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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Refraction, Präcession und Nutation.
dieß gibt einen Zeitraum von 60/0,01395 oder von 4300 Jahren, so daß
also jener Tempel gegen das Jahr 2740 vor Chr. G. erbaut wor-
den wäre. Würde man aber den Anfang dieses Sternbildes für
den entscheidenden Punkt nehmen, so hätte man nur 40 Grade
für die Präcession und die Erbauung des Tempels würde in das
Jahr 1100 vor Chr. oder in die Zeit von David fallen, in wel-
cher auch der Tempel von Jerusalem erbaut worden ist. Biot,
der sich mit diesem Gegenstande sorgfältig beschäftigte, wollte mit
großer Sicherheit gefunden haben, daß die Errichtung dieses Tem-
pels in das Jahr 700 v. Chr., also kurz nach der Erbauung
Roms fällt. Fourier setzt dafür die Zeit der Errichtung des
Tempels zu Latopolis, des ältesten ägyptischen Gebäudes dieser
Art, welches uns die alles zerstörende Zeit erhalten hat, auf das
Jahr 2500 vor Chr. und Dupuis (in s. origine des cultes,
Vol. 3e.
) sogar auf das Jahr 15000 vor unserer Zeitrechnung.
Da ihm aber später dieses Alter des Tempels selbst wieder unglaub-
lich erschien, so fand er für gut, anzunehmen, daß durch diesen
Thierkreis nicht sowohl die Orte der Sonne zur Zeit der Solstitien,
als vielmehr die ihr gegenüberstehenden Punkte dargestellt werden
sollten, wodurch er jenes Alter um eine volle halbe Revolution der
Aequinoctien oder um 13000 Jahre verminderte und die Entstehung
des Tempels wieder auf das Jahr 2000 v. Chr. zurückbrachte.
Champollion endlich und Letronne, welche diesen Thierkreis
auf ganz andere und mehr kritische Weise untersuchten, kamen,
besonders durch die griechischen Inscriptionen, die sie auf jenen Tem-
peln gefunden hatten, auf das Resultat, daß diese religiösen Gebäude
erst unter der Regierung Trajans und seiner nächsten Nachfolger
erbaut worden seyn sollen. Auf ähnliche Resultate sind auch Vis-
conti und Paravey gekommen, die sich zuletzt mit diesen alten
Thierkreisen, die man in Denderah, Latopolis, Esne und auch in
Palmyra, Cathay und in mehreren Städten Indiens gefunden
hat, beschäftiget haben. Die große Verschiedenheit dieser Alters-
bestimmungen jener merkwürdigen Monumente der Vorzeit erregt
den Verdacht, daß diese Denkmäler wohl nicht der Art sind, um
aus ihnen selbst die Zeit ihrer Entstehung mit Sicherheit abzulei-
ten und daß die meisten der eben angeführten Schlüsse auf Mei-
nungen und Ansichten gebaut sind, die, bei dem Mangel aller

Refraction, Präceſſion und Nutation.
dieß gibt einen Zeitraum von 60/0,01395 oder von 4300 Jahren, ſo daß
alſo jener Tempel gegen das Jahr 2740 vor Chr. G. erbaut wor-
den wäre. Würde man aber den Anfang dieſes Sternbildes für
den entſcheidenden Punkt nehmen, ſo hätte man nur 40 Grade
für die Präceſſion und die Erbauung des Tempels würde in das
Jahr 1100 vor Chr. oder in die Zeit von David fallen, in wel-
cher auch der Tempel von Jeruſalem erbaut worden iſt. Biot,
der ſich mit dieſem Gegenſtande ſorgfältig beſchäftigte, wollte mit
großer Sicherheit gefunden haben, daß die Errichtung dieſes Tem-
pels in das Jahr 700 v. Chr., alſo kurz nach der Erbauung
Roms fällt. Fourier ſetzt dafür die Zeit der Errichtung des
Tempels zu Latopolis, des älteſten ägyptiſchen Gebäudes dieſer
Art, welches uns die alles zerſtörende Zeit erhalten hat, auf das
Jahr 2500 vor Chr. und Dupuis (in ſ. origine des cultes,
Vol. 3e.
) ſogar auf das Jahr 15000 vor unſerer Zeitrechnung.
Da ihm aber ſpäter dieſes Alter des Tempels ſelbſt wieder unglaub-
lich erſchien, ſo fand er für gut, anzunehmen, daß durch dieſen
Thierkreis nicht ſowohl die Orte der Sonne zur Zeit der Solſtitien,
als vielmehr die ihr gegenüberſtehenden Punkte dargeſtellt werden
ſollten, wodurch er jenes Alter um eine volle halbe Revolution der
Aequinoctien oder um 13000 Jahre verminderte und die Entſtehung
des Tempels wieder auf das Jahr 2000 v. Chr. zurückbrachte.
Champollion endlich und Letronne, welche dieſen Thierkreis
auf ganz andere und mehr kritiſche Weiſe unterſuchten, kamen,
beſonders durch die griechiſchen Inſcriptionen, die ſie auf jenen Tem-
peln gefunden hatten, auf das Reſultat, daß dieſe religiöſen Gebäude
erſt unter der Regierung Trajans und ſeiner nächſten Nachfolger
erbaut worden ſeyn ſollen. Auf ähnliche Reſultate ſind auch Vis-
conti und Paravey gekommen, die ſich zuletzt mit dieſen alten
Thierkreiſen, die man in Denderah, Latopolis, Esne und auch in
Palmyra, Cathay und in mehreren Städten Indiens gefunden
hat, beſchäftiget haben. Die große Verſchiedenheit dieſer Alters-
beſtimmungen jener merkwürdigen Monumente der Vorzeit erregt
den Verdacht, daß dieſe Denkmäler wohl nicht der Art ſind, um
aus ihnen ſelbſt die Zeit ihrer Entſtehung mit Sicherheit abzulei-
ten und daß die meiſten der eben angeführten Schlüſſe auf Mei-
nungen und Anſichten gebaut ſind, die, bei dem Mangel aller

