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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Die Monde der drei äußersten Planeten.
gerade Linie tritt, welche die Erde in A, B oder C mit dem
östlichen Rande des Planeten verbindet. Dieß sind wahre Sonnen-
finsternisse für die Bewohner Jupiters (I. §. 175), während die
vorher betrachteten Erscheinungen als Mondesfinsternisse (I. §. 174)
anzusehen waren. In der That wirft dann der Satellit in c d seinen
eigenen Schattenkegel auf die ihm gegenüber stehende Oberfläche
des Planeten und verdunkelt diesem dadurch das Licht der Sonne.
Zu derselben Zeit sieht man dann auch noch einen zweiten nahe
eben so großen, grauen Flecken dem Satelliten vorausgehen, wenn
die Finsterniß vor der Opposition Jupiters sich ereignet, oder ihm
folgen, wenn sie nach der Opposition statt hat. Dieß ist offenbar
der Schatten des Satelliten, der über die Oberfläche des Pla-
neten während der Finsterniß hinzieht. Bei diesen Vorübergängen
der Satelliten, die mit lichtstarken Fernröhren sehr scharf beob-
achtet werden können, sieht man den Satelliten auch zuweilen als
einen dunklen, nicht mehr runden, sondern unregelmäßig be-
gränzten Flecken, dessen Dimensionen beträchtlich kleiner sind, als
die seines Schattens, woraus Schröter und Harding den Schluß
gezogen haben, daß diese Satelliten zuweilen auf ihrer Oberfläche
oder in ihrer Atmosphäre große, dunkle Stellen haben.

§. 148. (Theorie der Satelliten Jupiters.) Die Theorie der
Bewegungen und der gegenseitigen Störungen dieser Satelliten ist
großen Schwierigkeiten unterworfen. Aber ihre große Entfernung
von uns gestattet, bei den vorzüglichsten ihrer Perturbationen stehen
zu bleiben, da wir die kleinern Ungleichheiten doch nicht mehr
unterscheiden können. Bailly, der sich durch seine schöne, obgleich
etwas dichterische Geschichte der Astronomie ausgezeichnet hat, und
dessen grausamer Tod zur Zeit der Schreckensregierung in Frank-
reich ein entsetzlicher Beweis der Unbeständigkeit der Volksgunst
ist, war der erste, der die Theorie dieser vier Monde durch Hülfe
der Analyse zu bearbeiten suchte. Da aber sein Versuch noch zu
unvollkommen war, so machte die k. Academie in Paris i. J. 1766
diesen schwierigen Gegenstand zu einer Preisfrage, die Lagrange
in ihrem ganzen Umfange in einer Abhandlung löste, welche eine
der schönsten ist, die je über die Einrichtung des Weltsystems er-
schienen war. Im Jahre 1788 nahm Laplace dieselbe Arbeit noch

Die Monde der drei äußerſten Planeten.
gerade Linie tritt, welche die Erde in A, B oder C mit dem
öſtlichen Rande des Planeten verbindet. Dieß ſind wahre Sonnen-
finſterniſſe für die Bewohner Jupiters (I. §. 175), während die
vorher betrachteten Erſcheinungen als Mondesfinſterniſſe (I. §. 174)
anzuſehen waren. In der That wirft dann der Satellit in c d ſeinen
eigenen Schattenkegel auf die ihm gegenüber ſtehende Oberfläche
des Planeten und verdunkelt dieſem dadurch das Licht der Sonne.
Zu derſelben Zeit ſieht man dann auch noch einen zweiten nahe
eben ſo großen, grauen Flecken dem Satelliten vorausgehen, wenn
die Finſterniß vor der Oppoſition Jupiters ſich ereignet, oder ihm
folgen, wenn ſie nach der Oppoſition ſtatt hat. Dieß iſt offenbar
der Schatten des Satelliten, der über die Oberfläche des Pla-
neten während der Finſterniß hinzieht. Bei dieſen Vorübergängen
der Satelliten, die mit lichtſtarken Fernröhren ſehr ſcharf beob-
achtet werden können, ſieht man den Satelliten auch zuweilen als
einen dunklen, nicht mehr runden, ſondern unregelmäßig be-
gränzten Flecken, deſſen Dimenſionen beträchtlich kleiner ſind, als
die ſeines Schattens, woraus Schröter und Harding den Schluß
gezogen haben, daß dieſe Satelliten zuweilen auf ihrer Oberfläche
oder in ihrer Atmoſphäre große, dunkle Stellen haben.

