Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Tägliche Bewegung der Erde.
während die früher horizontale Oberfläche desselben in seiner Mitte
sich vertieft und concav wird. Eine sehr schnelle Bewegung des
Eimers um seine Schnur würde endlich alles Wasser über die
Wände des Eimers heraustreiben und denselben ganz trocken ma-
chen. Bringt man an die Stelle des Eimers eine ebene, mit
Sand bedeckte, horizontale Scheibe, die an der verticalen Schnur
befestigt ist, und dreht man die Scheibe schnell um die Schnur, so
wird der auf ihr liegende Sand sofort in Bewegung kommen, sich
immer weiter von der Schnur, d. h. vom Mittelpunkte der Scheibe,
entfernen, und endlich ganz von ihr wegfliegen. -- Wenn man
einen kreisrunden, elastischen Ring an einen Stift steckt, der in
der Ebene dieses Ringes durch den Mittelpunkt desselben geht,
und wenn man dann den Ring schnell um den Stift, als um
seine Axe, dreht, so wird der anfangs kreisförmige Ring sogleich
eine ovale oder eliptische Gestalt annehmen, indem diejenigen
Theile desselben, die am weitesten von dem Stifte abstehen, also
die schnellste Drehung erleiden, sich auch am meisten von der Dre-
hungsaxe zu entfernen streben, während die dem Stifte näheren
Theile, wegen ihrer geringeren Bewegung, auch dieses Bestreben
sich von ihm zu entfernen in einem geringeren Maße äußern, bis
endlich die beiden Pole des Ringes, durch welche die Axe geht,
und die gar keine Bewegung erleiden, auch von jener Kraft nicht
weiter afficirt werden. Wenn man endlich eine weiche Kugel von
nassem Thone auf die Töpferscheibe bringt und die Scheibe rasch
umdreht, so sinkt sofort der höchste Punkt, der eine Pol der roti-
renden Kugel näher zur Scheibe, oder zu dem Mittelpunkte der
Kugel, während die Theile derselben um den Aequator sich immer
mehr aufblähen und von dem Mittelpunkte sich entfernen, so daß
endlich die Kugel die Gestalt einer Pomeranze oder eines an sei-
nen beiden Polen eingedrückten oder abgeplatteten Körpers an-
nimmt, den man ein Sphäroid oder ein Ellipsoid zu nennen pflegt.

Ganz dasselbe wird nun auch unserer Erde widerfahren, wenn
sie sich in der That um ihre Axe dreht, wenn dabei vorausgesetzt
wird, daß die Masse, aus der sie besteht, wenigstens anfangs
flüssig, oder doch weich genug war, um einem größeren auf sie
geäußerten Drucke nachzugeben. Diese Voraussetzung ist aber
längst schon außer Zweifel gesetzt, und die Menge versteinerter

Tägliche Bewegung der Erde.
während die früher horizontale Oberfläche deſſelben in ſeiner Mitte
ſich vertieft und concav wird. Eine ſehr ſchnelle Bewegung des
Eimers um ſeine Schnur würde endlich alles Waſſer über die
Wände des Eimers heraustreiben und denſelben ganz trocken ma-
chen. Bringt man an die Stelle des Eimers eine ebene, mit
Sand bedeckte, horizontale Scheibe, die an der verticalen Schnur
befeſtigt iſt, und dreht man die Scheibe ſchnell um die Schnur, ſo
wird der auf ihr liegende Sand ſofort in Bewegung kommen, ſich
immer weiter von der Schnur, d. h. vom Mittelpunkte der Scheibe,
entfernen, und endlich ganz von ihr wegfliegen. — Wenn man
einen kreisrunden, elaſtiſchen Ring an einen Stift ſteckt, der in
der Ebene dieſes Ringes durch den Mittelpunkt deſſelben geht,
und wenn man dann den Ring ſchnell um den Stift, als um
ſeine Axe, dreht, ſo wird der anfangs kreisförmige Ring ſogleich
eine ovale oder eliptiſche Geſtalt annehmen, indem diejenigen
Theile deſſelben, die am weiteſten von dem Stifte abſtehen, alſo
die ſchnellſte Drehung erleiden, ſich auch am meiſten von der Dre-
hungsaxe zu entfernen ſtreben, während die dem Stifte näheren
Theile, wegen ihrer geringeren Bewegung, auch dieſes Beſtreben
ſich von ihm zu entfernen in einem geringeren Maße äußern, bis
endlich die beiden Pole des Ringes, durch welche die Axe geht,
und die gar keine Bewegung erleiden, auch von jener Kraft nicht
weiter afficirt werden. Wenn man endlich eine weiche Kugel von
naſſem Thone auf die Töpferſcheibe bringt und die Scheibe raſch
umdreht, ſo ſinkt ſofort der höchſte Punkt, der eine Pol der roti-
renden Kugel näher zur Scheibe, oder zu dem Mittelpunkte der
Kugel, während die Theile derſelben um den Aequator ſich immer
mehr aufblähen und von dem Mittelpunkte ſich entfernen, ſo daß
endlich die Kugel die Geſtalt einer Pomeranze oder eines an ſei-
nen beiden Polen eingedrückten oder abgeplatteten Körpers an-
nimmt, den man ein Sphäroid oder ein Ellipſoid zu nennen pflegt.

