Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Uranus.
Zeitungen lesen sie und überhaupt gar keine Bücher, weil sie vor
lauter Liebeleien nicht dazu kommen können, ausgenommen den
weinerlichen Siegward und die jämmerliche Palmela, die aber dort
in allen Sprachen übersetzt und schon, so lang sie auch sind, von
den kleinsten Kindern in den Schulen auswendig hergesagt werden
müssen. Und dabei ist dieses verliebte Völkchen das häßlichste von
der Welt, schwarz, von der Sonne halb zu Kohlen verbrannt, aber
dabei doch immer lustig und munter. Nirgends soll es mehr
Dichter oder wenigstens Versemacher geben, und der Musik, der
Tänze und Festgelage soll dort gar kein Ende seyn, und kurz,
wenn sie, wie übrigens alle Bewohner heißer Gegenden, nicht gar
so mäßig lebten, denn sie sollen beinahe nichts essen und bloß von
der Luft leben, so würde man das bekannte schöne Dystichon un-
seres Schiller, womit er eine große Haupt- und Residenz-Stadt
des ehemaligen h. römischen Reichs so treffend geschildert hat,
ohne alle Umänderung auf sie anwenden können.

Von dem Planeten Mars, sagt unser Verfasser weiter, weiß
ich gar nichts Merkwürdiges anzuführen, daher er es auch nicht
verdient, daß wir uns weiter bei ihm aufhalten.

Bald sollte man es mit Jupiter eben so machen, obschon er
der größte unter allen Planeten ist. Warum nämlich sollten wir
uns so sehr um ihn bekümmern, da er sich doch um uns so wenig
annimmt, daß er wahrscheinlich nicht einmal von unserer Existenz
etwas weiß. Unsere Erde erscheint ihm als eine 144 mal kleinere
Scheibe, als er uns erscheint, und wenn daher die Leute dort keine
Fernröhre oder keine Adleraugen haben, so können sie uns mit
aller Anstrengung nicht einmal sehen. Und wenn ja einmal ein
glücklicher Astronom mit einem Riesenrefractor das kleine schim-
mernde Lichtpünktchen *) sieht und seine große Entdeckung in den
Journalen ankündigt -- was wird die Folge davon seyn? -- Der

*) Die Erde erscheint dem Jupiter nur unter einem Durchmesser
von 3 Secunden und immer sehr nahe bei der Sonne, von der
sie sich nie über eilf Grade entfernt, so daß sie, wenn sie ja dort
sichtbar ist, immer nur kurz vor dem Aufgange oder gleich nach
dem Untergange der Sonne an dem Horizonte des Beobachters
bemerkt werden kann.

Uranus.
Zeitungen leſen ſie und überhaupt gar keine Bücher, weil ſie vor
lauter Liebeleien nicht dazu kommen können, ausgenommen den
weinerlichen Siegward und die jämmerliche Palmela, die aber dort
in allen Sprachen überſetzt und ſchon, ſo lang ſie auch ſind, von
den kleinſten Kindern in den Schulen auswendig hergeſagt werden
müſſen. Und dabei iſt dieſes verliebte Völkchen das häßlichſte von
der Welt, ſchwarz, von der Sonne halb zu Kohlen verbrannt, aber
dabei doch immer luſtig und munter. Nirgends ſoll es mehr
Dichter oder wenigſtens Verſemacher geben, und der Muſik, der
Tänze und Feſtgelage ſoll dort gar kein Ende ſeyn, und kurz,
wenn ſie, wie übrigens alle Bewohner heißer Gegenden, nicht gar
ſo mäßig lebten, denn ſie ſollen beinahe nichts eſſen und bloß von
der Luft leben, ſo würde man das bekannte ſchöne Dyſtichon un-
ſeres Schiller, womit er eine große Haupt- und Reſidenz-Stadt
des ehemaligen h. römiſchen Reichs ſo treffend geſchildert hat,
ohne alle Umänderung auf ſie anwenden können.

Von dem Planeten Mars, ſagt unſer Verfaſſer weiter, weiß
ich gar nichts Merkwürdiges anzuführen, daher er es auch nicht
verdient, daß wir uns weiter bei ihm aufhalten.

