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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Merkur.
weil vielleicht das Licht der Sonne sie uns zu sehen hindert. So-
nach wäre es also auch unmöglich gewesen, über die Rotation
dieses Planeten um seine Axe irgend etwas festzusetzen, allein die
eben erwähnte Beobachtung der nur unbestimmt begrenzten Phasen,
die Schröter sehr lange fortsetzte, gab ihm Gelegenheit, in ihnen
selbst ein Mittel zu finden, die Rotation des Planeten zu erkennen.
Er fand nämlich, daß die eine Spitze des sogenannten Horns des
beleuchteten Theils seiner Gestalt, sich nach einer regelmäßigen Periode
ändere, was wahrscheinlich von großen Gebirgen in der Nähe des
einen Poles verursacht wird, und indem er diese Periode genau
zu bestimmen suchte, fand er, daß sich Merkur in der That um
seine Axe drehe, und zwar sehr nahe in derselben Zeit, in welcher
auch die Erde sich um sich selbst bewegt, so daß also die Tage
Merkurs mit den unsern nahe von gleicher Dauer sind.

§. 48. (Jahreszeiten auf Merkur.) Wenn aber auch die
Tageszeiten auf diesen beiden Planeten nur wenig verschieden sind,
so sind es dafür die Jahreszeiten desto mehr. Zwar nicht an
ihrer Intensität oder in ihrem gegenseitigen Verhältnisse, denn
diese hängt, wie wir oben (I. Cap. VII.) gesehen haben, von der
Neigung der Bahn des Planeten gegen seinen Aequator oder von
der sogenannten Schiefe der Ecliptik ab (I. §. 85.) und diese ist
bei Merkur, wo sie 20 Gr. beträgt, nur wenig von dem bei uns
verschieden, wo sie gleich 23 Gr. 28 Min. ist. Allein die Schnel-
ligkeit des Wechsels dieser Jahreszeiten ist dort viel größer, als
hier, dort, wo jede der vier Jahreszeiten nur drei Wochen, oder
näher 22 Tage dauert, während sie bei uns 91 Tage, also mehr
als viermal so lange währt. Dieser schnelle Wechsel der Tem-
peratur wird vielleicht auf der Oberfläche Merkurs eine Art von
immerwährendem Frühlingswetter hervorbringen, wenn nicht die
Zeit der Anwesenheit der Sonne bei Tag wegen ihrer großen Nähe
eine zu starke Hitze erzeugt, die von der darauf folgenden Nacht
nicht wieder abgekühlt werden kann. Wenn man bedenkt, welche
wichtige Rolle das Licht schon auf unserer Erde spielt, so darf
man auch voraussetzen, daß die Sonne auf dem von ihr vorzüglich
begünstigten Planeten nicht nur mit stärkeren Farben malt, sondern
auch mit größerer Kraft in sein Inneres dringt, und daß schon

Merkur.
weil vielleicht das Licht der Sonne ſie uns zu ſehen hindert. So-
nach wäre es alſo auch unmöglich geweſen, über die Rotation
dieſes Planeten um ſeine Axe irgend etwas feſtzuſetzen, allein die
eben erwähnte Beobachtung der nur unbeſtimmt begrenzten Phaſen,
die Schröter ſehr lange fortſetzte, gab ihm Gelegenheit, in ihnen
ſelbſt ein Mittel zu finden, die Rotation des Planeten zu erkennen.
Er fand nämlich, daß die eine Spitze des ſogenannten Horns des
beleuchteten Theils ſeiner Geſtalt, ſich nach einer regelmäßigen Periode
ändere, was wahrſcheinlich von großen Gebirgen in der Nähe des
einen Poles verurſacht wird, und indem er dieſe Periode genau
zu beſtimmen ſuchte, fand er, daß ſich Merkur in der That um
ſeine Axe drehe, und zwar ſehr nahe in derſelben Zeit, in welcher
auch die Erde ſich um ſich ſelbſt bewegt, ſo daß alſo die Tage
Merkurs mit den unſern nahe von gleicher Dauer ſind.