§. 148. (Theorie der Satelliten Jupiters.) Die Theorie der
Bewegungen und der gegenſeitigen Störungen dieſer Satelliten iſt
großen Schwierigkeiten unterworfen. Aber ihre große Entfernung
von uns geſtattet, bei den vorzüglichſten ihrer Perturbationen ſtehen
zu bleiben, da wir die kleinern Ungleichheiten doch nicht mehr
unterſcheiden können. Bailly, der ſich durch ſeine ſchöne, obgleich
etwas dichteriſche Geſchichte der Aſtronomie ausgezeichnet hat, und
deſſen grauſamer Tod zur Zeit der Schreckensregierung in Frank-
reich ein entſetzlicher Beweis der Unbeſtändigkeit der Volksgunſt
iſt, war der erſte, der die Theorie dieſer vier Monde durch Hülfe
der Analyſe zu bearbeiten ſuchte. Da aber ſein Verſuch noch zu
unvollkommen war, ſo machte die k. Academie in Paris i. J. 1766
dieſen ſchwierigen Gegenſtand zu einer Preisfrage, die Lagrange
in ihrem ganzen Umfange in einer Abhandlung löste, welche eine
der ſchönſten iſt, die je über die Einrichtung des Weltſyſtems er-
ſchienen war. Im Jahre 1788 nahm Laplace dieſelbe Arbeit noch

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[214/0224] Die Monde der drei äußerſten Planeten. gerade Linie tritt, welche die Erde in A, B oder C mit dem öſtlichen Rande des Planeten verbindet. Dieß ſind wahre Sonnen- finſterniſſe für die Bewohner Jupiters (I. §. 175), während die vorher betrachteten Erſcheinungen als Mondesfinſterniſſe (I. §. 174) anzuſehen waren. In der That wirft dann der Satellit in c d ſeinen eigenen Schattenkegel auf die ihm gegenüber ſtehende Oberfläche des Planeten und verdunkelt dieſem dadurch das Licht der Sonne. Zu derſelben Zeit ſieht man dann auch noch einen zweiten nahe eben ſo großen, grauen Flecken dem Satelliten vorausgehen, wenn die Finſterniß vor der Oppoſition Jupiters ſich ereignet, oder ihm folgen, wenn ſie nach der Oppoſition ſtatt hat. Dieß iſt offenbar der Schatten des Satelliten, der über die Oberfläche des Pla- neten während der Finſterniß hinzieht. Bei dieſen Vorübergängen der Satelliten, die mit lichtſtarken Fernröhren ſehr ſcharf beob- achtet werden können, ſieht man den Satelliten auch zuweilen als einen dunklen, nicht mehr runden, ſondern unregelmäßig be- gränzten Flecken, deſſen Dimenſionen beträchtlich kleiner ſind, als die ſeines Schattens, woraus Schröter und Harding den Schluß gezogen haben, daß dieſe Satelliten zuweilen auf ihrer Oberfläche oder in ihrer Atmoſphäre große, dunkle Stellen haben. §. 148. (Theorie der Satelliten Jupiters.) Die Theorie der Bewegungen und der gegenſeitigen Störungen dieſer Satelliten iſt großen Schwierigkeiten unterworfen. Aber ihre große Entfernung von uns geſtattet, bei den vorzüglichſten ihrer Perturbationen ſtehen zu bleiben, da wir die kleinern Ungleichheiten doch nicht mehr unterſcheiden können. Bailly, der ſich durch ſeine ſchöne, obgleich etwas dichteriſche Geſchichte der Aſtronomie ausgezeichnet hat, und deſſen grauſamer Tod zur Zeit der Schreckensregierung in Frank- reich ein entſetzlicher Beweis der Unbeſtändigkeit der Volksgunſt iſt, war der erſte, der die Theorie dieſer vier Monde durch Hülfe der Analyſe zu bearbeiten ſuchte. Da aber ſein Verſuch noch zu unvollkommen war, ſo machte die k. Academie in Paris i. J. 1766 dieſen ſchwierigen Gegenſtand zu einer Preisfrage, die Lagrange in ihrem ganzen Umfange in einer Abhandlung löste, welche eine der ſchönſten iſt, die je über die Einrichtung des Weltſyſtems er- ſchienen war. Im Jahre 1788 nahm Laplace dieſelbe Arbeit noch

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/224>, abgerufen am 19.04.2024.