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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Der Mond d. Erde u. die Satelliten d. übrig. Planeten.
also die Erde ganz beleuchtet, während ihre der Sonne zugewen-
deten Antipoden eben Mittag haben. Im Vollmonde aber, wenn
der Mond in C ist, wendet die Erde ihre dunkle Seite dem
Monde zu, und die Bewohner des Mondes, die der Erde zu-
nächst stehen und eben Mittag haben, sehen die Erde nicht, weil
sie für sie nicht beleuchtet ist, so wie die Antipoden derselben sie
auch nicht sehen, weil sie hinter dem Monde steht, und daher
für sie durch den Mond selbst verdeckt wird. Die Mondsbewoh-
ner sehen also die Erde im Volllichte, wenn wir Neumond ha-
ben, und im Neulichte, wenn wir Vollmond haben, und eben so
seben sie die Erde im ersten oder letzten Viertel, wenn wir den
Mond im letzten oder ersten Viertel sehen. Ist nämlich der
Mond zur Zeit seines ersten Viertels in B, so sehen seine Be-
wohner von der Erde eben so die linke oder östliche Hälfte be-
leuchtet, wie wir den Mond zur Zeit des letzten Viertels sehen,
und umgekehrt.

§. 165. (Aschgraues Licht des Mondes.) Kurz vor und nach
dem Neumonde, wo der Mond, wie oben gesagt, nur als eine
feine Sichel erscheint, bemerkt man mit guten Augen, und noch
besser durch Fernröhre, auch den übrigen, dunkeln Theil des
Mondes in einem schwachen Lichte schimmern, das immer schwä-
cher wird, je näher der Mond an seine Quadraturen kömmt.
Man nennt dieses Licht das aschgraue Licht (lumiere cendree)
des Mondes. Man hat die Ursache desselben lange gesucht, bis
sie endlich Möstlin, der Lehrer Kepler's, entdeckte. Zur Zeit
des Neumonds nämlich, wenn die uns zugekehrte Seite des
Mondes in A ganz im Schatten seiner Nacht liegt, und daher
für uns unsichtbar seyn sollte, zu dieser Zeit ist zugleich die von
der Sonne beleuchtete Hälfte der Erde, nach §. 164, völlig gegen
jene dunkle Seite des Mondes gekehrt, und da, wie bereits er-
wähnt, die Erde den Mond an Oberfläche nahe dreyzehnmal
übertrifft, so wirft diese große und durchaus beleuchtete Scheibe
der Erde eine so bedeutende Masse Lichts auf die dunkle Seite
des Mondes, daß uns die letzte dadurch wieder sichtbar seyn
muß. Dieses den Mond beleuchtende Erdenlicht erhalten wir
demnach von ihm, wie man zu sagen pflegt, aus der dritten
Hand, da es, ursprünglich aus der Sonne kommend, die Erde

Der Mond d. Erde u. die Satelliten d. übrig. Planeten.
alſo die Erde ganz beleuchtet, während ihre der Sonne zugewen-
deten Antipoden eben Mittag haben. Im Vollmonde aber, wenn
der Mond in C iſt, wendet die Erde ihre dunkle Seite dem
Monde zu, und die Bewohner des Mondes, die der Erde zu-
nächſt ſtehen und eben Mittag haben, ſehen die Erde nicht, weil
ſie für ſie nicht beleuchtet iſt, ſo wie die Antipoden derſelben ſie
auch nicht ſehen, weil ſie hinter dem Monde ſteht, und daher
für ſie durch den Mond ſelbſt verdeckt wird. Die Mondsbewoh-
ner ſehen alſo die Erde im Volllichte, wenn wir Neumond ha-
ben, und im Neulichte, wenn wir Vollmond haben, und eben ſo
ſeben ſie die Erde im erſten oder letzten Viertel, wenn wir den
Mond im letzten oder erſten Viertel ſehen. Iſt nämlich der
Mond zur Zeit ſeines erſten Viertels in B, ſo ſehen ſeine Be-
wohner von der Erde eben ſo die linke oder öſtliche Hälfte be-
leuchtet, wie wir den Mond zur Zeit des letzten Viertels ſehen,
und umgekehrt.

