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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Kepler's Gesetze.
der That später sehen, daß sie alle drei nur der Ausfluß eines
einzigen, höchsten Gesetzes sind. Hier aber wird es hinreichen
zu zeigen, daß das erste dieser Gesetze nicht nur durch dieses dritte
bestätiget werde, sondern daß es zugleich durch dasselbe eine nähere
Bestimmung erhalte. Nach dem ersten Gesetze bewegen sich näm-
lich die Planeten so, daß die Flächen ihrer elliptischen Sectoren
der Zeit proportional sind, oder daß diese Fläche, dividirt durch
die auf sie verwendete Zeit, für jeden Planeten eine beständige
Größe ist. Allein diese beständige Größe ist für jeden Planeten
eine andere, und man sieht noch nicht, auf welche Weise diese
constanten Größen selbst unter einander zusammenhängen. Be-
trachtet man aber das erste und dritte Gesetz zugleich, so wird
dieser Zusammenhang sogleich klar.

Wenn man durch einen der beiden Brennpunkte S oder S'
(Fig. 22) auf der großen Axe AB der Ellipse eine senkrechte Linie
errichtet, so heißt diese Linie, so weit sie zu beiden Seiten von
der Peripherie der Ellipse begränzt ist, der Parameter der Ellipse,
und man findet leicht, daß der halbe Parameter gleich ist dem
Quadrate der halben kleinen, dividirt durch die halbe große Axe
der Ellipse. Sind nun 2a,2a' die großen, 2b,2b' die kleine Axen,
2p,2p' die Parameter und f, f' die Oberflächen von zwei Ellipsen,
zu welchen die Umlaufszeiten t und t' gehören, so hat man, nach
dem ersten Gesetze, in der einen Ellipse f = Ct und in der an-
deren f' = C't', wo C und C' die zwei erwähnten constanten
Größen bezeichnen, die für eine und dieselbe Planetenbahn immer
dieselbe bleibt, von einer Bahn zur andern aber verschieden ist,
und deren absolute Größe für jede einzelne Bahn hier eben be-
stimmt werden soll.

§. 148. (Nähere Bestimmung des ersten Gesetzes.) Nach dem
dritten Gesetze aber hat man für beide Planeten zugleich a3 t'2 =
a'3 t2
. Endlich ist, wie bereits oben (§. 139) gesagt wurde, die
Oberfläche der ersten Ellipse gleich dem Producte der Zahl 3,14159 in
das Product beider Halbaxen, oder es ist f = 3,14159 ab, und eben so
hat man auch für die zweite Ellipse f' = 3,14159 a'b', so daß
daher das erste Gesetz auch so ausgedrückt werden kann 3,14159
ab = Ct und 3,14159 a'b' = C't'. Vergleicht man aber diese
beiden Ausdrücke mit dem oben für das dritte Gesetz gegebenen

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Kepler’s Geſetze.
der That ſpäter ſehen, daß ſie alle drei nur der Ausfluß eines
einzigen, höchſten Geſetzes ſind. Hier aber wird es hinreichen
zu zeigen, daß das erſte dieſer Geſetze nicht nur durch dieſes dritte
beſtätiget werde, ſondern daß es zugleich durch daſſelbe eine nähere
Beſtimmung erhalte. Nach dem erſten Geſetze bewegen ſich näm-
lich die Planeten ſo, daß die Flächen ihrer elliptiſchen Sectoren
der Zeit proportional ſind, oder daß dieſe Fläche, dividirt durch
die auf ſie verwendete Zeit, für jeden Planeten eine beſtändige
Größe iſt. Allein dieſe beſtändige Größe iſt für jeden Planeten
eine andere, und man ſieht noch nicht, auf welche Weiſe dieſe
conſtanten Größen ſelbſt unter einander zuſammenhängen. Be-
trachtet man aber das erſte und dritte Geſetz zugleich, ſo wird
dieſer Zuſammenhang ſogleich klar.

