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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Venus.
stimmung der Entfernung der Sonne von der Erde? *) Und doch
ist sie eine der leichtesten, wenn man nur einige diesem Zwecke an-
gemessene Beobachtungen vorausschickt; wie ich sogleich näher zei-
gen werde."

"Vor vierzig Jahren (im J. 1677) war ich auf der Insel
St. Helena, um daselbst die Sterne des südlichen Himmels zu
beobachten. Zufällig ereignete sich in dieser Zeit ein Durchgang
des Merkurs vor der Sonnenscheibe. Indem ich ihn mit einem
guten Fernrohre beobachtete, bemerkte ich bald, daß sich diese
Beobachtungen mit einer ganz besonderen Schärfe ausführen las-
sen. Dabei fiel mir ein, daß sich durch diese Beobachtungen wohl
die Parallaxe des Merkur gut bestimmen lassen würde, die be-
trächtlich größer seyn muß, als die der Sonne, da Merkur in
seiner unteren Conjunction der Erde so viel näher steht. Aber ich
sah auch bald, daß die Differenz der Parallaxe Merkurs und der
Sonne kleiner ist, als die Parallaxe der Sonne, und daß daher
auf diesem Wege nicht viel Gutes zu erwarten seyn wird." **)

"Aber bei der Venus, fiel mir ein, ist dies Verhältniß viel
günstiger, da ihre Parallaxe viel größer ist, als die des Merkur,
und da man sie also auch von verschiedenen Punkten der Erde
an verschiedenen Stellen der Sonnenscheibe sehen muß. Sollte
sich aber nicht aus eben dieser Verschiedenheit der Stellen die
Sonnenparallaxe selbst, durch die sie doch verursacht werden, wie-
der rückwärts finden lassen?"

"Diese Beobachtungen bedürfen, wie man von selbst sieht,
keiner besonders kostbaren Instrumente. Ein gutes Fernrohr und
eine gute Uhr, weiter braucht es nichts. Die geographische Breite

*) Wohl dürfte man in Beziehung auf diese Frage von Halley
noch mit Plinius sagen: Incomperta haec et inextricabilia, nec
ut mensura, id enim velle pene dementis est, sed ut tantum
aestimatio conjectandi constet animo (H. N. II. Cap. 23).
**) Die Parallaxe Merkurs ist bei seinen untern Conjunctionen 17"
und die Parallaxe der Sonne setzte Halley noch gleich 12" vor-
aus. Die Differenz beyder ist 5", also mehr als die Hälfte
kleiner als die angenommene Sonnenparallaxe. Bei der Venus
aber nahm er die Parallaxe 43" und 43 weniger 12, oder 31"
ist nahe dreimal größer als jene Sonnenparallaxe.

Venus.
ſtimmung der Entfernung der Sonne von der Erde? *) Und doch
iſt ſie eine der leichteſten, wenn man nur einige dieſem Zwecke an-
gemeſſene Beobachtungen vorausſchickt; wie ich ſogleich näher zei-
gen werde.“

„Vor vierzig Jahren (im J. 1677) war ich auf der Inſel
St. Helena, um daſelbſt die Sterne des ſüdlichen Himmels zu
beobachten. Zufällig ereignete ſich in dieſer Zeit ein Durchgang
des Merkurs vor der Sonnenſcheibe. Indem ich ihn mit einem
guten Fernrohre beobachtete, bemerkte ich bald, daß ſich dieſe
Beobachtungen mit einer ganz beſonderen Schärfe ausführen laſ-
ſen. Dabei fiel mir ein, daß ſich durch dieſe Beobachtungen wohl
die Parallaxe des Merkur gut beſtimmen laſſen würde, die be-
trächtlich größer ſeyn muß, als die der Sonne, da Merkur in
ſeiner unteren Conjunction der Erde ſo viel näher ſteht. Aber ich
ſah auch bald, daß die Differenz der Parallaxe Merkurs und der
Sonne kleiner iſt, als die Parallaxe der Sonne, und daß daher
auf dieſem Wege nicht viel Gutes zu erwarten ſeyn wird.“ **)

