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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Die Sonne.
eines Mittels bedienen, die Umdrehung der Sonne um ihre Achse,
und zugleich die Lage dieser Achse im Weltraume, zu bestimmen.
Auch hat man diesen Versuch sehr bald nach der Entdeckung der
Sonnenflecken gemacht, und die Sonne war auch unter allen
Himmelskörpern der erste, dessen Rotation man auf diese Weise
erkannt und bestimmt hat.

Man bemerkte bald, daß die Wege, welche diese Flecken auf
der Sonnenscheibe beschreiben, in verschiedenen Jahreszeiten auch
eine verschiedene Gestalt und Krümmung haben. Am Ende des
ersten Drittheils des Junius und des Decembers, erscheinen sie
als gerade Linien; in allen andern Jahreszeiten sind sie krumme
Linien, und zwar wenden sie ihre erhabene oder convexe Seite ein
halbes Jahr gegen Nord oder aufwärts, und die folgenden sechs
Monate gegen Süd oder abwärts. Ihre stärkste Krümmung nach
oben haben sie im August, und nach unten im Februar. Endlich
bemerkte man noch, daß die Zeit zwischen zwei nächsten Durch-
gängen der Flecken durch denselben östlichen oder westlichen Rand
der Sonne nahe 27 Tage betrage. Diese Beobachtungen reichen
schon hin, uns mit den Umständen der Rotation der Sonne um
ihre Axe wenigstens im Allgemeinen bekannt zu machen.

Wenn die Sonne sich um eine Axe dreht, so müssen alle
Punkte ihrer Oberfläche, also auch die Sonnenflecken, Kreise be-
schreiben, deren Ebenen auf dieser Axe senkrecht stehen, und deren
Mittelpunkte alle in dieser Axe liegen müssen. Von diesen Kreisen
wird derjenige, der durch den Mittelpunkt der Sonnenkugel geht,
oder der gleichweit von den beiden Polen der Axe entfernt ist,
der größte seyn, und wir werden ihn daher, analog mit der Erde,
den Sonnenäquator nennen können. Dieser größte Kreis der
Sonne, und somit auch alle andern, mit ihm parallelen Kreise
der Sonnenflecken, wird nun den Beobachtern auf der Erde unter
verschiedenen Gestalten erscheinen können, I. als eine gerade Linie,
wenn wir nur seine Kante sehen, oder wenn die Ebene des
Sonnenäquators mit der Ecliptik zusammenfällt. II. Als ein
eigentlicher Kreis, wenn unsere Gesichtslinie auf dem Sonnen-
äquator senkrecht steht, oder wenn der Sonnenäquator gegen die
Ecliptik, unter einen Winkel von 90 Graden geneigt ist, und
endlich III. als eine Ellipse, wenn wir den Sonnenäquator nur

Die Sonne.
eines Mittels bedienen, die Umdrehung der Sonne um ihre Achſe,
und zugleich die Lage dieſer Achſe im Weltraume, zu beſtimmen.
Auch hat man dieſen Verſuch ſehr bald nach der Entdeckung der
Sonnenflecken gemacht, und die Sonne war auch unter allen
Himmelskörpern der erſte, deſſen Rotation man auf dieſe Weiſe
erkannt und beſtimmt hat.

Man bemerkte bald, daß die Wege, welche dieſe Flecken auf
der Sonnenſcheibe beſchreiben, in verſchiedenen Jahreszeiten auch
eine verſchiedene Geſtalt und Krümmung haben. Am Ende des
erſten Drittheils des Junius und des Decembers, erſcheinen ſie
als gerade Linien; in allen andern Jahreszeiten ſind ſie krumme
Linien, und zwar wenden ſie ihre erhabene oder convexe Seite ein
halbes Jahr gegen Nord oder aufwärts, und die folgenden ſechs
Monate gegen Süd oder abwärts. Ihre ſtärkſte Krümmung nach
oben haben ſie im Auguſt, und nach unten im Februar. Endlich
bemerkte man noch, daß die Zeit zwiſchen zwei nächſten Durch-
gängen der Flecken durch denſelben öſtlichen oder weſtlichen Rand
der Sonne nahe 27 Tage betrage. Dieſe Beobachtungen reichen
ſchon hin, uns mit den Umſtänden der Rotation der Sonne um
ihre Axe wenigſtens im Allgemeinen bekannt zu machen.

