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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.
Punkte dieser Kugel zurückwerfen könnte und weil wir dann den
Mond nur wie einen kleinen lichten Stern, aber nicht wie eine
große beleuchtete Scheibe sehen würden. Diese Oberfläche des
Mondes wird also rauh und vielleicht mit einer großen Menge
von Unebenheiten, von Bergen und Thälern, bedeckt seyn, von
welchen jeder Theil für sich als ein kleiner Spiegel betrachtet
werden muß, der sein Licht nach irgend einer Seite hin versendet
und die alle zusammen die Ursache sind, daß wir den ganzen
Mond so sehen, wie er uns in der That erscheint. Wir werden
bald sehen, daß schon sehr mittelmäßige Fernröhre uns von dem
Daseyn dieser Berge und Thäler vollkommen überzeugen.

Da nun aber unsere Erde, wie allgemein bekannt, ebenfalls
eine Kugel und da ihre Oberfläche auch mit Unebenheiten aller
Art bedeckt ist, so ist kein Zweifel, daß die Erde den Bewohnern
des Mondes eben so, wie der Mond uns, als eine beleuchtete
Scheibe, erscheinen wird. Mit Unrecht haben wir daher bisher
unsere Erde als einen rauhen, dunklen Kloß von Erde angesehen,
während wir die so hell leuchtenden Planeten und andere Himmels-
körper, ihrer Schönheit wegen, für ganz andere und höhere Wesen zu
halten durch diesen Irrthum veranlaßt worden sind. Auch hier hing
also, wie in so vielen anderen Dingen, unser Urtheil nur von unserer
Stellung und von der Art ab, wie wir die Dinge um uns an-
sehen. Wer zwischen der Erde und dem Monde mitten inne
stände, würde den rechten Standpunkt einnehmen, aus welchem er
beide Körper gleich vortheilhaft und gleich richtig beurtheilen
könnte.

Daß die grauen Flecken, die wir in dem Monde bemerken,
in der That Berge und Thäler sind, lehrt uns schon der erste
Blick, den wir durch ein Fernrohr auf denselben werfen. Der
bloße Anblick dieser Gegenstände selbst läßt weiter keinen Zweifel
über jene Voraussetzung entstehen, und die Schatten, welche sie
werfen, überzeugen uns vollkommen von der Richtigkeit derselben.
Diese nicht weiter zu verkennenden Schatten stehen nämlich im-
mer auf der der Sonne gegenüber liegenden Seite, und sie sind
auch immer desto länger, je höher diese Berge selbst sind oder je
tiefer für sie die Sonne an dem Horizonte derselben steht. An

Der Mond.
Punkte dieſer Kugel zurückwerfen könnte und weil wir dann den
Mond nur wie einen kleinen lichten Stern, aber nicht wie eine
große beleuchtete Scheibe ſehen würden. Dieſe Oberfläche des
Mondes wird alſo rauh und vielleicht mit einer großen Menge
von Unebenheiten, von Bergen und Thälern, bedeckt ſeyn, von
welchen jeder Theil für ſich als ein kleiner Spiegel betrachtet
werden muß, der ſein Licht nach irgend einer Seite hin verſendet
und die alle zuſammen die Urſache ſind, daß wir den ganzen
Mond ſo ſehen, wie er uns in der That erſcheint. Wir werden
bald ſehen, daß ſchon ſehr mittelmäßige Fernröhre uns von dem
Daſeyn dieſer Berge und Thäler vollkommen überzeugen.

Da nun aber unſere Erde, wie allgemein bekannt, ebenfalls
eine Kugel und da ihre Oberfläche auch mit Unebenheiten aller
Art bedeckt iſt, ſo iſt kein Zweifel, daß die Erde den Bewohnern
des Mondes eben ſo, wie der Mond uns, als eine beleuchtete
Scheibe, erſcheinen wird. Mit Unrecht haben wir daher bisher
unſere Erde als einen rauhen, dunklen Kloß von Erde angeſehen,
während wir die ſo hell leuchtenden Planeten und andere Himmels-
körper, ihrer Schönheit wegen, für ganz andere und höhere Weſen zu
halten durch dieſen Irrthum veranlaßt worden ſind. Auch hier hing
alſo, wie in ſo vielen anderen Dingen, unſer Urtheil nur von unſerer
Stellung und von der Art ab, wie wir die Dinge um uns an-
ſehen. Wer zwiſchen der Erde und dem Monde mitten inne
ſtände, würde den rechten Standpunkt einnehmen, aus welchem er
beide Körper gleich vortheilhaft und gleich richtig beurtheilen
könnte.

