Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.Refraction, Präcession und Nutation. mitgetheilt werden können. Wir werden in der Folge wieder aufdiese Erscheinungen zurückkommen und die Quellen aufsuchen, aus welchen sie entspringen. Hier bemerken wir nur noch, daß wir von der Größe der Präcession schon oben (§. 116 und 123) bei Bestimmung der tropischen Umlaufszeiten der Erde und der Pla- neten Gebrauch gemacht haben. §. 194. (Anwendung der Präcession auf chronologische Unter- Ptolemäus erzählt uns in seinem Almagest, daß Eudox, ein Refraction, Präceſſion und Nutation. mitgetheilt werden können. Wir werden in der Folge wieder aufdieſe Erſcheinungen zurückkommen und die Quellen aufſuchen, aus welchen ſie entſpringen. Hier bemerken wir nur noch, daß wir von der Größe der Präceſſion ſchon oben (§. 116 und 123) bei Beſtimmung der tropiſchen Umlaufszeiten der Erde und der Pla- neten Gebrauch gemacht haben. §. 194. (Anwendung der Präceſſion auf chronologiſche Unter- Ptolemäus erzählt uns in ſeinem Almageſt, daß Eudox, ein <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0371" n="359"/><fw place="top" type="header">Refraction, Präceſſion und Nutation.</fw><lb/> mitgetheilt werden können. Wir werden in der Folge wieder auf<lb/> dieſe Erſcheinungen zurückkommen und die Quellen aufſuchen, aus<lb/> welchen ſie entſpringen. Hier bemerken wir nur noch, daß wir<lb/> von der Größe der Präceſſion ſchon oben (§. 116 und 123) bei<lb/> Beſtimmung der tropiſchen Umlaufszeiten der Erde und der Pla-<lb/> neten Gebrauch gemacht haben.</p><lb/> <p>§. 194. (Anwendung der Präceſſion auf chronologiſche Unter-<lb/> ſuchungen.) Wir haben bereits erwähnt, daß ältere Nachrichten<lb/> von dem Zuſtande des Himmels uns über die Zeit, welcher dieſe<lb/> Nachrichten angehören, belehren können. Es wird nicht unange-<lb/> meſſen ſeyn, einige Beiſpiele davon anzuführen.</p><lb/> <p>Ptolemäus erzählt uns in ſeinem Almageſt, daß Eudox, ein<lb/> Zeitgenoſſe Plato’s, einen der größeren Fixſterne ſehr nahe bei<lb/> dem Pole des Aequators geſehen habe. Da Plato nahe 350 Jahre<lb/> vor Chr. lebte, ſo kann dieß, wie aus dem Vorhergehenden folgt,<lb/> nicht unſer gegenwärtiger Polarſtern oder α im kleinen Bären<lb/> geweſen ſeyn, der damals noch ſehr weit von dem Pole entfernt<lb/> war. Betrachtet man den oben erwähnten, von dem Pole des<lb/> Aequators vermöge der Präceſſion beſchriebenen Kreis etwas ge-<lb/> nauer, ſo findet man nur einen einzigen Fixſtern in jener Gegend<lb/> des Himmels, der von bedeutender Größe iſt und in der Vorzeit<lb/> nahe genug bei dem Pole geweſen ſeyn kann. Es iſt dieß <hi rendition="#aq">H</hi> im<lb/> Drachen, deſſen Rectaſcenſion im Anfange des gegenwärtigen Jahr-<lb/> hunderts 186″,<hi rendition="#sub">2</hi> und deſſen Declination 70°,<hi rendition="#sub">9</hi> iſt. Daraus findet<lb/> man die Länge deſſelben für unſere Zeit gleich 133°,<hi rendition="#sub">43</hi>. Wenn<lb/> nun dieſer Stern in der That zu jener Zeit ſehr nahe bei dem<lb/> Pole des Aequators war, ſo muß ſeine Länge nahe gleich 90°<lb/> geweſen ſeyn. Die Differenz dieſer Länge von 43,<hi rendition="#sub">43</hi> Graden wird<lb/> aber von der Präceſſion, die jährlich nur 0°,<hi rendition="#sub">013947</hi> beträgt, in<lb/> 3110 Jahren zurückgelegt, ſo daß alſo dieſer Stern um das Jahr 1310<lb/> vor Chr. dem Pole am nächſten geweſen ſeyn muß. Da aber dieſe<lb/> Epoche gegen 1000 Jahre vor Plato’s Zeit fällt, ſo hat Eudox in<lb/> jener Nachricht nicht den Zuſtand des Himmels beſchrieben, wie<lb/> er zu ſeiner Zeit war, für welche jener Stern ſchon weit von dem<lb/> Pole entfernt ſeyn müßte, ſondern er hat uns vielleicht nur eine<lb/> nahe tauſend Jahre ältere Sage erzählt, die er von den Aegyp-<lb/> tiern oder Chaldäern erhalten haben mag.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [359/0371]
Refraction, Präceſſion und Nutation.