Bald ſollte man es mit Jupiter eben ſo machen, obſchon er
der größte unter allen Planeten iſt. Warum nämlich ſollten wir
uns ſo ſehr um ihn bekümmern, da er ſich doch um uns ſo wenig
annimmt, daß er wahrſcheinlich nicht einmal von unſerer Exiſtenz
etwas weiß. Unſere Erde erſcheint ihm als eine 144 mal kleinere
Scheibe, als er uns erſcheint, und wenn daher die Leute dort keine
Fernröhre oder keine Adleraugen haben, ſo können ſie uns mit
aller Anſtrengung nicht einmal ſehen. Und wenn ja einmal ein
glücklicher Aſtronom mit einem Rieſenrefractor das kleine ſchim-
mernde Lichtpünktchen *) ſieht und ſeine große Entdeckung in den
Journalen ankündigt — was wird die Folge davon ſeyn? — Der

*) Die Erde erſcheint dem Jupiter nur unter einem Durchmeſſer
von 3 Secunden und immer ſehr nahe bei der Sonne, von der
ſie ſich nie über eilf Grade entfernt, ſo daß ſie, wenn ſie ja dort
ſichtbar iſt, immer nur kurz vor dem Aufgange oder gleich nach
dem Untergange der Sonne an dem Horizonte des Beobachters
bemerkt werden kann.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0179" n="169"/><fw place="top" type="header">Uranus.</fw><lb/>
Zeitungen le&#x017F;en &#x017F;ie und überhaupt gar keine Bücher, weil &#x017F;ie vor<lb/>
lauter Liebeleien nicht dazu kommen können, ausgenommen den<lb/>
weinerlichen Siegward und die jämmerliche Palmela, die aber dort<lb/>
in allen Sprachen über&#x017F;etzt und &#x017F;chon, &#x017F;o lang &#x017F;ie auch &#x017F;ind, von<lb/>
den klein&#x017F;ten Kindern in den Schulen auswendig herge&#x017F;agt werden<lb/>&#x017F;&#x017F;en. Und dabei i&#x017F;t die&#x017F;es verliebte Völkchen das häßlich&#x017F;te von<lb/>
der Welt, &#x017F;chwarz, von der Sonne halb zu Kohlen verbrannt, aber<lb/>
dabei doch immer lu&#x017F;tig und munter. Nirgends &#x017F;oll es mehr<lb/>
Dichter oder wenig&#x017F;tens Ver&#x017F;emacher geben, und der Mu&#x017F;ik, der<lb/>
Tänze und Fe&#x017F;tgelage &#x017F;oll dort gar kein Ende &#x017F;eyn, und kurz,<lb/>
wenn &#x017F;ie, wie übrigens alle Bewohner heißer Gegenden, nicht gar<lb/>
&#x017F;o mäßig lebten, denn &#x017F;ie &#x017F;ollen beinahe nichts e&#x017F;&#x017F;en und bloß von<lb/>
der Luft leben, &#x017F;o würde man das bekannte &#x017F;chöne Dy&#x017F;tichon un-<lb/>
&#x017F;eres Schiller, womit er eine große Haupt- und Re&#x017F;idenz-Stadt<lb/>
des ehemaligen h. römi&#x017F;chen Reichs &#x017F;o treffend ge&#x017F;childert hat,<lb/>
ohne alle Umänderung auf &#x017F;ie anwenden können.</p><lb/>
            <p>Von dem Planeten <hi rendition="#g">Mars</hi>, &#x017F;agt un&#x017F;er Verfa&#x017F;&#x017F;er weiter, weiß<lb/>
ich gar nichts Merkwürdiges anzuführen, daher er es auch nicht<lb/>
verdient, daß wir uns weiter bei ihm aufhalten.</p><lb/>
            <p>Bald &#x017F;ollte man es mit <hi rendition="#g">Jupiter</hi> eben &#x017F;o machen, ob&#x017F;chon er<lb/>
der größte unter allen Planeten i&#x017F;t. Warum nämlich &#x017F;ollten wir<lb/>
uns &#x017F;o &#x017F;ehr um ihn bekümmern, da er &#x017F;ich doch um uns &#x017F;o wenig<lb/>
annimmt, daß er wahr&#x017F;cheinlich nicht einmal von un&#x017F;erer Exi&#x017F;tenz<lb/>
etwas weiß. Un&#x017F;ere Erde er&#x017F;cheint ihm als eine 144 mal kleinere<lb/>
Scheibe, als er uns er&#x017F;cheint, und wenn daher die Leute dort keine<lb/>
