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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Aberration der Fixsterne.
uns gemacht hat. Wer von uns würde, wenn er sie nicht machen
könnte, von dem Interesse, welches dieser Gegenstand einflößt, un-
widerstehlich angezogen, diese einfachen Rechnungen, und durch sie
den einzigen Weg nicht kennen lernen wollen, auf welchem man zur
Kenntniß dieser Resultate, und zur Ueberzeugung gelangen kann,
daß sie der Wahrheit vollkommen gemäß, und über allen Zweifel
erhaben sind. Möchte dieß doch bei den Lesern dieser Blätter eine
Veranlassung seyn, auch die andern, minder einfachen Theile der
mathematischen Analysis etwas näher kennen zu lernen. Wir
werden später noch oft andere nicht minder überraschende, nicht
minder wunderbare Resultate unserer Wissenschaft mitzutheilen
Gelegenheit haben, aber nur selten wird es uns vergönnt seyn,
von ihnen, so wie hier, auch ihre Beweise mitzutheilen, weil diese
Kenntnisse jene Analysis erfordern, die wir, dem Zwecke dieser
Schrift gemäß, bei den Lesern nicht voraussetzen. Alsdann werden
wir, des besten Willens ungeachtet, gezwungen seyn, die schönsten
Blüthen und Früchte der Wissenschaft, ohne ihre Gründe, nur
historisch mitzutheilen, und die Leser, sie auf Treu und Glauben
anzunehmen. So weiß man z. B., um nur bei dem Lichte, das
jetzt den Gegenstand unserer Betrachtung bildet, stehen zu bleiben,
man weiß mit derselben Ueberzeugung, mit welcher wir so eben
die Geschwindigkeit desselben kennen gelernt haben, daß es, wenn
es die Oberfläche eines Körpers trifft, jeden einzelnen Punkt oder
jedes Atom des Körpers in Schwingungen versetzt, die mit einer
außerordentlichen Geschwindigkeit, und in regelmäßig wiederkeh-
renden Perioden, vor sich gehen. Die Schnelligkeit dieser Schwin-
gungen ist so groß, daß mehre hundert Billionen derselben noch
nicht eine Secunde Zeit erfüllen. Diese Schwingungen, welche
den Elementen der Körper sowohl, als auch unseren Sehnerven
durch das Licht mitgetheilt werden, sind die eigentliche Ursache,
daß wir diese Körper mit unseren Augen fühlen, d. h. daß wir
sie sehen, und eben so sind die Unterschiede in der Wiederkehr
ihrer Perioden die Ursache von den verschiedenen Farben, unter
welchen uns die Körper der Natur erscheinen. Um z. B. einen
Gegenstand in der rothen Farbe zu sehen, werden die Elemente
unserer Augennerven, gleich den Vibrationen einer tönenden Saite,
480 Billionenmal, durch die gelbe Farbe 540 Billionenmal, und durch

Aberration der Fixſterne.
uns gemacht hat. Wer von uns würde, wenn er ſie nicht machen
könnte, von dem Intereſſe, welches dieſer Gegenſtand einflößt, un-
widerſtehlich angezogen, dieſe einfachen Rechnungen, und durch ſie
den einzigen Weg nicht kennen lernen wollen, auf welchem man zur
Kenntniß dieſer Reſultate, und zur Ueberzeugung gelangen kann,
daß ſie der Wahrheit vollkommen gemäß, und über allen Zweifel
erhaben ſind. Möchte dieß doch bei den Leſern dieſer Blätter eine
Veranlaſſung ſeyn, auch die andern, minder einfachen Theile der
mathematiſchen Analyſis etwas näher kennen zu lernen. Wir
werden ſpäter noch oft andere nicht minder überraſchende, nicht
minder wunderbare Reſultate unſerer Wiſſenſchaft mitzutheilen
Gelegenheit haben, aber nur ſelten wird es uns vergönnt ſeyn,
von ihnen, ſo wie hier, auch ihre Beweiſe mitzutheilen, weil dieſe
Kenntniſſe jene Analyſis erfordern, die wir, dem Zwecke dieſer
Schrift gemäß, bei den Leſern nicht vorausſetzen. Alsdann werden
wir, des beſten Willens ungeachtet, gezwungen ſeyn, die ſchönſten
Blüthen und Früchte der Wiſſenſchaft, ohne ihre Gründe, nur
hiſtoriſch mitzutheilen, und die Leſer, ſie auf Treu und Glauben
anzunehmen. So weiß man z. B., um nur bei dem Lichte, das
jetzt den Gegenſtand unſerer Betrachtung bildet, ſtehen zu bleiben,
man weiß mit derſelben Ueberzeugung, mit welcher wir ſo eben
die Geſchwindigkeit deſſelben kennen gelernt haben, daß es, wenn
es die Oberfläche eines Körpers trifft, jeden einzelnen Punkt oder
jedes Atom des Körpers in Schwingungen verſetzt, die mit einer
außerordentlichen Geſchwindigkeit, und in regelmäßig wiederkeh-
renden Perioden, vor ſich gehen. Die Schnelligkeit dieſer Schwin-
gungen iſt ſo groß, daß mehre hundert Billionen derſelben noch
nicht eine Secunde Zeit erfüllen. Dieſe Schwingungen, welche
den Elementen der Körper ſowohl, als auch unſeren Sehnerven
durch das Licht mitgetheilt werden, ſind die eigentliche Urſache,
daß wir dieſe Körper mit unſeren Augen fühlen, d. h. daß wir
ſie ſehen, und eben ſo ſind die Unterſchiede in der Wiederkehr
ihrer Perioden die Urſache von den verſchiedenen Farben, unter
welchen uns die Körper der Natur erſcheinen. Um z. B. einen
Gegenſtand in der rothen Farbe zu ſehen, werden die Elemente
unſerer Augennerven, gleich den Vibrationen einer tönenden Saite,
480 Billionenmal, durch die gelbe Farbe 540 Billionenmal, und durch