§. 165. (Aſchgraues Licht des Mondes.) Kurz vor und nach
dem Neumonde, wo der Mond, wie oben geſagt, nur als eine
feine Sichel erſcheint, bemerkt man mit guten Augen, und noch
beſſer durch Fernröhre, auch den übrigen, dunkeln Theil des
Mondes in einem ſchwachen Lichte ſchimmern, das immer ſchwä-
cher wird, je näher der Mond an ſeine Quadraturen kömmt.
Man nennt dieſes Licht das aſchgraue Licht (lumière cendrée)
des Mondes. Man hat die Urſache deſſelben lange geſucht, bis
ſie endlich Möſtlin, der Lehrer Kepler’s, entdeckte. Zur Zeit
des Neumonds nämlich, wenn die uns zugekehrte Seite des
Mondes in A ganz im Schatten ſeiner Nacht liegt, und daher
für uns unſichtbar ſeyn ſollte, zu dieſer Zeit iſt zugleich die von
der Sonne beleuchtete Hälfte der Erde, nach §. 164, völlig gegen
jene dunkle Seite des Mondes gekehrt, und da, wie bereits er-
wähnt, die Erde den Mond an Oberfläche nahe dreyzehnmal
übertrifft, ſo wirft dieſe große und durchaus beleuchtete Scheibe
der Erde eine ſo bedeutende Maſſe Lichts auf die dunkle Seite
des Mondes, daß uns die letzte dadurch wieder ſichtbar ſeyn
muß. Dieſes den Mond beleuchtende Erdenlicht erhalten wir
demnach von ihm, wie man zu ſagen pflegt, aus der dritten
Hand, da es, urſprünglich aus der Sonne kommend, die Erde

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[325/0337] Der Mond d. Erde u. die Satelliten d. übrig. Planeten. alſo die Erde ganz beleuchtet, während ihre der Sonne zugewen- deten Antipoden eben Mittag haben. Im Vollmonde aber, wenn der Mond in C iſt, wendet die Erde ihre dunkle Seite dem Monde zu, und die Bewohner des Mondes, die der Erde zu- nächſt ſtehen und eben Mittag haben, ſehen die Erde nicht, weil ſie für ſie nicht beleuchtet iſt, ſo wie die Antipoden derſelben ſie auch nicht ſehen, weil ſie hinter dem Monde ſteht, und daher für ſie durch den Mond ſelbſt verdeckt wird. Die Mondsbewoh- ner ſehen alſo die Erde im Volllichte, wenn wir Neumond ha- ben, und im Neulichte, wenn wir Vollmond haben, und eben ſo ſeben ſie die Erde im erſten oder letzten Viertel, wenn wir den Mond im letzten oder erſten Viertel ſehen. Iſt nämlich der Mond zur Zeit ſeines erſten Viertels in B, ſo ſehen ſeine Be- wohner von der Erde eben ſo die linke oder öſtliche Hälfte be- leuchtet, wie wir den Mond zur Zeit des letzten Viertels ſehen, und umgekehrt. §. 165. (Aſchgraues Licht des Mondes.) Kurz vor und nach dem Neumonde, wo der Mond, wie oben geſagt, nur als eine feine Sichel erſcheint, bemerkt man mit guten Augen, und noch beſſer durch Fernröhre, auch den übrigen, dunkeln Theil des Mondes in einem ſchwachen Lichte ſchimmern, das immer ſchwä- cher wird, je näher der Mond an ſeine Quadraturen kömmt. Man nennt dieſes Licht das aſchgraue Licht (lumière cendrée) des Mondes. Man hat die Urſache deſſelben lange geſucht, bis ſie endlich Möſtlin, der Lehrer Kepler’s, entdeckte. Zur Zeit des Neumonds nämlich, wenn die uns zugekehrte Seite des Mondes in A ganz im Schatten ſeiner Nacht liegt, und daher für uns unſichtbar ſeyn ſollte, zu dieſer Zeit iſt zugleich die von der Sonne beleuchtete Hälfte der Erde, nach §. 164, völlig gegen jene dunkle Seite des Mondes gekehrt, und da, wie bereits er- wähnt, die Erde den Mond an Oberfläche nahe dreyzehnmal übertrifft, ſo wirft dieſe große und durchaus beleuchtete Scheibe der Erde eine ſo bedeutende Maſſe Lichts auf die dunkle Seite des Mondes, daß uns die letzte dadurch wieder ſichtbar ſeyn muß. Dieſes den Mond beleuchtende Erdenlicht erhalten wir demnach von ihm, wie man zu ſagen pflegt, aus der dritten Hand, da es, urſprünglich aus der Sonne kommend, die Erde

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/337>, abgerufen am 29.03.2024.