Ganz daſſelbe wird nun auch unſerer Erde widerfahren, wenn
ſie ſich in der That um ihre Axe dreht, wenn dabei vorausgeſetzt
wird, daß die Maſſe, aus der ſie beſteht, wenigſtens anfangs
flüſſig, oder doch weich genug war, um einem größeren auf ſie
geäußerten Drucke nachzugeben. Dieſe Vorausſetzung iſt aber
längſt ſchon außer Zweifel geſetzt, und die Menge verſteinerter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0082" n="70"/><fw place="top" type="header">Tägliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
während die früher horizontale Oberfläche de&#x017F;&#x017F;elben in &#x017F;einer Mitte<lb/>
&#x017F;ich vertieft und concav wird. Eine &#x017F;ehr &#x017F;chnelle Bewegung des<lb/>
Eimers um &#x017F;eine Schnur würde endlich alles Wa&#x017F;&#x017F;er über die<lb/>
Wände des Eimers heraustreiben und den&#x017F;elben ganz trocken ma-<lb/>
chen. Bringt man an die Stelle des Eimers eine ebene, mit<lb/>
Sand bedeckte, horizontale Scheibe, die an der verticalen Schnur<lb/>
befe&#x017F;tigt i&#x017F;t, und dreht man die Scheibe &#x017F;chnell um die Schnur, &#x017F;o<lb/>
wird der auf ihr liegende Sand &#x017F;ofort in Bewegung kommen, &#x017F;ich<lb/>
immer weiter von der Schnur, d. h. vom Mittelpunkte der Scheibe,<lb/>
entfernen, und endlich ganz von ihr wegfliegen. &#x2014; Wenn man<lb/>
einen kreisrunden, ela&#x017F;ti&#x017F;chen Ring an einen Stift &#x017F;teckt, der in<lb/>
der <hi rendition="#g">Ebene</hi> die&#x017F;es Ringes durch den Mittelpunkt de&#x017F;&#x017F;elben geht,<lb/>
und wenn man dann den Ring &#x017F;chnell um den Stift, als um<lb/>
&#x017F;eine Axe, dreht, &#x017F;o wird der anfangs kreisförmige Ring &#x017F;ogleich<lb/>
eine ovale oder elipti&#x017F;che Ge&#x017F;talt annehmen, indem diejenigen<lb/>
Theile de&#x017F;&#x017F;elben, die am weite&#x017F;ten von dem Stifte ab&#x017F;tehen, al&#x017F;o<lb/>
die &#x017F;chnell&#x017F;te Drehung erleiden, &#x017F;ich auch am mei&#x017F;ten von der Dre-<lb/>
hungsaxe zu entfernen &#x017F;treben, während die dem Stifte näheren<lb/>
Theile, wegen ihrer geringeren Bewegung, auch die&#x017F;es Be&#x017F;treben<lb/>
&#x017F;ich von ihm zu entfernen in einem geringeren Maße äußern, bis<lb/>
endlich die beiden Pole des Ringes, durch welche die Axe geht,<lb/>
und die gar keine Bewegung erleiden, auch von jener Kraft nicht<lb/>
weiter afficirt werden. Wenn man endlich eine weiche Kugel von<lb/>
na&#x017F;&#x017F;em Thone auf die Töpfer&#x017F;cheibe bringt und die Scheibe ra&#x017F;ch<lb/>
umdreht, &#x017F;o &#x017F;inkt &#x017F;ofort der höch&#x017F;te Punkt, der eine Pol der roti-<lb/>
renden Kugel näher zur Scheibe, oder zu dem Mittelpunkte der<lb/>
Kugel, während die Theile der&#x017F;elben um den Aequator &#x017F;ich immer<lb/>
mehr aufblähen und von dem Mittelpunkte &#x017F;ich entfernen, &#x017F;o daß<lb/>
endlich die Kugel die Ge&#x017F;talt einer Pomeranze oder eines an &#x017F;ei-<lb/>
nen beiden Polen eingedrückten oder abgeplatteten Körpers an-<lb/>
nimmt, den man ein Sphäroid oder ein Ellip&#x017F;oid zu nennen pflegt.</p><lb/>
