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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Planetensysteme.
suntaxis, das bei uns unter der arabischen Benennung des Al-
magests
bekannter ist. Nach ihm steht die Erde in dem Mittel-
punkte von eilf concentrischen Kreisen oder Sphären still, und die
Planeten bewegen sich in der Peripherie dieser Kreise so, daß in
dem ersten, kleinsten oder der Erde nächsten Kreise der Mond
einhergeht, während in den sechs folgenden immer weitern Kreisen
sich Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn bewegen;
Uranus und die vier neuen Planeten kannte er noch nicht, konnte
sie also auch in sein sogenanntes System nicht aufnehmen. Ueber
dem Kreise Saturns, der die siebente Sphäre bildet, nahm er
eine achte an, in welcher alle Fixsterne sich bewegen sollten. Eine
neunte und zehnte gebrauchte er, um die Phänomene der Präces-
sion, von welchen wir weiter unten sprechen werden, zu erklären,
und eine eilfte Sphäre endlich, die unter dem Namen des Pri-
mum mobile
alle andern umschloß, hatte den Auftrag erhalten,
alle zehn innere Sphären, in welchen jeder der genannten Him-
melskörper vermöge seiner ihm eigenthümlichen jährlichen Bewe-
gung gen Ost ging, gemeinschaftlich in jedem Tage von Ost nach
West um die ruhende Erde zu führen. Indem diesem allgemeinen
Impulse auch die vierte Sphäre, in welcher die Sonne sich be-
wegte, gehorchte, entstand der Tag und die Nacht, und um eben
so auch die Entstehung der Jahreszeiten nicht unerklärt zu lassen,
ertheilte er dieser Sonne in ihrer Sphäre noch eine eigene jähr-
liche, schraubenförmige Bewegung, wodurch sie sich in mannigfal-
tigen Windungen während der einen Hälfte des Jahres von dem
Aequator der Erde entfernen, und in den andern sich ihm wieder
nähern sollte.

§. 103. (Fehler dieses Systems) Diese Anordnung unserer
Sonnenwelt wird das Ptolemäische Planetensystem ge-
nannt. Es wird aber nicht angemessen seyn, dasselbe hier um-
ständlich zu erläutern, da es für jeden, der das Vorhergehende
auch nur mit einiger Aufmerksamkeit gelesen hat, seine Widerle-
gung selbst mit sich trägt. In der That lassen sich viele der oben
angeführten Erscheinungen durch dieses System nicht erklären, ja
einige stehen sogar mit demselben in geradem Widerspruche. Nach
dieser Anordnung, müßten wir die zwei untern Planeten, Merkur
und Venus, auch zuweilen der Sonne gegenüber oder mit ihr in

Littrows Himmel u. s. Wunder. I. 15

Planetenſyſteme.
συνταξις, das bei uns unter der arabiſchen Benennung des Al-
mageſts
bekannter iſt. Nach ihm ſteht die Erde in dem Mittel-
punkte von eilf concentriſchen Kreiſen oder Sphären ſtill, und die
Planeten bewegen ſich in der Peripherie dieſer Kreiſe ſo, daß in
dem erſten, kleinſten oder der Erde nächſten Kreiſe der Mond
einhergeht, während in den ſechs folgenden immer weitern Kreiſen
ſich Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn bewegen;
Uranus und die vier neuen Planeten kannte er noch nicht, konnte
ſie alſo auch in ſein ſogenanntes Syſtem nicht aufnehmen. Ueber
dem Kreiſe Saturns, der die ſiebente Sphäre bildet, nahm er
eine achte an, in welcher alle Fixſterne ſich bewegen ſollten. Eine
neunte und zehnte gebrauchte er, um die Phänomene der Präceſ-
ſion, von welchen wir weiter unten ſprechen werden, zu erklären,
und eine eilfte Sphäre endlich, die unter dem Namen des Pri-
mum mobile
alle andern umſchloß, hatte den Auftrag erhalten,
alle zehn innere Sphären, in welchen jeder der genannten Him-
melskörper vermöge ſeiner ihm eigenthümlichen jährlichen Bewe-
gung gen Oſt ging, gemeinſchaftlich in jedem Tage von Oſt nach
Weſt um die ruhende Erde zu führen. Indem dieſem allgemeinen
Impulſe auch die vierte Sphäre, in welcher die Sonne ſich be-
wegte, gehorchte, entſtand der Tag und die Nacht, und um eben
ſo auch die Entſtehung der Jahreszeiten nicht unerklärt zu laſſen,
ertheilte er dieſer Sonne in ihrer Sphäre noch eine eigene jähr-
liche, ſchraubenförmige Bewegung, wodurch ſie ſich in mannigfal-
tigen Windungen während der einen Hälfte des Jahres von dem
Aequator der Erde entfernen, und in den andern ſich ihm wieder
nähern ſollte.

