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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
leicht, durch Rechnung zu bestimmen, wie lang die Dauer eines
solchen Durchgangs für den Mittelpunkt der Erde seyn wird, viel
leichter in der That, als für irgend einen andern Punkt der Ober-
fläche der Erde, weil man für diesen letztern auf die Parallaxe der
Sonne und der Venus Rücksicht nehmen müßte, die hier, für den
Mittelpunkt der Erde, ganz wegfällt. Die Rechnung, von wel-
cher hier die Rede ist, wird ganz dieselbe seyn, welche man bei der
Bestimmung der Mondsfinsternisse für unsern Kalender anwendet,
und mit der Jeder bekannt ist, dem die ersten Elemente der rech-
nenden Astronomie nicht ganz fremd sind.

Das Zweite, was man wahrscheinlich schon ohnehin be-
merkt haben wird, ist, daß wir oben immer nur von der Dif-
ferenz
der Parallaxen der Venus und der Sonne gesprochen ha-
ben, da es doch anfangs hieß, daß die Venusdurchgänge die
Sonnenparallaxe selbst so genau bestimmen sollen. In der
That hat man gesehen, daß alles Vorhergehende sich nur auf die
Differenz dieser beiden Parallaxen gründet, und daß man
doch auch nur diese Differenz, keineswegs aber die beiden
Parallaxen selbst, durch jene Methode bestimmen kann.

Und so ist es auch in der That: wir erhalten durch das bis-
her erklärte Verfahren bloß die Differenz dieser zwei Parallaxen.
Allein hier kömmt uns das schon mehrmals (z. B. I. §. 58. 146
u. f.) angeführte dritte Gesetz Keplers sehr zu statten. Nach die-
sem Gesetze verhalten sich nämlich die Quadrate der Umlaufszeiten
der Planeten wie die Würfel ihrer mittleren Entfernungen von
der Sonne. Es wurde aber ebenfalls schon gesagt (I. §. 123) daß
man diese Umlaufszeiten der Planeten aus den Beobachtungen
der Alten mit der größten Schärfe bestimmen kann, und auch in
der That bestimmt hat. Also darf man auch, da uns das Kep-
ler'sche Gesetz gegeben ist, annehmen, daß wir die Verhältnisse
der Entfernungen der Planeten von der Sonne mit derselben
Schärfe kennen. Allein diese Verhältnisse der Entfernungen sind
nichts anders, als die Verhältnisse der Parallaxen, da der Sinus
der Parallaxe eines jeden Planeten gleich ist dem bekannten Halb-
messer der Erde dividirt durch die Entfernung des Planeten von der
Erde. Zur Zeit der untern Conjnnction aber, wo Venus in einer geraden

Venus.
leicht, durch Rechnung zu beſtimmen, wie lang die Dauer eines
ſolchen Durchgangs für den Mittelpunkt der Erde ſeyn wird, viel
leichter in der That, als für irgend einen andern Punkt der Ober-
fläche der Erde, weil man für dieſen letztern auf die Parallaxe der
Sonne und der Venus Rückſicht nehmen müßte, die hier, für den
Mittelpunkt der Erde, ganz wegfällt. Die Rechnung, von wel-
cher hier die Rede iſt, wird ganz dieſelbe ſeyn, welche man bei der
Beſtimmung der Mondsfinſterniſſe für unſern Kalender anwendet,
und mit der Jeder bekannt iſt, dem die erſten Elemente der rech-
nenden Aſtronomie nicht ganz fremd ſind.

Das Zweite, was man wahrſcheinlich ſchon ohnehin be-
merkt haben wird, iſt, daß wir oben immer nur von der Dif-
ferenz
der Parallaxen der Venus und der Sonne geſprochen ha-
ben, da es doch anfangs hieß, daß die Venusdurchgänge die
Sonnenparallaxe ſelbſt ſo genau beſtimmen ſollen. In der
That hat man geſehen, daß alles Vorhergehende ſich nur auf die
Differenz dieſer beiden Parallaxen gründet, und daß man
doch auch nur dieſe Differenz, keineswegs aber die beiden
Parallaxen ſelbſt, durch jene Methode beſtimmen kann.