mitgetheilt werden können. Wir werden in der Folge wieder auf
dieſe Erſcheinungen zurückkommen und die Quellen aufſuchen, aus
welchen ſie entſpringen. Hier bemerken wir nur noch, daß wir
von der Größe der Präceſſion ſchon oben (§. 116 und 123) bei
Beſtimmung der tropiſchen Umlaufszeiten der Erde und der Pla-
neten Gebrauch gemacht haben.
§. 194. (Anwendung der Präceſſion auf chronologiſche Unter-
ſuchungen.) Wir haben bereits erwähnt, daß ältere Nachrichten
von dem Zuſtande des Himmels uns über die Zeit, welcher dieſe
Nachrichten angehören, belehren können. Es wird nicht unange-
meſſen ſeyn, einige Beiſpiele davon anzuführen.
Ptolemäus erzählt uns in ſeinem Almageſt, daß Eudox, ein
Zeitgenoſſe Plato’s, einen der größeren Fixſterne ſehr nahe bei
dem Pole des Aequators geſehen habe. Da Plato nahe 350 Jahre
vor Chr. lebte, ſo kann dieß, wie aus dem Vorhergehenden folgt,
nicht unſer gegenwärtiger Polarſtern oder α im kleinen Bären
geweſen ſeyn, der damals noch ſehr weit von dem Pole entfernt
war. Betrachtet man den oben erwähnten, von dem Pole des
Aequators vermöge der Präceſſion beſchriebenen Kreis etwas ge-
nauer, ſo findet man nur einen einzigen Fixſtern in jener Gegend
des Himmels, der von bedeutender Größe iſt und in der Vorzeit
nahe genug bei dem Pole geweſen ſeyn kann. Es iſt dieß H im
Drachen, deſſen Rectaſcenſion im Anfange des gegenwärtigen Jahr-
hunderts 186″,2 und deſſen Declination 70°,9 iſt. Daraus findet
man die Länge deſſelben für unſere Zeit gleich 133°,43. Wenn
nun dieſer Stern in der That zu jener Zeit ſehr nahe bei dem
Pole des Aequators war, ſo muß ſeine Länge nahe gleich 90°
geweſen ſeyn. Die Differenz dieſer Länge von 43,43 Graden wird
aber von der Präceſſion, die jährlich nur 0°,013947 beträgt, in
3110 Jahren zurückgelegt, ſo daß alſo dieſer Stern um das Jahr 1310
vor Chr. dem Pole am nächſten geweſen ſeyn muß. Da aber dieſe
Epoche gegen 1000 Jahre vor Plato’s Zeit fällt, ſo hat Eudox in
jener Nachricht nicht den Zuſtand des Himmels beſchrieben, wie
er zu ſeiner Zeit war, für welche jener Stern ſchon weit von dem
Pole entfernt ſeyn müßte, ſondern er hat uns vielleicht nur eine
nahe tauſend Jahre ältere Sage erzählt, die er von den Aegyp-
tiern oder Chaldäern erhalten haben mag.
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