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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.
selbst den Gefühllosesten, wenn er sein Auge einmal zu dem ge-
stirnten Himmel erhebt, durch die wunderbare Abwechslung seiner
Gestalt und durch sein helles Licht an sich zieht, das nicht nur
die Fixsterne, sondern selbst das Licht Jupiters und der Venus
verdunkelt:


-- -- Hesperus, that led
The starry host, rode brightest: till the Moon
Rising in clouded majesty, at length
Apparent queen, unveiled her peerless form,
And o'ver the dark her silver mantle threw.

Milton.

Mögen nun die Astronomen selbst zusehen, wie sie sich ent-
schuldigen können, wenn sie, gegen ihre Gewohnheit, das Reich
der Wahrheit verlassend, in das Gebiet der Phantasie hinüber
treten und uns von den Leuten im Monde, an deren Existenz sie
wahrscheinlich selbst nicht glauben, so viele und so sonderbare Dinge
vorerzählen, daß ich beinahe Anstand nehmen muß, sie ihnen
wieder nachzusagen.

Daß diese Leute, wenn sie überhaupt noch da sind, von uns
selbst und allen, was wir auf unserer Erde sehen, nicht wenig
verschieden seyn mögen, wird wohl Niemand bezweifeln wollen,
der sich aus dem Vorhergehenden auch nur daran erinnerte, daß
der Mond keine, wenigstens keine mit der unserer vergleichbaren
Atmosphäre hat, und also auch kein Wasser haben kann, da das
letzte, ohne jene, in kurzer Zeit verdünsten und nur mehr in luft-
förmiger Gestalt existiren würde. Dieser Mangel an Luft und
Wasser, diese allgemeine Dürre, verbunden mit der Abwesenheit
aller eigentlichen Jahreszeiten auf dem Monde, muß auf das
animalische und vegetabilische Leben auf der Oberfläche dieses
Weltkörpers einen großen und so wesentlichen Einfluß äußern, daß
es uns schwer fallen mag, die Folgen eines solchen Zustandes auch
nur in seinen größeren Zügen einigermaßen getreu darzustellen.
Vielleicht leben die Geschöpfe des Mondes, wie bei uns die Fi-
sche, nur in den tiefsten Theilen der Oberfläche desselben, nur auf
dem Boden der vielen Höhlen und Abgründe, wo die sonst so

Der Mond.
ſelbſt den Gefühlloſeſten, wenn er ſein Auge einmal zu dem ge-
ſtirnten Himmel erhebt, durch die wunderbare Abwechslung ſeiner
Geſtalt und durch ſein helles Licht an ſich zieht, das nicht nur
die Fixſterne, ſondern ſelbſt das Licht Jupiters und der Venus
verdunkelt:


— — Hesperus, that led
The starry host, rode brightest: till the Moon
Rising in clouded majesty, at length
Apparent queen, unveiled her peerless form,
And o’ver the dark her silver mantle threw.

Milton.

Mögen nun die Aſtronomen ſelbſt zuſehen, wie ſie ſich ent-
ſchuldigen können, wenn ſie, gegen ihre Gewohnheit, das Reich
der Wahrheit verlaſſend, in das Gebiet der Phantaſie hinüber
treten und uns von den Leuten im Monde, an deren Exiſtenz ſie
wahrſcheinlich ſelbſt nicht glauben, ſo viele und ſo ſonderbare Dinge
vorerzählen, daß ich beinahe Anſtand nehmen muß, ſie ihnen
wieder nachzuſagen.

Daß dieſe Leute, wenn ſie überhaupt noch da ſind, von uns
ſelbſt und allen, was wir auf unſerer Erde ſehen, nicht wenig
verſchieden ſeyn mögen, wird wohl Niemand bezweifeln wollen,
der ſich aus dem Vorhergehenden auch nur daran erinnerte, daß
der Mond keine, wenigſtens keine mit der unſerer vergleichbaren
Atmoſphäre hat, und alſo auch kein Waſſer haben kann, da das
letzte, ohne jene, in kurzer Zeit verdünſten und nur mehr in luft-
förmiger Geſtalt exiſtiren würde. Dieſer Mangel an Luft und
Waſſer, dieſe allgemeine Dürre, verbunden mit der Abweſenheit
aller eigentlichen Jahreszeiten auf dem Monde, muß auf das
animaliſche und vegetabiliſche Leben auf der Oberfläche dieſes
Weltkörpers einen großen und ſo weſentlichen Einfluß äußern, daß
es uns ſchwer fallen mag, die Folgen eines ſolchen Zuſtandes auch
nur in ſeinen größeren Zügen einigermaßen getreu darzuſtellen.
Vielleicht leben die Geſchöpfe des Mondes, wie bei uns die Fi-
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[198/0208] Der Mond. ſelbſt den Gefühlloſeſten, wenn er ſein Auge einmal zu dem ge- ſtirnten Himmel erhebt, durch die wunderbare Abwechslung ſeiner Geſtalt und durch ſein helles Licht an ſich zieht, das nicht nur die Fixſterne, ſondern ſelbſt das Licht Jupiters und der Venus verdunkelt: — — Hesperus, that led The starry host, rode brightest: till the Moon Rising in clouded majesty, at length Apparent queen, unveiled her peerless form, And o’ver the dark her silver mantle threw. Milton. Mögen nun die Aſtronomen ſelbſt zuſehen, wie ſie ſich ent- ſchuldigen können, wenn ſie, gegen ihre Gewohnheit, das Reich der Wahrheit verlaſſend, in das Gebiet der Phantaſie hinüber treten und uns von den Leuten im Monde, an deren Exiſtenz ſie wahrſcheinlich ſelbſt nicht glauben, ſo viele und ſo ſonderbare Dinge vorerzählen, daß ich beinahe Anſtand nehmen muß, ſie ihnen wieder nachzuſagen. Daß dieſe Leute, wenn ſie überhaupt noch da ſind, von uns ſelbſt und allen, was wir auf unſerer Erde ſehen, nicht wenig verſchieden ſeyn mögen, wird wohl Niemand bezweifeln wollen, der ſich aus dem Vorhergehenden auch nur daran erinnerte, daß der Mond keine, wenigſtens keine mit der unſerer vergleichbaren Atmoſphäre hat, und alſo auch kein Waſſer haben kann, da das letzte, ohne jene, in kurzer Zeit verdünſten und nur mehr in luft- förmiger Geſtalt exiſtiren würde. Dieſer Mangel an Luft und Waſſer, dieſe allgemeine Dürre, verbunden mit der Abweſenheit aller eigentlichen Jahreszeiten auf dem Monde, muß auf das animaliſche und vegetabiliſche Leben auf der Oberfläche dieſes Weltkörpers einen großen und ſo weſentlichen Einfluß äußern, daß es uns ſchwer fallen mag, die Folgen eines ſolchen Zuſtandes auch nur in ſeinen größeren Zügen einigermaßen getreu darzuſtellen. Vielleicht leben die Geſchöpfe des Mondes, wie bei uns die Fi- ſche, nur in den tiefſten Theilen der Oberfläche deſſelben, nur auf dem Boden der vielen Höhlen und Abgründe, wo die ſonſt ſo

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/208>, abgerufen am 25.04.2024.