Und ſo iſt es auch in der That: wir erhalten durch das bis-
her erklärte Verfahren bloß die Differenz dieſer zwei Parallaxen.
Allein hier kömmt uns das ſchon mehrmals (z. B. I. §. 58. 146
u. f.) angeführte dritte Geſetz Keplers ſehr zu ſtatten. Nach die-
ſem Geſetze verhalten ſich nämlich die Quadrate der Umlaufszeiten
der Planeten wie die Würfel ihrer mittleren Entfernungen von
der Sonne. Es wurde aber ebenfalls ſchon geſagt (I. §. 123) daß
man dieſe Umlaufszeiten der Planeten aus den Beobachtungen
der Alten mit der größten Schärfe beſtimmen kann, und auch in
der That beſtimmt hat. Alſo darf man auch, da uns das Kep-
ler’ſche Geſetz gegeben iſt, annehmen, daß wir die Verhältniſſe
der Entfernungen der Planeten von der Sonne mit derſelben
Schärfe kennen. Allein dieſe Verhältniſſe der Entfernungen ſind
nichts anders, als die Verhältniſſe der Parallaxen, da der Sinus
der Parallaxe eines jeden Planeten gleich iſt dem bekannten Halb-
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Erde. Zur Zeit der untern Conjnnction aber, wo Venus in einer geraden

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[98/0108] Venus. leicht, durch Rechnung zu beſtimmen, wie lang die Dauer eines ſolchen Durchgangs für den Mittelpunkt der Erde ſeyn wird, viel leichter in der That, als für irgend einen andern Punkt der Ober- fläche der Erde, weil man für dieſen letztern auf die Parallaxe der Sonne und der Venus Rückſicht nehmen müßte, die hier, für den Mittelpunkt der Erde, ganz wegfällt. Die Rechnung, von wel- cher hier die Rede iſt, wird ganz dieſelbe ſeyn, welche man bei der Beſtimmung der Mondsfinſterniſſe für unſern Kalender anwendet, und mit der Jeder bekannt iſt, dem die erſten Elemente der rech- nenden Aſtronomie nicht ganz fremd ſind. Das Zweite, was man wahrſcheinlich ſchon ohnehin be- merkt haben wird, iſt, daß wir oben immer nur von der Dif- ferenz der Parallaxen der Venus und der Sonne geſprochen ha- ben, da es doch anfangs hieß, daß die Venusdurchgänge die Sonnenparallaxe ſelbſt ſo genau beſtimmen ſollen. In der That hat man geſehen, daß alles Vorhergehende ſich nur auf die Differenz dieſer beiden Parallaxen gründet, und daß man doch auch nur dieſe Differenz, keineswegs aber die beiden Parallaxen ſelbſt, durch jene Methode beſtimmen kann. Und ſo iſt es auch in der That: wir erhalten durch das bis- her erklärte Verfahren bloß die Differenz dieſer zwei Parallaxen. Allein hier kömmt uns das ſchon mehrmals (z. B. I. §. 58. 146 u. f.) angeführte dritte Geſetz Keplers ſehr zu ſtatten. Nach die- ſem Geſetze verhalten ſich nämlich die Quadrate der Umlaufszeiten der Planeten wie die Würfel ihrer mittleren Entfernungen von der Sonne. Es wurde aber ebenfalls ſchon geſagt (I. §. 123) daß man dieſe Umlaufszeiten der Planeten aus den Beobachtungen der Alten mit der größten Schärfe beſtimmen kann, und auch in der That beſtimmt hat. Alſo darf man auch, da uns das Kep- ler’ſche Geſetz gegeben iſt, annehmen, daß wir die Verhältniſſe der Entfernungen der Planeten von der Sonne mit derſelben Schärfe kennen. Allein dieſe Verhältniſſe der Entfernungen ſind nichts anders, als die Verhältniſſe der Parallaxen, da der Sinus der Parallaxe eines jeden Planeten gleich iſt dem bekannten Halb- meſſer der Erde dividirt durch die Entfernung des Planeten von der Erde. Zur Zeit der untern Conjnnction aber, wo Venus in einer geraden

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/108>, abgerufen am 28.03.2024.