Wenn man durch einen der beiden Brennpunkte S oder S'
(Fig. 22) auf der großen Axe AB der Ellipſe eine ſenkrechte Linie
errichtet, ſo heißt dieſe Linie, ſo weit ſie zu beiden Seiten von
der Peripherie der Ellipſe begränzt iſt, der Parameter der Ellipſe,
und man findet leicht, daß der halbe Parameter gleich iſt dem
Quadrate der halben kleinen, dividirt durch die halbe große Axe
der Ellipſe. Sind nun 2a,2a' die großen, 2b,2b' die kleine Axen,
2p,2p' die Parameter und f, f' die Oberflächen von zwei Ellipſen,
zu welchen die Umlaufszeiten t und t' gehören, ſo hat man, nach
dem erſten Geſetze, in der einen Ellipſe f = Ct und in der an-
deren f' = C't', wo C und C' die zwei erwähnten conſtanten
Größen bezeichnen, die für eine und dieſelbe Planetenbahn immer
dieſelbe bleibt, von einer Bahn zur andern aber verſchieden iſt,
und deren abſolute Größe für jede einzelne Bahn hier eben be-
ſtimmt werden ſoll.

§. 148. (Nähere Beſtimmung des erſten Geſetzes.) Nach dem
dritten Geſetze aber hat man für beide Planeten zugleich a3 t'2 =
a'3 t2
. Endlich iſt, wie bereits oben (§. 139) geſagt wurde, die
Oberfläche der erſten Ellipſe gleich dem Producte der Zahl 3,14159 in
das Product beider Halbaxen, oder es iſt f = 3,14159 ab, und eben ſo
hat man auch für die zweite Ellipſe f' = 3,14159 a'b', ſo daß
daher das erſte Geſetz auch ſo ausgedrückt werden kann 3,14159
ab = Ct und 3,14159 a'b' = C't'. Vergleicht man aber dieſe
beiden Ausdrücke mit dem oben für das dritte Geſetz gegebenen

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[291/0303] Kepler’s Geſetze. der That ſpäter ſehen, daß ſie alle drei nur der Ausfluß eines einzigen, höchſten Geſetzes ſind. Hier aber wird es hinreichen zu zeigen, daß das erſte dieſer Geſetze nicht nur durch dieſes dritte beſtätiget werde, ſondern daß es zugleich durch daſſelbe eine nähere Beſtimmung erhalte. Nach dem erſten Geſetze bewegen ſich näm- lich die Planeten ſo, daß die Flächen ihrer elliptiſchen Sectoren der Zeit proportional ſind, oder daß dieſe Fläche, dividirt durch die auf ſie verwendete Zeit, für jeden Planeten eine beſtändige Größe iſt. Allein dieſe beſtändige Größe iſt für jeden Planeten eine andere, und man ſieht noch nicht, auf welche Weiſe dieſe conſtanten Größen ſelbſt unter einander zuſammenhängen. Be- trachtet man aber das erſte und dritte Geſetz zugleich, ſo wird dieſer Zuſammenhang ſogleich klar. Wenn man durch einen der beiden Brennpunkte S oder S' (Fig. 22) auf der großen Axe AB der Ellipſe eine ſenkrechte Linie errichtet, ſo heißt dieſe Linie, ſo weit ſie zu beiden Seiten von der Peripherie der Ellipſe begränzt iſt, der Parameter der Ellipſe, und man findet leicht, daß der halbe Parameter gleich iſt dem Quadrate der halben kleinen, dividirt durch die halbe große Axe der Ellipſe. Sind nun 2a,2a' die großen, 2b,2b' die kleine Axen, 2p,2p' die Parameter und f, f' die Oberflächen von zwei Ellipſen, zu welchen die Umlaufszeiten t und t' gehören, ſo hat man, nach dem erſten Geſetze, in der einen Ellipſe f = Ct und in der an- deren f' = C't', wo C und C' die zwei erwähnten conſtanten Größen bezeichnen, die für eine und dieſelbe Planetenbahn immer dieſelbe bleibt, von einer Bahn zur andern aber verſchieden iſt, und deren abſolute Größe für jede einzelne Bahn hier eben be- ſtimmt werden ſoll. §. 148. (Nähere Beſtimmung des erſten Geſetzes.) Nach dem dritten Geſetze aber hat man für beide Planeten zugleich a3 t'2 = a'3 t2. Endlich iſt, wie bereits oben (§. 139) geſagt wurde, die Oberfläche der erſten Ellipſe gleich dem Producte der Zahl 3,14159 in das Product beider Halbaxen, oder es iſt f = 3,14159 ab, und eben ſo hat man auch für die zweite Ellipſe f' = 3,14159 a'b', ſo daß daher das erſte Geſetz auch ſo ausgedrückt werden kann 3,14159 ab = Ct und 3,14159 a'b' = C't'. Vergleicht man aber dieſe beiden Ausdrücke mit dem oben für das dritte Geſetz gegebenen 19 *

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/303>, abgerufen am 25.04.2024.