§. 103. (Fehler dieſes Syſtems) Dieſe Anordnung unſerer
Sonnenwelt wird das Ptolemäiſche Planetenſyſtem ge-
nannt. Es wird aber nicht angemeſſen ſeyn, daſſelbe hier um-
ſtändlich zu erläutern, da es für jeden, der das Vorhergehende
auch nur mit einiger Aufmerkſamkeit geleſen hat, ſeine Widerle-
gung ſelbſt mit ſich trägt. In der That laſſen ſich viele der oben
angeführten Erſcheinungen durch dieſes Syſtem nicht erklären, ja
einige ſtehen ſogar mit demſelben in geradem Widerſpruche. Nach
dieſer Anordnung, müßten wir die zwei untern Planeten, Merkur
und Venus, auch zuweilen der Sonne gegenüber oder mit ihr in

Littrows Himmel u. ſ. Wunder. I. 15
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[225/0237] Planetenſyſteme. συνταξις, das bei uns unter der arabiſchen Benennung des Al- mageſts bekannter iſt. Nach ihm ſteht die Erde in dem Mittel- punkte von eilf concentriſchen Kreiſen oder Sphären ſtill, und die Planeten bewegen ſich in der Peripherie dieſer Kreiſe ſo, daß in dem erſten, kleinſten oder der Erde nächſten Kreiſe der Mond einhergeht, während in den ſechs folgenden immer weitern Kreiſen ſich Merkur, Venus, Sonne, Mars, Jupiter und Saturn bewegen; Uranus und die vier neuen Planeten kannte er noch nicht, konnte ſie alſo auch in ſein ſogenanntes Syſtem nicht aufnehmen. Ueber dem Kreiſe Saturns, der die ſiebente Sphäre bildet, nahm er eine achte an, in welcher alle Fixſterne ſich bewegen ſollten. Eine neunte und zehnte gebrauchte er, um die Phänomene der Präceſ- ſion, von welchen wir weiter unten ſprechen werden, zu erklären, und eine eilfte Sphäre endlich, die unter dem Namen des Pri- mum mobile alle andern umſchloß, hatte den Auftrag erhalten, alle zehn innere Sphären, in welchen jeder der genannten Him- melskörper vermöge ſeiner ihm eigenthümlichen jährlichen Bewe- gung gen Oſt ging, gemeinſchaftlich in jedem Tage von Oſt nach Weſt um die ruhende Erde zu führen. Indem dieſem allgemeinen Impulſe auch die vierte Sphäre, in welcher die Sonne ſich be- wegte, gehorchte, entſtand der Tag und die Nacht, und um eben ſo auch die Entſtehung der Jahreszeiten nicht unerklärt zu laſſen, ertheilte er dieſer Sonne in ihrer Sphäre noch eine eigene jähr- liche, ſchraubenförmige Bewegung, wodurch ſie ſich in mannigfal- tigen Windungen während der einen Hälfte des Jahres von dem Aequator der Erde entfernen, und in den andern ſich ihm wieder nähern ſollte. §. 103. (Fehler dieſes Syſtems) Dieſe Anordnung unſerer Sonnenwelt wird das Ptolemäiſche Planetenſyſtem ge- nannt. Es wird aber nicht angemeſſen ſeyn, daſſelbe hier um- ſtändlich zu erläutern, da es für jeden, der das Vorhergehende auch nur mit einiger Aufmerkſamkeit geleſen hat, ſeine Widerle- gung ſelbſt mit ſich trägt. In der That laſſen ſich viele der oben angeführten Erſcheinungen durch dieſes Syſtem nicht erklären, ja einige ſtehen ſogar mit demſelben in geradem Widerſpruche. Nach dieſer Anordnung, müßten wir die zwei untern Planeten, Merkur und Venus, auch zuweilen der Sonne gegenüber oder mit ihr in Littrows Himmel u. ſ. Wunder. I. 15

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/237>, abgerufen am 29.03.2024.