„Aber bei der Venus, fiel mir ein, iſt dies Verhältniß viel
günſtiger, da ihre Parallaxe viel größer iſt, als die des Merkur,
und da man ſie alſo auch von verſchiedenen Punkten der Erde
an verſchiedenen Stellen der Sonnenſcheibe ſehen muß. Sollte
ſich aber nicht aus eben dieſer Verſchiedenheit der Stellen die
Sonnenparallaxe ſelbſt, durch die ſie doch verurſacht werden, wie-
der rückwärts finden laſſen?“

„Dieſe Beobachtungen bedürfen, wie man von ſelbſt ſieht,
keiner beſonders koſtbaren Inſtrumente. Ein gutes Fernrohr und
eine gute Uhr, weiter braucht es nichts. Die geographiſche Breite

*) Wohl dürfte man in Beziehung auf dieſe Frage von Halley
noch mit Plinius ſagen: Incomperta haec et inextricabilia, nec
ut mensura, id enim velle pene dementis est, sed ut tantum
aestimatio conjectandi constet animo (H. N. II. Cap. 23).
**) Die Parallaxe Merkurs iſt bei ſeinen untern Conjunctionen 17″
und die Parallaxe der Sonne ſetzte Halley noch gleich 12″ vor-
aus. Die Differenz beyder iſt 5″, alſo mehr als die Hälfte
kleiner als die angenommene Sonnenparallaxe. Bei der Venus
aber nahm er die Parallaxe 43″ und 43 weniger 12, oder 31″
iſt nahe dreimal größer als jene Sonnenparallaxe.
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[90/0100] Venus. ſtimmung der Entfernung der Sonne von der Erde? *) Und doch iſt ſie eine der leichteſten, wenn man nur einige dieſem Zwecke an- gemeſſene Beobachtungen vorausſchickt; wie ich ſogleich näher zei- gen werde.“ „Vor vierzig Jahren (im J. 1677) war ich auf der Inſel St. Helena, um daſelbſt die Sterne des ſüdlichen Himmels zu beobachten. Zufällig ereignete ſich in dieſer Zeit ein Durchgang des Merkurs vor der Sonnenſcheibe. Indem ich ihn mit einem guten Fernrohre beobachtete, bemerkte ich bald, daß ſich dieſe Beobachtungen mit einer ganz beſonderen Schärfe ausführen laſ- ſen. Dabei fiel mir ein, daß ſich durch dieſe Beobachtungen wohl die Parallaxe des Merkur gut beſtimmen laſſen würde, die be- trächtlich größer ſeyn muß, als die der Sonne, da Merkur in ſeiner unteren Conjunction der Erde ſo viel näher ſteht. Aber ich ſah auch bald, daß die Differenz der Parallaxe Merkurs und der Sonne kleiner iſt, als die Parallaxe der Sonne, und daß daher auf dieſem Wege nicht viel Gutes zu erwarten ſeyn wird.“ **) „Aber bei der Venus, fiel mir ein, iſt dies Verhältniß viel günſtiger, da ihre Parallaxe viel größer iſt, als die des Merkur, und da man ſie alſo auch von verſchiedenen Punkten der Erde an verſchiedenen Stellen der Sonnenſcheibe ſehen muß. Sollte ſich aber nicht aus eben dieſer Verſchiedenheit der Stellen die Sonnenparallaxe ſelbſt, durch die ſie doch verurſacht werden, wie- der rückwärts finden laſſen?“ „Dieſe Beobachtungen bedürfen, wie man von ſelbſt ſieht, keiner beſonders koſtbaren Inſtrumente. Ein gutes Fernrohr und eine gute Uhr, weiter braucht es nichts. Die geographiſche Breite *) Wohl dürfte man in Beziehung auf dieſe Frage von Halley noch mit Plinius ſagen: Incomperta haec et inextricabilia, nec ut mensura, id enim velle pene dementis est, sed ut tantum aestimatio conjectandi constet animo (H. N. II. Cap. 23). **) Die Parallaxe Merkurs iſt bei ſeinen untern Conjunctionen 17″ und die Parallaxe der Sonne ſetzte Halley noch gleich 12″ vor- aus. Die Differenz beyder iſt 5″, alſo mehr als die Hälfte kleiner als die angenommene Sonnenparallaxe. Bei der Venus aber nahm er die Parallaxe 43″ und 43 weniger 12, oder 31″ iſt nahe dreimal größer als jene Sonnenparallaxe.

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/100>, abgerufen am 28.03.2024.