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[183/0195] Aberration der Fixſterne. uns gemacht hat. Wer von uns würde, wenn er ſie nicht machen könnte, von dem Intereſſe, welches dieſer Gegenſtand einflößt, un- widerſtehlich angezogen, dieſe einfachen Rechnungen, und durch ſie den einzigen Weg nicht kennen lernen wollen, auf welchem man zur Kenntniß dieſer Reſultate, und zur Ueberzeugung gelangen kann, daß ſie der Wahrheit vollkommen gemäß, und über allen Zweifel erhaben ſind. Möchte dieß doch bei den Leſern dieſer Blätter eine Veranlaſſung ſeyn, auch die andern, minder einfachen Theile der mathematiſchen Analyſis etwas näher kennen zu lernen. Wir werden ſpäter noch oft andere nicht minder überraſchende, nicht minder wunderbare Reſultate unſerer Wiſſenſchaft mitzutheilen Gelegenheit haben, aber nur ſelten wird es uns vergönnt ſeyn, von ihnen, ſo wie hier, auch ihre Beweiſe mitzutheilen, weil dieſe Kenntniſſe jene Analyſis erfordern, die wir, dem Zwecke dieſer Schrift gemäß, bei den Leſern nicht vorausſetzen. Alsdann werden wir, des beſten Willens ungeachtet, gezwungen ſeyn, die ſchönſten Blüthen und Früchte der Wiſſenſchaft, ohne ihre Gründe, nur hiſtoriſch mitzutheilen, und die Leſer, ſie auf Treu und Glauben anzunehmen. So weiß man z. B., um nur bei dem Lichte, das jetzt den Gegenſtand unſerer Betrachtung bildet, ſtehen zu bleiben, man weiß mit derſelben Ueberzeugung, mit welcher wir ſo eben die Geſchwindigkeit deſſelben kennen gelernt haben, daß es, wenn es die Oberfläche eines Körpers trifft, jeden einzelnen Punkt oder jedes Atom des Körpers in Schwingungen verſetzt, die mit einer außerordentlichen Geſchwindigkeit, und in regelmäßig wiederkeh- renden Perioden, vor ſich gehen. Die Schnelligkeit dieſer Schwin- gungen iſt ſo groß, daß mehre hundert Billionen derſelben noch nicht eine Secunde Zeit erfüllen. Dieſe Schwingungen, welche den Elementen der Körper ſowohl, als auch unſeren Sehnerven durch das Licht mitgetheilt werden, ſind die eigentliche Urſache, daß wir dieſe Körper mit unſeren Augen fühlen, d. h. daß wir ſie ſehen, und eben ſo ſind die Unterſchiede in der Wiederkehr ihrer Perioden die Urſache von den verſchiedenen Farben, unter welchen uns die Körper der Natur erſcheinen. Um z. B. einen Gegenſtand in der rothen Farbe zu ſehen, werden die Elemente unſerer Augennerven, gleich den Vibrationen einer tönenden Saite, 480 Billionenmal, durch die gelbe Farbe 540 Billionenmal, und durch

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/195>, abgerufen am 28.03.2024.