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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.

Daß es auf diesem Schiffe ganz anders hergeht, als auf dem
unseren, daraus folgt noch nicht, daß jene Reisenden weniger glück-
lich und zufrieden sind, als wir selbst, da auch sie wahrscheinlich

und der Sprache seyn, die man für diese telegraphische Cor-
respondenz bestimmen soll. So viel auch Sprachen auf unserer
Erde angetroffen werden, so sind sie doch alle auf dem Monde
unbekannt, und es ist sehr möglich, daß die Leute dort gar keine
eigentliche Sprache haben und sich auf ganz andere Art unter
einander verständlich machen. Und die Zeichen? -- Diese sind
allerdings willkührlich, aber dafür muß auch eine vorläufige
Verabredung vorausgegangen seyn, wenn man anders sich gegensei-
tig verstehen will. Wie soll man aber diese Verabredung treffen,
da uns auch dazu alle Mittel fehlen? -- In dieser Verlegenheit
hat einer unserer ausgezeichnetsten Geometer einen Vorschlag
gemacht, der manchem auf den ersten Blick sehr sonderbar, der
aber, genauer besehen, doch als der einzig mögliche erscheinen
wird, und der, der Sonderheit der Sache wegen, hier eine kurze
Erwähnung verdient, wenn gleich Niemand, und am wenigsten
der Erfinder des Vorschlags selbst, an eine Ausführung desselben
denkt.
Er ging von der Voraussetzung aus, daß die Leute im
Monde, wie sie auch übrigens beschaffen seyn mögen, mit Ver-
stand begabte Wesen sind. Wer dieß nicht annehmen will,
muß es auch überflüssig und selbst thöricht finden, mit diesen
Geschöpfen eine Correspondenz irgend einer Art zu etabliren.
Wenn sie also, schloß er weiter, in der That verständige We-
sen sind, so werden sie, da der Verstand überall derselbe seyn
muß, die eigentliche Verstandes-Wissenschaft, d. h. die Mathematik
treiben. Wenn sie sich aber mit Mathematik beschäftigen, so
können ihnen, da sie schon so lange zur Schule gehen, wenig-
stens die ersten Hauptsätze der Geometrie nicht unbekannt seyn.
Wenn man ihnen daher eine der sprechendsten Figuren der Ele-
mentargeometrie, z. B. die bekannte des sogenannten Quadrats
der Hypotenuse, im großen Maaßstabe, etwa auf einer weiten
Ebene der Erde verzeichnet, vorlegte, so daß sie dieselben erkennen
könnten, so würden sie wahrscheinlich dadurch aufmerksam gemacht
werden und uns vielleicht mit der Zeit durch eine ähnliche Figur,
die sie auf der Mondsfläche ausführen, eine Antwort und ein
Zeichen geben können, daß sie uns verstanden haben. Dadurch
würden wir also wenigstens die Ueberzeugung erhalten haben,
daß es dort oben Wesen gibt, die mit Verstand begabt sind und
mit denen zu correspondiren es der Mühe werth ist. Sonach
wäre der erste Schritt zu einer näheren Bekanntschaft mit den
Mondsbürgern gemacht und die andern -- werden folgen, wenn
erst dieser ins Reine gebracht seyn wird.
Der Mond.

Daß es auf dieſem Schiffe ganz anders hergeht, als auf dem
unſeren, daraus folgt noch nicht, daß jene Reiſenden weniger glück-
lich und zufrieden ſind, als wir ſelbſt, da auch ſie wahrſcheinlich