Fernröhre oder keine Adleraugen haben, &#x017F;o können &#x017F;ie uns mit<lb/>
aller An&#x017F;trengung nicht einmal &#x017F;ehen. Und wenn ja einmal ein<lb/>
glücklicher A&#x017F;tronom mit einem Rie&#x017F;enrefractor das kleine &#x017F;chim-<lb/>
mernde Lichtpünktchen <note place="foot" n="*)">Die Erde er&#x017F;cheint dem Jupiter nur unter einem Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
von 3 Secunden und immer &#x017F;ehr nahe bei der Sonne, von der<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nie über eilf Grade entfernt, &#x017F;o daß &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie ja dort<lb/>
&#x017F;ichtbar i&#x017F;t, immer nur kurz vor dem Aufgange oder gleich nach<lb/>
dem Untergange der Sonne an dem Horizonte des Beobachters<lb/>
bemerkt werden kann.</note> &#x017F;ieht und &#x017F;eine große Entdeckung in den<lb/>
Journalen ankündigt &#x2014; was wird die Folge davon &#x017F;eyn? &#x2014; Der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0179] Uranus. Zeitungen leſen ſie und überhaupt gar keine Bücher, weil ſie vor lauter Liebeleien nicht dazu kommen können, ausgenommen den weinerlichen Siegward und die jämmerliche Palmela, die aber dort in allen Sprachen überſetzt und ſchon, ſo lang ſie auch ſind, von den kleinſten Kindern in den Schulen auswendig hergeſagt werden müſſen. Und dabei iſt dieſes verliebte Völkchen das häßlichſte von der Welt, ſchwarz, von der Sonne halb zu Kohlen verbrannt, aber dabei doch immer luſtig und munter. Nirgends ſoll es mehr Dichter oder wenigſtens Verſemacher geben, und der Muſik, der Tänze und Feſtgelage ſoll dort gar kein Ende ſeyn, und kurz, wenn ſie, wie übrigens alle Bewohner heißer Gegenden, nicht gar ſo mäßig lebten, denn ſie ſollen beinahe nichts eſſen und bloß von der Luft leben, ſo würde man das bekannte ſchöne Dyſtichon un- ſeres Schiller, womit er eine große Haupt- und Reſidenz-Stadt des ehemaligen h. römiſchen Reichs ſo treffend geſchildert hat, ohne alle Umänderung auf ſie anwenden können. Von dem Planeten Mars, ſagt unſer Verfaſſer weiter, weiß ich gar nichts Merkwürdiges anzuführen, daher er es auch nicht verdient, daß wir uns weiter bei ihm aufhalten. Bald ſollte man es mit Jupiter eben ſo machen, obſchon er der größte unter allen Planeten iſt. Warum nämlich ſollten wir uns ſo ſehr um ihn bekümmern, da er ſich doch um uns ſo wenig annimmt, daß er wahrſcheinlich nicht einmal von unſerer Exiſtenz etwas weiß. Unſere Erde erſcheint ihm als eine 144 mal kleinere Scheibe, als er uns erſcheint, und wenn daher die Leute dort keine Fernröhre oder keine Adleraugen haben, ſo können ſie uns mit aller Anſtrengung nicht einmal ſehen. Und wenn ja einmal ein glücklicher Aſtronom mit einem Rieſenrefractor das kleine ſchim- mernde Lichtpünktchen *) ſieht und ſeine große Entdeckung in den Journalen ankündigt — was wird die Folge davon ſeyn? — Der *) Die Erde erſcheint dem Jupiter nur unter einem Durchmeſſer von 3 Secunden und immer ſehr nahe bei der Sonne, von der ſie ſich nie über eilf Grade entfernt, ſo daß ſie, wenn ſie ja dort ſichtbar iſt, immer nur kurz vor dem Aufgange oder gleich nach dem Untergange der Sonne an dem Horizonte des Beobachters bemerkt werden kann.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/179
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/179>, abgerufen am 20.04.2024.