihrer Schönheit. Qualis ubi oceani perfusus lucifer undâ, Quem Venus ante alios astrorum diligit ignes, Extulit os sacrum coelo tenebrasque resolvit. Aen. VIII. 589. Die neueren Dichter ſcheinen mit dem geſtirnten Himmel we- niger bekannt zu ſeyn, da ſie beinahe nur von Wein und Liebe

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/73>, abgerufen am 28.03.2024.