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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Der Mond.
für die Bewohner des Mondes gewähren! Ich kann nicht weiter
zweifeln, daß die Gelehrten im Monde, die gleich den unseren für
alles sofort ihre Gründe haben, diese auffallende Erscheinung des
Stillstandes eines, alle andere Gestirne an Größe so weit über-
treffenden Himmelskörpers, sehr scharfsinnig aus der dieser Größe
höchst angemessenen Trägheit ableiten und daß eben so ihre Dichter,
wenn sie das Lob der Faulheit singen, unsere Erde als Muster
und als das erhabenste Ideal derselben aufstellen werden. Und
wer wird es den frommen Gemüthern dieses Volkes verargen
können, wenn sie dieses ungeheure Gestirn mit seinem auffallenden
Lichtwechsel als den Abglanz der Gottheit verehren, die in ewiger
Ruhe ihren festgegründeten Thron einnimmt, während alle andern
Gestirne des Himmels, Sonne und Planeten nicht ausgenommen,
in abgemessenen Bahnen ehrfurchtsvoll vor ihr vorüberziehen.

§. 132. (Bewohner der vorderen und hinteren Seite des Mon-
des.) Doch gilt dieß erhabene Schauspiel nur denjenigen Mondes-
bürgern, welche die vordere, gegen die Erde gewendete Hälfte des
Mondes bewohnen. Die andern wissen nichts davon, da sie (I.
S. 326) ewig von der Erde abgewendet sind und sie daher nie
sehen können. Sie haben daher auch wohl keine Ahnung von den
herrlichen Erscheinungen, welche ihre Nachbarn auf der andern
Hälfte ihrer Erde täglich und stündlich genießen, wenn sie nicht
zuweilen von Reisenden, die aus jenen Gegenden zu ihnen kommen,
davon Nachricht erhalten. Mit welchem Erstaunen mögen sie die
Erzählungen derselben anhören und mit welcher Andacht werden
sie vielleicht in ganzen Karavanen ihre Wallfahrten nach dem
glücklichen Orte anstellen, wo ihnen der Anblick dieser Wunder des
Himmels gegönnt ist. Diejenigen Seleniten, welche nahe an dem
Rande der uns sichtbaren Scheibe wohnen, können diese Reise in
kurzer Zeit vollenden und die Genüsse, die sie erwarten, mögen
die unserer sogenannten Reisen um die Welt weit übertreffen.

Uebrigens haben diese glücklichen Bewohner der Vorderseite
des Mondes noch einen andern nicht geringen Vortheil vor ihren
Nachbarn auf der andern Seite voraus, und es scheint dort oben
wie hier unten zu gehen, daß dem, der einmal im Vortheile ist,
das Glück von allen Seiten zuzuströmen pflegt. Wir haben

Der Mond.
für die Bewohner des Mondes gewähren! Ich kann nicht weiter
zweifeln, daß die Gelehrten im Monde, die gleich den unſeren für
alles ſofort ihre Gründe haben, dieſe auffallende Erſcheinung des
Stillſtandes eines, alle andere Geſtirne an Größe ſo weit über-
treffenden Himmelskörpers, ſehr ſcharfſinnig aus der dieſer Größe
höchſt angemeſſenen Trägheit ableiten und daß eben ſo ihre Dichter,
wenn ſie das Lob der Faulheit ſingen, unſere Erde als Muſter
und als das erhabenſte Ideal derſelben aufſtellen werden. Und
wer wird es den frommen Gemüthern dieſes Volkes verargen
können, wenn ſie dieſes ungeheure Geſtirn mit ſeinem auffallenden
Lichtwechſel als den Abglanz der Gottheit verehren, die in ewiger
Ruhe ihren feſtgegründeten Thron einnimmt, während alle andern
Geſtirne des Himmels, Sonne und Planeten nicht ausgenommen,
in abgemeſſenen Bahnen ehrfurchtsvoll vor ihr vorüberziehen.