Wenn die Sonne ſich um eine Axe dreht, ſo müſſen alle
Punkte ihrer Oberfläche, alſo auch die Sonnenflecken, Kreiſe be-
ſchreiben, deren Ebenen auf dieſer Axe ſenkrecht ſtehen, und deren
Mittelpunkte alle in dieſer Axe liegen müſſen. Von dieſen Kreiſen
wird derjenige, der durch den Mittelpunkt der Sonnenkugel geht,
oder der gleichweit von den beiden Polen der Axe entfernt iſt,
der größte ſeyn, und wir werden ihn daher, analog mit der Erde,
den Sonnenäquator nennen können. Dieſer größte Kreis der
Sonne, und ſomit auch alle andern, mit ihm parallelen Kreiſe
der Sonnenflecken, wird nun den Beobachtern auf der Erde unter
verſchiedenen Geſtalten erſcheinen können, I. als eine gerade Linie,
wenn wir nur ſeine Kante ſehen, oder wenn die Ebene des
Sonnenäquators mit der Ecliptik zuſammenfällt. II. Als ein
eigentlicher Kreis, wenn unſere Geſichtslinie auf dem Sonnen-
äquator ſenkrecht ſteht, oder wenn der Sonnenäquator gegen die
Ecliptik, unter einen Winkel von 90 Graden geneigt iſt, und
endlich III. als eine Ellipſe, wenn wir den Sonnenäquator nur

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[47/0057] Die Sonne. eines Mittels bedienen, die Umdrehung der Sonne um ihre Achſe, und zugleich die Lage dieſer Achſe im Weltraume, zu beſtimmen. Auch hat man dieſen Verſuch ſehr bald nach der Entdeckung der Sonnenflecken gemacht, und die Sonne war auch unter allen Himmelskörpern der erſte, deſſen Rotation man auf dieſe Weiſe erkannt und beſtimmt hat. Man bemerkte bald, daß die Wege, welche dieſe Flecken auf der Sonnenſcheibe beſchreiben, in verſchiedenen Jahreszeiten auch eine verſchiedene Geſtalt und Krümmung haben. Am Ende des erſten Drittheils des Junius und des Decembers, erſcheinen ſie als gerade Linien; in allen andern Jahreszeiten ſind ſie krumme Linien, und zwar wenden ſie ihre erhabene oder convexe Seite ein halbes Jahr gegen Nord oder aufwärts, und die folgenden ſechs Monate gegen Süd oder abwärts. Ihre ſtärkſte Krümmung nach oben haben ſie im Auguſt, und nach unten im Februar. Endlich bemerkte man noch, daß die Zeit zwiſchen zwei nächſten Durch- gängen der Flecken durch denſelben öſtlichen oder weſtlichen Rand der Sonne nahe 27 Tage betrage. Dieſe Beobachtungen reichen ſchon hin, uns mit den Umſtänden der Rotation der Sonne um ihre Axe wenigſtens im Allgemeinen bekannt zu machen. Wenn die Sonne ſich um eine Axe dreht, ſo müſſen alle Punkte ihrer Oberfläche, alſo auch die Sonnenflecken, Kreiſe be- ſchreiben, deren Ebenen auf dieſer Axe ſenkrecht ſtehen, und deren Mittelpunkte alle in dieſer Axe liegen müſſen. Von dieſen Kreiſen wird derjenige, der durch den Mittelpunkt der Sonnenkugel geht, oder der gleichweit von den beiden Polen der Axe entfernt iſt, der größte ſeyn, und wir werden ihn daher, analog mit der Erde, den Sonnenäquator nennen können. Dieſer größte Kreis der Sonne, und ſomit auch alle andern, mit ihm parallelen Kreiſe der Sonnenflecken, wird nun den Beobachtern auf der Erde unter verſchiedenen Geſtalten erſcheinen können, I. als eine gerade Linie, wenn wir nur ſeine Kante ſehen, oder wenn die Ebene des Sonnenäquators mit der Ecliptik zuſammenfällt. II. Als ein eigentlicher Kreis, wenn unſere Geſichtslinie auf dem Sonnen- äquator ſenkrecht ſteht, oder wenn der Sonnenäquator gegen die Ecliptik, unter einen Winkel von 90 Graden geneigt iſt, und endlich III. als eine Ellipſe, wenn wir den Sonnenäquator nur

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/57>, abgerufen am 19.04.2024.