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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Saturn und sein Ring.
bessern Astronomen erkannten sofort die Wahrheit, wie sie ihnen
von Huygens gezeigt wurde und reihten sich auf seine Seite, und
in unsern Tagen giebt es vollends keinen Menschen mehr, der
daran zweifeln könnte, wenn er auch nur mit einem Blicke durch
unsere besseren Fernröhre den Gegenstand selbst gesehen hat. Statt
dieser Obtrectatoren, die ihre Rolle bald ausgespielt hatten, kam
ein anderes Heer von nicht viel besseren Speculanten, die man
auch hinter jeder neuen und wichtigen Erscheinung herlaufen sieht,
jene Theoretiker, wie sie sich selbst so gerne nennen, die selbst
keine Entdeckungen machen, aber dafür die der andern berichtigen
und erklären und dadurch, wie sie in ihrer Bescheidenheit wähnen,
dem Ganzen erst die Krone aufsetzen und bei der ganzen Sache
sich selbst das Hauptverdienst sichern. Es entstand nämlich die Frage,
woher dieser Ring komme und wie er entstanden seyn könne?
Da fehlte es denn nicht an Erklärungen aller Art. Der eine,
Roberval, sonst ein sehr schätzbarer Geometer, behauptet, daß die-
ser Ring blos durch die Dünste gebildet werde, die sich von der
Oberfläche des Saturn erheben; der andere hielt ihn für die ei-
gentliche Atmosphäre dieses Planeten; ein Dritter sagte, dieser
Ring sey blos der Ueberrest einer großen Kugel, die bis auf ih-
ren Aequator zusammen geschmolzen sey, und Maupertuis endlich
ließ ihn aus einem Kometenschweife entstehen, der sich um die
Kugel des Saturn herum geschwungen habe und an ihm hängen
geblieben sey.

Die besseren Astronomen, die eigentlichen Naturforscher, be-
mühten sich, die von Huygens gemachte Entdeckung zu verfolgen
und in ihren einzelnen Theilen, durch ihre eigenen Beobachtungen,
immer mehr zu vervollkommnen. Schon i. J. 1715 bemerkte Cas-
sini, daß dieser Ring eigentlich ein doppelter, mit sich und dem
Saturn concentrischer Ring sey, und daß der äußere, schmälere,
mit dem andern in derselben Ebene liegende Ring von ihm durch
einen Zwischenraum getrennt ist, den er gleich einem dunkeln
Bande auf der breiten Fläche des ganzen Ringes bemerkte. Short,
Hadley und andere, welche diese Trennung der Ringe durch ihre
Beobachtungen bestätigten, bemerkten noch, daß der innere Ring
heller sey, als der äußere und daß jener wohl noch aus mehreren

Saturn und ſein Ring.
beſſern Aſtronomen erkannten ſofort die Wahrheit, wie ſie ihnen
von Huygens gezeigt wurde und reihten ſich auf ſeine Seite, und
in unſern Tagen giebt es vollends keinen Menſchen mehr, der
daran zweifeln könnte, wenn er auch nur mit einem Blicke durch
unſere beſſeren Fernröhre den Gegenſtand ſelbſt geſehen hat. Statt
dieſer Obtrectatoren, die ihre Rolle bald ausgeſpielt hatten, kam
ein anderes Heer von nicht viel beſſeren Speculanten, die man
auch hinter jeder neuen und wichtigen Erſcheinung herlaufen ſieht,
jene Theoretiker, wie ſie ſich ſelbſt ſo gerne nennen, die ſelbſt
keine Entdeckungen machen, aber dafür die der andern berichtigen
und erklären und dadurch, wie ſie in ihrer Beſcheidenheit wähnen,
dem Ganzen erſt die Krone aufſetzen und bei der ganzen Sache
ſich ſelbſt das Hauptverdienſt ſichern. Es entſtand nämlich die Frage,
woher dieſer Ring komme und wie er entſtanden ſeyn könne?
Da fehlte es denn nicht an Erklärungen aller Art. Der eine,
Roberval, ſonſt ein ſehr ſchätzbarer Geometer, behauptet, daß die-
ſer Ring blos durch die Dünſte gebildet werde, die ſich von der
Oberfläche des Saturn erheben; der andere hielt ihn für die ei-
gentliche Atmoſphäre dieſes Planeten; ein Dritter ſagte, dieſer
Ring ſey blos der Ueberreſt einer großen Kugel, die bis auf ih-
ren Aequator zuſammen geſchmolzen ſey, und Maupertuis endlich
ließ ihn aus einem Kometenſchweife entſtehen, der ſich um die
Kugel des Saturn herum geſchwungen habe und an ihm hängen
geblieben ſey.