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[361/0373] Refraction, Präceſſion und Nutation. dieß gibt einen Zeitraum von 60/0,01395 oder von 4300 Jahren, ſo daß alſo jener Tempel gegen das Jahr 2740 vor Chr. G. erbaut wor- den wäre. Würde man aber den Anfang dieſes Sternbildes für den entſcheidenden Punkt nehmen, ſo hätte man nur 40 Grade für die Präceſſion und die Erbauung des Tempels würde in das Jahr 1100 vor Chr. oder in die Zeit von David fallen, in wel- cher auch der Tempel von Jeruſalem erbaut worden iſt. Biot, der ſich mit dieſem Gegenſtande ſorgfältig beſchäftigte, wollte mit großer Sicherheit gefunden haben, daß die Errichtung dieſes Tem- pels in das Jahr 700 v. Chr., alſo kurz nach der Erbauung Roms fällt. Fourier ſetzt dafür die Zeit der Errichtung des Tempels zu Latopolis, des älteſten ägyptiſchen Gebäudes dieſer Art, welches uns die alles zerſtörende Zeit erhalten hat, auf das Jahr 2500 vor Chr. und Dupuis (in ſ. origine des cultes, Vol. 3e.) ſogar auf das Jahr 15000 vor unſerer Zeitrechnung. Da ihm aber ſpäter dieſes Alter des Tempels ſelbſt wieder unglaub- lich erſchien, ſo fand er für gut, anzunehmen, daß durch dieſen Thierkreis nicht ſowohl die Orte der Sonne zur Zeit der Solſtitien, als vielmehr die ihr gegenüberſtehenden Punkte dargeſtellt werden ſollten, wodurch er jenes Alter um eine volle halbe Revolution der Aequinoctien oder um 13000 Jahre verminderte und die Entſtehung des Tempels wieder auf das Jahr 2000 v. Chr. zurückbrachte. Champollion endlich und Letronne, welche dieſen Thierkreis auf ganz andere und mehr kritiſche Weiſe unterſuchten, kamen, beſonders durch die griechiſchen Inſcriptionen, die ſie auf jenen Tem- peln gefunden hatten, auf das Reſultat, daß dieſe religiöſen Gebäude erſt unter der Regierung Trajans und ſeiner nächſten Nachfolger erbaut worden ſeyn ſollen. Auf ähnliche Reſultate ſind auch Vis- conti und Paravey gekommen, die ſich zuletzt mit dieſen alten Thierkreiſen, die man in Denderah, Latopolis, Esne und auch in Palmyra, Cathay und in mehreren Städten Indiens gefunden hat, beſchäftiget haben. Die große Verſchiedenheit dieſer Alters- beſtimmungen jener merkwürdigen Monumente der Vorzeit erregt den Verdacht, daß dieſe Denkmäler wohl nicht der Art ſind, um aus ihnen ſelbſt die Zeit ihrer Entſtehung mit Sicherheit abzulei- ten und daß die meiſten der eben angeführten Schlüſſe auf Mei- nungen und Anſichten gebaut ſind, die, bei dem Mangel aller

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/373>, abgerufen am 29.03.2024.