Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Aberration der Fixsterne.
rieben, lehrte uns die ungeheuren Distanzen der Fixsterne kennen,
die wenigstens zweimalhunderttausendmal weiter, als selbst die
Sonne, von uns entfernt sind, und sie lehrten uns endlich die
Geschwindigkeit des schnellsten Körpers der Natur, des Lichtes,
messen, und in der Aberrations-Ellipse der Fixsterne, an dem
Himmelsgewölbe, wie in einem verkleinernden Hohlspiegel die
große Bahn der Erde von nahe 130 Millionen Meilen im Um-
fange erkennen, von welchen jene kleine, mit unbewaffnetem Auge
nicht einmal sichtbare Ellipse als ein getreues Miniaturgemälde
betrachtet werden kann.

Welche Resultate, und mit welchen Mitteln wurden sie er-
halten! Welche andere Wissenschaft hat ähnliche Siege mit ähn-
lichen Waffen aufzuweisen. Wohl mag es uns gegönnt seyn, die
Astronomie als den Triumph des menschlichen Geistes, als den
Gegenstand des gerechten Stolzes des Menschen zu preisen, der
mit den Augen der Milbe jenen belebten Bläschen zusieht, von
denen Tausende einen Wassertropfen bewohnen, und die heerden-
weise durch das Oehr einer Nadel ziehen, und der dann, wenn er
von diesen Welten im Kleinen, die ihn in zahllosen Mengen nach
allen Seiten umgeben, seinen Blick aufwärts, zu den großen
Welten über ihn erhebt, mit den Augen eines Cherubs sich in
die ungemessenen Höhen des Himmels schwingt, und Räume
durchwandert, vor deren Größe selbst die kühnste Einbildungskraft
erschrocken zurückbebt. Die Leser werden, wir hoffen es auch, in
der Folge noch oft Gelegenheit haben, diese Bemerkung selbst zu
bestätigen, da wir bisher nur wenige Schritte über den Eingang
des erhabenen Tempels der Natur gemacht haben, und uns bei
weitem der größte Theil dessen, was sein Inneres birgt, noch
völlig unbekannt ist.




Littrows Himmel u. s. Wunder I. 13

Aberration der Fixſterne.
rieben, lehrte uns die ungeheuren Diſtanzen der Fixſterne kennen,
die wenigſtens zweimalhunderttauſendmal weiter, als ſelbſt die
Sonne, von uns entfernt ſind, und ſie lehrten uns endlich die
Geſchwindigkeit des ſchnellſten Körpers der Natur, des Lichtes,
meſſen, und in der Aberrations-Ellipſe der Fixſterne, an dem
Himmelsgewölbe, wie in einem verkleinernden Hohlſpiegel die
große Bahn der Erde von nahe 130 Millionen Meilen im Um-
fange erkennen, von welchen jene kleine, mit unbewaffnetem Auge
nicht einmal ſichtbare Ellipſe als ein getreues Miniaturgemälde
betrachtet werden kann.

Welche Reſultate, und mit welchen Mitteln wurden ſie er-
halten! Welche andere Wiſſenſchaft hat ähnliche Siege mit ähn-
lichen Waffen aufzuweiſen. Wohl mag es uns gegönnt ſeyn, die
Aſtronomie als den Triumph des menſchlichen Geiſtes, als den
Gegenſtand des gerechten Stolzes des Menſchen zu preiſen, der
mit den Augen der Milbe jenen belebten Bläschen zuſieht, von
denen Tauſende einen Waſſertropfen bewohnen, und die heerden-
weiſe durch das Oehr einer Nadel ziehen, und der dann, wenn er
von dieſen Welten im Kleinen, die ihn in zahlloſen Mengen nach
allen Seiten umgeben, ſeinen Blick aufwärts, zu den großen
Welten über ihn erhebt, mit den Augen eines Cherubs ſich in
die ungemeſſenen Höhen des Himmels ſchwingt, und Räume
durchwandert, vor deren Größe ſelbſt die kühnſte Einbildungskraft
erſchrocken zurückbebt. Die Leſer werden, wir hoffen es auch, in
der Folge noch oft Gelegenheit haben, dieſe Bemerkung ſelbſt zu
beſtätigen, da wir bisher nur wenige Schritte über den Eingang
des erhabenen Tempels der Natur gemacht haben, und uns bei
weitem der größte Theil deſſen, was ſein Inneres birgt, noch
völlig unbekannt iſt.




