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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Merkur.
umständlich angegeben und gesagt, daß er sich von derselben im
Mittel nur um 23 Grade östlich oder westlich entfernt. Allein
wenn er zu dieser Zeit zugleich in seinem Aphelium ist, so kann
diese Entfernung von der Sonne, wegen der großen Excentricität
seiner Bahn, bis auf 29 Grade steigen. Man nennt dieß seine
größte Elongation und zu dieser Zeit, sollte man glauben, müßte
man ihn am leichtesten und besten sehen, weil er da von dem viel
stärkern Lichte der Sonne am meisten entfernt ist, und auch bei
Auf- oder Untergang der Sonne noch am höchsten über dem
Horizonte steht. Allein zur Zeit der größten Elongation ist er
auch noch zu sehr von der Erde entfernt und wendet uns einen zu
kleinen Theil seiner von der Sonne beleuchteten Hemisphäre zu,
um hier in seinem größten Lichte zu glänzen. Diese Verhältnisse
sind im Gegentheile am günstigsten, wenn er etwas näher bei
seiner untern Conjunction mit der Sonne und nahe 15 oder 18
Grade von derselben entfernt ist.

§. 45. (Phasen Merkurs.) Es ist bereits gesagt worden, daß
dieser Planet uns ähnliche Lichtabwechslungen, wie der Mond,
zeigt, was offenbar von seiner Stellung gegen Sonne und Erde
kömmt. Die bloße Ansicht der Fig. 4 wird hinreichen, diese
Phasen Merkurs mit allen ihren Eigenheiten zu erklären. In
seiner obern Conjunction (i) ist er am weitesten von der
Erde T entfernt, erscheint uns also auch am kleinsten. Da aber
hier die von der Sonne S beleuchtete Hemisphäre ganz der Erde
zugewendet ist, so hat er die Gestalt einer ganzen kreisrunden,
lichten Scheibe, wie der Mond zur Zeit seines Vollichtes. In
seinem ersten Viertel (2) zeigt er uns nur mehr die eine Hälfte
seiner beleuchteten Hemisphäre auf seiner Westseite. Wenn er in
seiner Bahn noch weiter fortrückt, und nach (3) in seine untere
Conjunction kömmt, so steht er der Erde am nächsten, und
müßte ihr daher am größten erscheinen. Allein da er hier seine
beleuchtete Seite ganz von der Erde wegwendet, so sehen wir ihn
gar nicht. Bisher war Merkur Abendstern, oder man sah ihn nur
nach Sonnenuntergang im Westen an der östlichen Seite der
Sonne; allein so wie er über (3) hinaustritt, wird er Morgen-
stern und erscheint vor Aufgang der Sonne im Osten auf der

Merkur.
umſtändlich angegeben und geſagt, daß er ſich von derſelben im
Mittel nur um 23 Grade öſtlich oder weſtlich entfernt. Allein
wenn er zu dieſer Zeit zugleich in ſeinem Aphelium iſt, ſo kann
dieſe Entfernung von der Sonne, wegen der großen Excentricität
ſeiner Bahn, bis auf 29 Grade ſteigen. Man nennt dieß ſeine
größte Elongation und zu dieſer Zeit, ſollte man glauben, müßte
man ihn am leichteſten und beſten ſehen, weil er da von dem viel
ſtärkern Lichte der Sonne am meiſten entfernt iſt, und auch bei
Auf- oder Untergang der Sonne noch am höchſten über dem
Horizonte ſteht. Allein zur Zeit der größten Elongation iſt er
auch noch zu ſehr von der Erde entfernt und wendet uns einen zu
kleinen Theil ſeiner von der Sonne beleuchteten Hemiſphäre zu,
um hier in ſeinem größten Lichte zu glänzen. Dieſe Verhältniſſe
ſind im Gegentheile am günſtigſten, wenn er etwas näher bei
ſeiner untern Conjunction mit der Sonne und nahe 15 oder 18
Grade von derſelben entfernt iſt.