Daß die grauen Flecken, die wir in dem Monde bemerken,
in der That Berge und Thäler ſind, lehrt uns ſchon der erſte
Blick, den wir durch ein Fernrohr auf denſelben werfen. Der
bloße Anblick dieſer Gegenſtände ſelbſt läßt weiter keinen Zweifel
über jene Vorausſetzung entſtehen, und die Schatten, welche ſie
werfen, überzeugen uns vollkommen von der Richtigkeit derſelben.
Dieſe nicht weiter zu verkennenden Schatten ſtehen nämlich im-
mer auf der der Sonne gegenüber liegenden Seite, und ſie ſind
auch immer deſto länger, je höher dieſe Berge ſelbſt ſind oder je
tiefer für ſie die Sonne an dem Horizonte derſelben ſteht. An

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[187/0197] Der Mond. Punkte dieſer Kugel zurückwerfen könnte und weil wir dann den Mond nur wie einen kleinen lichten Stern, aber nicht wie eine große beleuchtete Scheibe ſehen würden. Dieſe Oberfläche des Mondes wird alſo rauh und vielleicht mit einer großen Menge von Unebenheiten, von Bergen und Thälern, bedeckt ſeyn, von welchen jeder Theil für ſich als ein kleiner Spiegel betrachtet werden muß, der ſein Licht nach irgend einer Seite hin verſendet und die alle zuſammen die Urſache ſind, daß wir den ganzen Mond ſo ſehen, wie er uns in der That erſcheint. Wir werden bald ſehen, daß ſchon ſehr mittelmäßige Fernröhre uns von dem Daſeyn dieſer Berge und Thäler vollkommen überzeugen. Da nun aber unſere Erde, wie allgemein bekannt, ebenfalls eine Kugel und da ihre Oberfläche auch mit Unebenheiten aller Art bedeckt iſt, ſo iſt kein Zweifel, daß die Erde den Bewohnern des Mondes eben ſo, wie der Mond uns, als eine beleuchtete Scheibe, erſcheinen wird. Mit Unrecht haben wir daher bisher unſere Erde als einen rauhen, dunklen Kloß von Erde angeſehen, während wir die ſo hell leuchtenden Planeten und andere Himmels- körper, ihrer Schönheit wegen, für ganz andere und höhere Weſen zu halten durch dieſen Irrthum veranlaßt worden ſind. Auch hier hing alſo, wie in ſo vielen anderen Dingen, unſer Urtheil nur von unſerer Stellung und von der Art ab, wie wir die Dinge um uns an- ſehen. Wer zwiſchen der Erde und dem Monde mitten inne ſtände, würde den rechten Standpunkt einnehmen, aus welchem er beide Körper gleich vortheilhaft und gleich richtig beurtheilen könnte. Daß die grauen Flecken, die wir in dem Monde bemerken, in der That Berge und Thäler ſind, lehrt uns ſchon der erſte Blick, den wir durch ein Fernrohr auf denſelben werfen. Der bloße Anblick dieſer Gegenſtände ſelbſt läßt weiter keinen Zweifel über jene Vorausſetzung entſtehen, und die Schatten, welche ſie werfen, überzeugen uns vollkommen von der Richtigkeit derſelben. Dieſe nicht weiter zu verkennenden Schatten ſtehen nämlich im- mer auf der der Sonne gegenüber liegenden Seite, und ſie ſind auch immer deſto länger, je höher dieſe Berge ſelbſt ſind oder je tiefer für ſie die Sonne an dem Horizonte derſelben ſteht. An

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/197>, abgerufen am 28.03.2024.