§. 132. (Bewohner der vorderen und hinteren Seite des Mon-
des.) Doch gilt dieß erhabene Schauſpiel nur denjenigen Mondes-
bürgern, welche die vordere, gegen die Erde gewendete Hälfte des
Mondes bewohnen. Die andern wiſſen nichts davon, da ſie (I.
S. 326) ewig von der Erde abgewendet ſind und ſie daher nie
ſehen können. Sie haben daher auch wohl keine Ahnung von den
herrlichen Erſcheinungen, welche ihre Nachbarn auf der andern
Hälfte ihrer Erde täglich und ſtündlich genießen, wenn ſie nicht
zuweilen von Reiſenden, die aus jenen Gegenden zu ihnen kommen,
davon Nachricht erhalten. Mit welchem Erſtaunen mögen ſie die
Erzählungen derſelben anhören und mit welcher Andacht werden
ſie vielleicht in ganzen Karavanen ihre Wallfahrten nach dem
glücklichen Orte anſtellen, wo ihnen der Anblick dieſer Wunder des
Himmels gegönnt iſt. Diejenigen Seleniten, welche nahe an dem
Rande der uns ſichtbaren Scheibe wohnen, können dieſe Reiſe in
kurzer Zeit vollenden und die Genüſſe, die ſie erwarten, mögen
die unſerer ſogenannten Reiſen um die Welt weit übertreffen.

Uebrigens haben dieſe glücklichen Bewohner der Vorderſeite
des Mondes noch einen andern nicht geringen Vortheil vor ihren
Nachbarn auf der andern Seite voraus, und es ſcheint dort oben
wie hier unten zu gehen, daß dem, der einmal im Vortheile iſt,
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[185/0195] Der Mond. für die Bewohner des Mondes gewähren! Ich kann nicht weiter zweifeln, daß die Gelehrten im Monde, die gleich den unſeren für alles ſofort ihre Gründe haben, dieſe auffallende Erſcheinung des Stillſtandes eines, alle andere Geſtirne an Größe ſo weit über- treffenden Himmelskörpers, ſehr ſcharfſinnig aus der dieſer Größe höchſt angemeſſenen Trägheit ableiten und daß eben ſo ihre Dichter, wenn ſie das Lob der Faulheit ſingen, unſere Erde als Muſter und als das erhabenſte Ideal derſelben aufſtellen werden. Und wer wird es den frommen Gemüthern dieſes Volkes verargen können, wenn ſie dieſes ungeheure Geſtirn mit ſeinem auffallenden Lichtwechſel als den Abglanz der Gottheit verehren, die in ewiger Ruhe ihren feſtgegründeten Thron einnimmt, während alle andern Geſtirne des Himmels, Sonne und Planeten nicht ausgenommen, in abgemeſſenen Bahnen ehrfurchtsvoll vor ihr vorüberziehen. §. 132. (Bewohner der vorderen und hinteren Seite des Mon- des.) Doch gilt dieß erhabene Schauſpiel nur denjenigen Mondes- bürgern, welche die vordere, gegen die Erde gewendete Hälfte des Mondes bewohnen. Die andern wiſſen nichts davon, da ſie (I. S. 326) ewig von der Erde abgewendet ſind und ſie daher nie ſehen können. Sie haben daher auch wohl keine Ahnung von den herrlichen Erſcheinungen, welche ihre Nachbarn auf der andern Hälfte ihrer Erde täglich und ſtündlich genießen, wenn ſie nicht zuweilen von Reiſenden, die aus jenen Gegenden zu ihnen kommen, davon Nachricht erhalten. Mit welchem Erſtaunen mögen ſie die Erzählungen derſelben anhören und mit welcher Andacht werden ſie vielleicht in ganzen Karavanen ihre Wallfahrten nach dem glücklichen Orte anſtellen, wo ihnen der Anblick dieſer Wunder des Himmels gegönnt iſt. Diejenigen Seleniten, welche nahe an dem Rande der uns ſichtbaren Scheibe wohnen, können dieſe Reiſe in kurzer Zeit vollenden und die Genüſſe, die ſie erwarten, mögen die unſerer ſogenannten Reiſen um die Welt weit übertreffen. Uebrigens haben dieſe glücklichen Bewohner der Vorderſeite des Mondes noch einen andern nicht geringen Vortheil vor ihren Nachbarn auf der andern Seite voraus, und es ſcheint dort oben wie hier unten zu gehen, daß dem, der einmal im Vortheile iſt, das Glück von allen Seiten zuzuſtrömen pflegt. Wir haben

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/195>, abgerufen am 24.04.2024.