Littrows Himmel u. ſ. Wunder I. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0205" n="193"/><fw place="top" type="header">Aberration der Fix&#x017F;terne.</fw><lb/>
rieben, lehrte uns die ungeheuren Di&#x017F;tanzen der Fix&#x017F;terne kennen,<lb/>
die wenig&#x017F;tens zweimalhunderttau&#x017F;endmal weiter, als &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
Sonne, von uns entfernt &#x017F;ind, und &#x017F;ie lehrten uns endlich die<lb/>
Ge&#x017F;chwindigkeit des &#x017F;chnell&#x017F;ten Körpers der Natur, des Lichtes,<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en, und in der Aberrations-Ellip&#x017F;e der Fix&#x017F;terne, an dem<lb/>
Himmelsgewölbe, wie in einem verkleinernden Hohl&#x017F;piegel die<lb/>
große Bahn der Erde von nahe 130 Millionen Meilen im Um-<lb/>
fange erkennen, von welchen jene kleine, mit unbewaffnetem Auge<lb/>
nicht einmal &#x017F;ichtbare Ellip&#x017F;e als ein getreues Miniaturgemälde<lb/>
betrachtet werden kann.</p><lb/>
          <p>Welche Re&#x017F;ultate, und mit welchen Mitteln wurden &#x017F;ie er-<lb/>
halten! Welche andere Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft hat ähnliche Siege mit ähn-<lb/>
lichen Waffen aufzuwei&#x017F;en. Wohl mag es uns gegönnt &#x017F;eyn, die<lb/>
A&#x017F;tronomie als den Triumph des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes, als den<lb/>
Gegen&#x017F;tand des gerechten Stolzes des Men&#x017F;chen zu prei&#x017F;en, der<lb/>
mit den Augen der Milbe jenen belebten Bläschen zu&#x017F;ieht, von<lb/>
denen Tau&#x017F;ende einen Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen bewohnen, und die heerden-<lb/>
wei&#x017F;e durch das Oehr einer Nadel ziehen, und der dann, wenn er<lb/>
von die&#x017F;en Welten im Kleinen, die ihn in zahllo&#x017F;en Mengen nach<lb/>
allen Seiten umgeben, &#x017F;einen Blick aufwärts, zu den großen<lb/>
Welten über ihn erhebt, mit den Augen eines Cherubs &#x017F;ich in<lb/>
die ungeme&#x017F;&#x017F;enen Höhen des Himmels &#x017F;chwingt, und Räume<lb/>
durchwandert, vor deren Größe &#x017F;elb&#x017F;t die kühn&#x017F;te Einbildungskraft<lb/>
er&#x017F;chrocken zurückbebt. Die Le&#x017F;er werden, wir hoffen es auch, in<lb/>
der Folge noch oft Gelegenheit haben, die&#x017F;e Bemerkung &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
be&#x017F;tätigen, da wir bisher nur wenige Schritte über den Eingang<lb/>
des erhabenen Tempels der Natur gemacht haben, und uns bei<lb/>
weitem der größte Theil de&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ein Inneres birgt, noch<lb/>
völlig unbekannt i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Littrows</hi> Himmel u. &#x017F;. Wunder <hi rendition="#aq">I.</hi> 13</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0205] Aberration der Fixſterne. rieben, lehrte uns die ungeheuren Diſtanzen der Fixſterne kennen, die wenigſtens zweimalhunderttauſendmal weiter, als ſelbſt die Sonne, von uns entfernt ſind, und ſie lehrten uns endlich die Geſchwindigkeit des ſchnellſten Körpers der Natur, des Lichtes, meſſen, und in der Aberrations-Ellipſe der Fixſterne, an dem Himmelsgewölbe, wie in einem verkleinernden Hohlſpiegel die große Bahn der Erde von nahe 130 Millionen Meilen im Um- fange erkennen, von welchen jene kleine, mit unbewaffnetem Auge nicht einmal ſichtbare Ellipſe als ein getreues Miniaturgemälde betrachtet werden kann. Welche Reſultate, und mit welchen Mitteln wurden ſie er- halten! Welche andere Wiſſenſchaft hat ähnliche Siege mit ähn- lichen Waffen aufzuweiſen. Wohl mag es uns gegönnt ſeyn, die Aſtronomie als den Triumph des menſchlichen Geiſtes, als den Gegenſtand des gerechten Stolzes des Menſchen zu preiſen, der mit den Augen der Milbe jenen belebten Bläschen zuſieht, von denen Tauſende einen Waſſertropfen bewohnen, und die heerden- weiſe durch das Oehr einer Nadel ziehen, und der dann, wenn er von dieſen Welten im Kleinen, die ihn in zahlloſen Mengen nach allen Seiten umgeben, ſeinen Blick aufwärts, zu den großen Welten über ihn erhebt, mit den Augen eines Cherubs ſich in die ungemeſſenen Höhen des Himmels ſchwingt, und Räume durchwandert, vor deren Größe ſelbſt die kühnſte Einbildungskraft erſchrocken zurückbebt. Die Leſer werden, wir hoffen es auch, in der Folge noch oft Gelegenheit haben, dieſe Bemerkung ſelbſt zu beſtätigen, da wir bisher nur wenige Schritte über den Eingang des erhabenen Tempels der Natur gemacht haben, und uns bei weitem der größte Theil deſſen, was ſein Inneres birgt, noch völlig unbekannt iſt. Littrows Himmel u. ſ. Wunder I. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/205
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/205>, abgerufen am 25.04.2024.