          <p>Ganz da&#x017F;&#x017F;elbe wird nun auch un&#x017F;erer Erde widerfahren, wenn<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich in der That um ihre Axe dreht, wenn dabei vorausge&#x017F;etzt<lb/>
wird, daß die Ma&#x017F;&#x017F;e, aus der &#x017F;ie be&#x017F;teht, wenig&#x017F;tens anfangs<lb/>
flü&#x017F;&#x017F;ig, oder doch weich genug war, um einem größeren auf &#x017F;ie<lb/>
geäußerten Drucke nachzugeben. Die&#x017F;e Voraus&#x017F;etzung i&#x017F;t aber<lb/>
läng&#x017F;t &#x017F;chon außer Zweifel ge&#x017F;etzt, und die Menge ver&#x017F;teinerter<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0082] Tägliche Bewegung der Erde. während die früher horizontale Oberfläche deſſelben in ſeiner Mitte ſich vertieft und concav wird. Eine ſehr ſchnelle Bewegung des Eimers um ſeine Schnur würde endlich alles Waſſer über die Wände des Eimers heraustreiben und denſelben ganz trocken ma- chen. Bringt man an die Stelle des Eimers eine ebene, mit Sand bedeckte, horizontale Scheibe, die an der verticalen Schnur befeſtigt iſt, und dreht man die Scheibe ſchnell um die Schnur, ſo wird der auf ihr liegende Sand ſofort in Bewegung kommen, ſich immer weiter von der Schnur, d. h. vom Mittelpunkte der Scheibe, entfernen, und endlich ganz von ihr wegfliegen. — Wenn man einen kreisrunden, elaſtiſchen Ring an einen Stift ſteckt, der in der Ebene dieſes Ringes durch den Mittelpunkt deſſelben geht, und wenn man dann den Ring ſchnell um den Stift, als um ſeine Axe, dreht, ſo wird der anfangs kreisförmige Ring ſogleich eine ovale oder eliptiſche Geſtalt annehmen, indem diejenigen Theile deſſelben, die am weiteſten von dem Stifte abſtehen, alſo die ſchnellſte Drehung erleiden, ſich auch am meiſten von der Dre- hungsaxe zu entfernen ſtreben, während die dem Stifte näheren Theile, wegen ihrer geringeren Bewegung, auch dieſes Beſtreben ſich von ihm zu entfernen in einem geringeren Maße äußern, bis endlich die beiden Pole des Ringes, durch welche die Axe geht, und die gar keine Bewegung erleiden, auch von jener Kraft nicht weiter afficirt werden. Wenn man endlich eine weiche Kugel von naſſem Thone auf die Töpferſcheibe bringt und die Scheibe raſch umdreht, ſo ſinkt ſofort der höchſte Punkt, der eine Pol der roti- renden Kugel näher zur Scheibe, oder zu dem Mittelpunkte der Kugel, während die Theile derſelben um den Aequator ſich immer mehr aufblähen und von dem Mittelpunkte ſich entfernen, ſo daß endlich die Kugel die Geſtalt einer Pomeranze oder eines an ſei- nen beiden Polen eingedrückten oder abgeplatteten Körpers an- nimmt, den man ein Sphäroid oder ein Ellipſoid zu nennen pflegt. Ganz daſſelbe wird nun auch unſerer Erde widerfahren, wenn ſie ſich in der That um ihre Axe dreht, wenn dabei vorausgeſetzt wird, daß die Maſſe, aus der ſie beſteht, wenigſtens anfangs flüſſig, oder doch weich genug war, um einem größeren auf ſie geäußerten Drucke nachzugeben. Dieſe Vorausſetzung iſt aber längſt ſchon außer Zweifel geſetzt, und die Menge verſteinerter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/82
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/82>, abgerufen am 18.04.2024.