§. 45. (Phaſen Merkurs.) Es iſt bereits geſagt worden, daß
dieſer Planet uns ähnliche Lichtabwechslungen, wie der Mond,
zeigt, was offenbar von ſeiner Stellung gegen Sonne und Erde
kömmt. Die bloße Anſicht der Fig. 4 wird hinreichen, dieſe
Phaſen Merkurs mit allen ihren Eigenheiten zu erklären. In
ſeiner obern Conjunction (i) iſt er am weiteſten von der
Erde T entfernt, erſcheint uns alſo auch am kleinſten. Da aber
hier die von der Sonne S beleuchtete Hemiſphäre ganz der Erde
zugewendet iſt, ſo hat er die Geſtalt einer ganzen kreisrunden,
lichten Scheibe, wie der Mond zur Zeit ſeines Vollichtes. In
ſeinem erſten Viertel (2) zeigt er uns nur mehr die eine Hälfte
ſeiner beleuchteten Hemiſphäre auf ſeiner Weſtſeite. Wenn er in
ſeiner Bahn noch weiter fortrückt, und nach (3) in ſeine untere
Conjunction kömmt, ſo ſteht er der Erde am nächſten, und
müßte ihr daher am größten erſcheinen. Allein da er hier ſeine
beleuchtete Seite ganz von der Erde wegwendet, ſo ſehen wir ihn
gar nicht. Bisher war Merkur Abendſtern, oder man ſah ihn nur
nach Sonnenuntergang im Weſten an der öſtlichen Seite der
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[56/0066] Merkur. umſtändlich angegeben und geſagt, daß er ſich von derſelben im Mittel nur um 23 Grade öſtlich oder weſtlich entfernt. Allein wenn er zu dieſer Zeit zugleich in ſeinem Aphelium iſt, ſo kann dieſe Entfernung von der Sonne, wegen der großen Excentricität ſeiner Bahn, bis auf 29 Grade ſteigen. Man nennt dieß ſeine größte Elongation und zu dieſer Zeit, ſollte man glauben, müßte man ihn am leichteſten und beſten ſehen, weil er da von dem viel ſtärkern Lichte der Sonne am meiſten entfernt iſt, und auch bei Auf- oder Untergang der Sonne noch am höchſten über dem Horizonte ſteht. Allein zur Zeit der größten Elongation iſt er auch noch zu ſehr von der Erde entfernt und wendet uns einen zu kleinen Theil ſeiner von der Sonne beleuchteten Hemiſphäre zu, um hier in ſeinem größten Lichte zu glänzen. Dieſe Verhältniſſe ſind im Gegentheile am günſtigſten, wenn er etwas näher bei ſeiner untern Conjunction mit der Sonne und nahe 15 oder 18 Grade von derſelben entfernt iſt. §. 45. (Phaſen Merkurs.) Es iſt bereits geſagt worden, daß dieſer Planet uns ähnliche Lichtabwechslungen, wie der Mond, zeigt, was offenbar von ſeiner Stellung gegen Sonne und Erde kömmt. Die bloße Anſicht der Fig. 4 wird hinreichen, dieſe Phaſen Merkurs mit allen ihren Eigenheiten zu erklären. In ſeiner obern Conjunction (i) iſt er am weiteſten von der Erde T entfernt, erſcheint uns alſo auch am kleinſten. Da aber hier die von der Sonne S beleuchtete Hemiſphäre ganz der Erde zugewendet iſt, ſo hat er die Geſtalt einer ganzen kreisrunden, lichten Scheibe, wie der Mond zur Zeit ſeines Vollichtes. In ſeinem erſten Viertel (2) zeigt er uns nur mehr die eine Hälfte ſeiner beleuchteten Hemiſphäre auf ſeiner Weſtſeite. Wenn er in ſeiner Bahn noch weiter fortrückt, und nach (3) in ſeine untere Conjunction kömmt, ſo ſteht er der Erde am nächſten, und müßte ihr daher am größten erſcheinen. Allein da er hier ſeine beleuchtete Seite ganz von der Erde wegwendet, ſo ſehen wir ihn gar nicht. Bisher war Merkur Abendſtern, oder man ſah ihn nur nach Sonnenuntergang im Weſten an der öſtlichen Seite der Sonne; allein ſo wie er über (3) hinaustritt, wird er Morgen- ſtern und erſcheint vor Aufgang der Sonne im Oſten auf der

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/66>, abgerufen am 25.04.2024.