und der Sprache ſeyn, die man für dieſe telegraphiſche Cor-
reſpondenz beſtimmen ſoll. So viel auch Sprachen auf unſerer
Erde angetroffen werden, ſo ſind ſie doch alle auf dem Monde
unbekannt, und es iſt ſehr möglich, daß die Leute dort gar keine
eigentliche Sprache haben und ſich auf ganz andere Art unter
einander verſtändlich machen. Und die Zeichen? — Dieſe ſind
allerdings willkührlich, aber dafür muß auch eine vorläufige
Verabredung vorausgegangen ſeyn, wenn man anders ſich gegenſei-
tig verſtehen will. Wie ſoll man aber dieſe Verabredung treffen,
da uns auch dazu alle Mittel fehlen? — In dieſer Verlegenheit
hat einer unſerer ausgezeichnetſten Geometer einen Vorſchlag
gemacht, der manchem auf den erſten Blick ſehr ſonderbar, der
aber, genauer beſehen, doch als der einzig mögliche erſcheinen
wird, und der, der Sonderheit der Sache wegen, hier eine kurze
Erwähnung verdient, wenn gleich Niemand, und am wenigſten
der Erfinder des Vorſchlags ſelbſt, an eine Ausführung deſſelben
denkt.
Er ging von der Vorausſetzung aus, daß die Leute im
Monde, wie ſie auch übrigens beſchaffen ſeyn mögen, mit Ver-
ſtand begabte Weſen ſind. Wer dieß nicht annehmen will,
muß es auch überflüſſig und ſelbſt thöricht finden, mit dieſen
Geſchöpfen eine Correſpondenz irgend einer Art zu etabliren.
Wenn ſie alſo, ſchloß er weiter, in der That verſtändige We-
ſen ſind, ſo werden ſie, da der Verſtand überall derſelbe ſeyn
muß, die eigentliche Verſtandes-Wiſſenſchaft, d. h. die Mathematik
treiben. Wenn ſie ſich aber mit Mathematik beſchäftigen, ſo
können ihnen, da ſie ſchon ſo lange zur Schule gehen, wenig-
ſtens die erſten Hauptſätze der Geometrie nicht unbekannt ſeyn.
Wenn man ihnen daher eine der ſprechendſten Figuren der Ele-
mentargeometrie, z. B. die bekannte des ſogenannten Quadrats
der Hypotenuſe, im großen Maaßſtabe, etwa auf einer weiten
Ebene der Erde verzeichnet, vorlegte, ſo daß ſie dieſelben erkennen
könnten, ſo würden ſie wahrſcheinlich dadurch aufmerkſam gemacht
werden und uns vielleicht mit der Zeit durch eine ähnliche Figur,
die ſie auf der Mondsfläche ausführen, eine Antwort und ein
Zeichen geben können, daß ſie uns verſtanden haben. Dadurch
würden wir alſo wenigſtens die Ueberzeugung erhalten haben,
daß es dort oben Weſen gibt, die mit Verſtand begabt ſind und
mit denen zu correſpondiren es der Mühe werth iſt. Sonach
wäre der erſte Schritt zu einer näheren Bekanntſchaft mit den
Mondsbürgern gemacht und die andern — werden folgen, wenn
erſt dieſer ins Reine gebracht ſeyn wird.
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[204/0214] Der Mond. Daß es auf dieſem Schiffe ganz anders hergeht, als auf dem unſeren, daraus folgt noch nicht, daß jene Reiſenden weniger glück- lich und zufrieden ſind, als wir ſelbſt, da auch ſie wahrſcheinlich *) *) und der Sprache ſeyn, die man für dieſe telegraphiſche Cor- reſpondenz beſtimmen ſoll. So viel auch Sprachen auf unſerer Erde angetroffen werden, ſo ſind ſie doch alle auf dem Monde unbekannt, und es iſt ſehr möglich, daß die Leute dort gar keine eigentliche Sprache haben und ſich auf ganz andere Art unter einander verſtändlich machen. Und die Zeichen? — Dieſe ſind allerdings willkührlich, aber dafür muß auch eine vorläufige Verabredung vorausgegangen ſeyn, wenn man anders ſich gegenſei- tig verſtehen will. Wie ſoll man aber dieſe Verabredung treffen, da uns auch dazu alle Mittel fehlen? — In dieſer Verlegenheit hat einer unſerer ausgezeichnetſten Geometer einen Vorſchlag gemacht, der manchem auf den erſten Blick ſehr ſonderbar, der aber, genauer beſehen, doch als der einzig mögliche erſcheinen wird, und der, der Sonderheit der Sache wegen, hier eine kurze Erwähnung verdient, wenn gleich Niemand, und am wenigſten der Erfinder des Vorſchlags ſelbſt, an eine Ausführung deſſelben denkt. Er ging von der Vorausſetzung aus, daß die Leute im Monde, wie ſie auch übrigens beſchaffen ſeyn mögen, mit Ver- ſtand begabte Weſen ſind. Wer dieß nicht annehmen will, muß es auch überflüſſig und ſelbſt thöricht finden, mit dieſen Geſchöpfen eine Correſpondenz irgend einer Art zu etabliren. Wenn ſie alſo, ſchloß er weiter, in der That verſtändige We- ſen ſind, ſo werden ſie, da der Verſtand überall derſelbe ſeyn muß, die eigentliche Verſtandes-Wiſſenſchaft, d. h. die Mathematik treiben. Wenn ſie ſich aber mit Mathematik beſchäftigen, ſo können ihnen, da ſie ſchon ſo lange zur Schule gehen, wenig- ſtens die erſten Hauptſätze der Geometrie nicht unbekannt ſeyn. Wenn man ihnen daher eine der ſprechendſten Figuren der Ele- mentargeometrie, z. B. die bekannte des ſogenannten Quadrats der Hypotenuſe, im großen Maaßſtabe, etwa auf einer weiten Ebene der Erde verzeichnet, vorlegte, ſo daß ſie dieſelben erkennen könnten, ſo würden ſie wahrſcheinlich dadurch aufmerkſam gemacht werden und uns vielleicht mit der Zeit durch eine ähnliche Figur, die ſie auf der Mondsfläche ausführen, eine Antwort und ein Zeichen geben können, daß ſie uns verſtanden haben. Dadurch würden wir alſo wenigſtens die Ueberzeugung erhalten haben, daß es dort oben Weſen gibt, die mit Verſtand begabt ſind und mit denen zu correſpondiren es der Mühe werth iſt. Sonach wäre der erſte Schritt zu einer näheren Bekanntſchaft mit den Mondsbürgern gemacht und die andern — werden folgen, wenn erſt dieſer ins Reine gebracht ſeyn wird.

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/214>, abgerufen am 29.03.2024.