§. 48. (Jahreszeiten auf Merkur.) Wenn aber auch die
Tageszeiten auf dieſen beiden Planeten nur wenig verſchieden ſind,
ſo ſind es dafür die Jahreszeiten deſto mehr. Zwar nicht an
ihrer Intenſität oder in ihrem gegenſeitigen Verhältniſſe, denn
dieſe hängt, wie wir oben (I. Cap. VII.) geſehen haben, von der
Neigung der Bahn des Planeten gegen ſeinen Aequator oder von
der ſogenannten Schiefe der Ecliptik ab (I. §. 85.) und dieſe iſt
bei Merkur, wo ſie 20 Gr. beträgt, nur wenig von dem bei uns
verſchieden, wo ſie gleich 23 Gr. 28 Min. iſt. Allein die Schnel-
ligkeit des Wechſels dieſer Jahreszeiten iſt dort viel größer, als
hier, dort, wo jede der vier Jahreszeiten nur drei Wochen, oder
näher 22 Tage dauert, während ſie bei uns 91 Tage, alſo mehr
als viermal ſo lange währt. Dieſer ſchnelle Wechſel der Tem-
peratur wird vielleicht auf der Oberfläche Merkurs eine Art von
immerwährendem Frühlingswetter hervorbringen, wenn nicht die
Zeit der Anweſenheit der Sonne bei Tag wegen ihrer großen Nähe
eine zu ſtarke Hitze erzeugt, die von der darauf folgenden Nacht
nicht wieder abgekühlt werden kann. Wenn man bedenkt, welche
wichtige Rolle das Licht ſchon auf unſerer Erde ſpielt, ſo darf
man auch vorausſetzen, daß die Sonne auf dem von ihr vorzüglich
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[59/0069] Merkur. weil vielleicht das Licht der Sonne ſie uns zu ſehen hindert. So- nach wäre es alſo auch unmöglich geweſen, über die Rotation dieſes Planeten um ſeine Axe irgend etwas feſtzuſetzen, allein die eben erwähnte Beobachtung der nur unbeſtimmt begrenzten Phaſen, die Schröter ſehr lange fortſetzte, gab ihm Gelegenheit, in ihnen ſelbſt ein Mittel zu finden, die Rotation des Planeten zu erkennen. Er fand nämlich, daß die eine Spitze des ſogenannten Horns des beleuchteten Theils ſeiner Geſtalt, ſich nach einer regelmäßigen Periode ändere, was wahrſcheinlich von großen Gebirgen in der Nähe des einen Poles verurſacht wird, und indem er dieſe Periode genau zu beſtimmen ſuchte, fand er, daß ſich Merkur in der That um ſeine Axe drehe, und zwar ſehr nahe in derſelben Zeit, in welcher auch die Erde ſich um ſich ſelbſt bewegt, ſo daß alſo die Tage Merkurs mit den unſern nahe von gleicher Dauer ſind. §. 48. (Jahreszeiten auf Merkur.) Wenn aber auch die Tageszeiten auf dieſen beiden Planeten nur wenig verſchieden ſind, ſo ſind es dafür die Jahreszeiten deſto mehr. Zwar nicht an ihrer Intenſität oder in ihrem gegenſeitigen Verhältniſſe, denn dieſe hängt, wie wir oben (I. Cap. VII.) geſehen haben, von der Neigung der Bahn des Planeten gegen ſeinen Aequator oder von der ſogenannten Schiefe der Ecliptik ab (I. §. 85.) und dieſe iſt bei Merkur, wo ſie 20 Gr. beträgt, nur wenig von dem bei uns verſchieden, wo ſie gleich 23 Gr. 28 Min. iſt. Allein die Schnel- ligkeit des Wechſels dieſer Jahreszeiten iſt dort viel größer, als hier, dort, wo jede der vier Jahreszeiten nur drei Wochen, oder näher 22 Tage dauert, während ſie bei uns 91 Tage, alſo mehr als viermal ſo lange währt. Dieſer ſchnelle Wechſel der Tem- peratur wird vielleicht auf der Oberfläche Merkurs eine Art von immerwährendem Frühlingswetter hervorbringen, wenn nicht die Zeit der Anweſenheit der Sonne bei Tag wegen ihrer großen Nähe eine zu ſtarke Hitze erzeugt, die von der darauf folgenden Nacht nicht wieder abgekühlt werden kann. Wenn man bedenkt, welche wichtige Rolle das Licht ſchon auf unſerer Erde ſpielt, ſo darf man auch vorausſetzen, daß die Sonne auf dem von ihr vorzüglich begünſtigten Planeten nicht nur mit ſtärkeren Farben malt, ſondern auch mit größerer Kraft in ſein Inneres dringt, und daß ſchon

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/69>, abgerufen am 18.04.2024.