Die beſſeren Aſtronomen, die eigentlichen Naturforſcher, be-
mühten ſich, die von Huygens gemachte Entdeckung zu verfolgen
und in ihren einzelnen Theilen, durch ihre eigenen Beobachtungen,
immer mehr zu vervollkommnen. Schon i. J. 1715 bemerkte Caſ-
ſini, daß dieſer Ring eigentlich ein doppelter, mit ſich und dem
Saturn concentriſcher Ring ſey, und daß der äußere, ſchmälere,
mit dem andern in derſelben Ebene liegende Ring von ihm durch
einen Zwiſchenraum getrennt iſt, den er gleich einem dunkeln
Bande auf der breiten Fläche des ganzen Ringes bemerkte. Short,
Hadley und andere, welche dieſe Trennung der Ringe durch ihre
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[141/0151] Saturn und ſein Ring. beſſern Aſtronomen erkannten ſofort die Wahrheit, wie ſie ihnen von Huygens gezeigt wurde und reihten ſich auf ſeine Seite, und in unſern Tagen giebt es vollends keinen Menſchen mehr, der daran zweifeln könnte, wenn er auch nur mit einem Blicke durch unſere beſſeren Fernröhre den Gegenſtand ſelbſt geſehen hat. Statt dieſer Obtrectatoren, die ihre Rolle bald ausgeſpielt hatten, kam ein anderes Heer von nicht viel beſſeren Speculanten, die man auch hinter jeder neuen und wichtigen Erſcheinung herlaufen ſieht, jene Theoretiker, wie ſie ſich ſelbſt ſo gerne nennen, die ſelbſt keine Entdeckungen machen, aber dafür die der andern berichtigen und erklären und dadurch, wie ſie in ihrer Beſcheidenheit wähnen, dem Ganzen erſt die Krone aufſetzen und bei der ganzen Sache ſich ſelbſt das Hauptverdienſt ſichern. Es entſtand nämlich die Frage, woher dieſer Ring komme und wie er entſtanden ſeyn könne? Da fehlte es denn nicht an Erklärungen aller Art. Der eine, Roberval, ſonſt ein ſehr ſchätzbarer Geometer, behauptet, daß die- ſer Ring blos durch die Dünſte gebildet werde, die ſich von der Oberfläche des Saturn erheben; der andere hielt ihn für die ei- gentliche Atmoſphäre dieſes Planeten; ein Dritter ſagte, dieſer Ring ſey blos der Ueberreſt einer großen Kugel, die bis auf ih- ren Aequator zuſammen geſchmolzen ſey, und Maupertuis endlich ließ ihn aus einem Kometenſchweife entſtehen, der ſich um die Kugel des Saturn herum geſchwungen habe und an ihm hängen geblieben ſey. Die beſſeren Aſtronomen, die eigentlichen Naturforſcher, be- mühten ſich, die von Huygens gemachte Entdeckung zu verfolgen und in ihren einzelnen Theilen, durch ihre eigenen Beobachtungen, immer mehr zu vervollkommnen. Schon i. J. 1715 bemerkte Caſ- ſini, daß dieſer Ring eigentlich ein doppelter, mit ſich und dem Saturn concentriſcher Ring ſey, und daß der äußere, ſchmälere, mit dem andern in derſelben Ebene liegende Ring von ihm durch einen Zwiſchenraum getrennt iſt, den er gleich einem dunkeln Bande auf der breiten Fläche des ganzen Ringes bemerkte. Short, Hadley und andere, welche dieſe Trennung der Ringe durch ihre Beobachtungen beſtätigten, bemerkten noch, daß der innere Ring heller ſey, als der äußere und daß jener wohl noch aus mehreren

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/151>, abgerufen am 24.04.2024.