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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Parallaxen u. Entfernungen d. Gestirne von d. Erde.
unseres geistigen Auges, so sehr sich auch durch diese vielfache
Hilfe der Kreis unserer Kenntnisse der Natur und ihrer Gesetze
erweitert haben mag -- noch liegt ein großer Theil dieses unab-
sehbaren Feldes unerforscht und in Dunkel gehüllt vor uns, und
unseren glücklicheren Nachkommen wird es aufbehalten seyn, die
uns unübersteiglichen Hindernisse zu besiegen, die Gränzen der
erhabenen Wissenschaft zu erweitern und den, in Betracht des
noch Unbekannten, gewiß nur sehr kleinen Schatz von Kenntnissen,
den wir ihnen mit Vertrauen als ihr bestes Erbe hinterlassen,
durch Fleiß und Einsicht und durch neue Verbesserungen ihrer
Hilfsmittel zu vermehren. Wir werden sogleich sehen, wo und
wie sehr es uns noch fehlt, wie viel uns noch zu wünschen übrig
ist und wie beschränkt unsere Kenntnisse selbst in derjenigen Wis-
senschaft sind, in welcher der menschliche Geist weiter, als in jeder
anderen, vorgedrungen ist.

§. 67. (Entfernung und Größe der Fixsterne.) Wir haben
oben (§. 64) die Mittel vorgetragen, die Horizontalparallaxe der
Gestirne durch Beobachtungen zu bestimmen und sie auch auf ei-
nige Körper unseres Planetensystems, auf den Mond, die Venus
und die Sonne angewendet. Allein diese Körper sind uns alle,
wenn sie gleich durch Tausende, ja selbst durch Millionen Meilen
von uns getrennt sind, doch immer noch für nahe, wenigstens für
so nahe zu achten, daß der Halbmesser unserer Erde, in Beziehung
auf die Distanz jener Körper, nicht mehr als ein verschwindender
Punkt angesehen werden darf, wenigstens nicht mehr für die besten
unserer Instrumente, mit welchen wir noch, wie wir oben ange-
nommen haben, die gewiß sehr kleine und unseren unbewaffneten
Augen ganz unmerkliche Größe von einer Secunde deutlich un-
terscheiden können. Für den entferntesten Körper unseres Sy-
stems, für den Planeten Uranus, beträgt diese Horizontalparall-
axe, selbst wenn sie am größten ist, nur 0,47 einer Secunde, und
sie ist daher bereits so klein, daß wir sie, ungeachtet der großen
Vollkommenheit unserer neueren Instrumente, nicht mehr bemerken
würden. Auch ist sie uns nicht durch Beobachtungen der Art, wie
sie in §. 64 auseinander gesetzt werden, erhalten worden. Aber
nach dem oben (§. 58) angeführten Gesetze Keplers und der be-
kannten Umlaufszeit des Uranus um die Sonne, der 30.689 Tage

Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde.
unſeres geiſtigen Auges, ſo ſehr ſich auch durch dieſe vielfache
Hilfe der Kreis unſerer Kenntniſſe der Natur und ihrer Geſetze
erweitert haben mag — noch liegt ein großer Theil dieſes unab-
ſehbaren Feldes unerforſcht und in Dunkel gehüllt vor uns, und
unſeren glücklicheren Nachkommen wird es aufbehalten ſeyn, die
uns unüberſteiglichen Hinderniſſe zu beſiegen, die Gränzen der
erhabenen Wiſſenſchaft zu erweitern und den, in Betracht des
noch Unbekannten, gewiß nur ſehr kleinen Schatz von Kenntniſſen,
den wir ihnen mit Vertrauen als ihr beſtes Erbe hinterlaſſen,
durch Fleiß und Einſicht und durch neue Verbeſſerungen ihrer
Hilfsmittel zu vermehren. Wir werden ſogleich ſehen, wo und
wie ſehr es uns noch fehlt, wie viel uns noch zu wünſchen übrig
iſt und wie beſchränkt unſere Kenntniſſe ſelbſt in derjenigen Wiſ-
ſenſchaft ſind, in welcher der menſchliche Geiſt weiter, als in jeder
anderen, vorgedrungen iſt.

§. 67. (Entfernung und Größe der Fixſterne.) Wir haben
oben (§. 64) die Mittel vorgetragen, die Horizontalparallaxe der
Geſtirne durch Beobachtungen zu beſtimmen und ſie auch auf ei-
nige Körper unſeres Planetenſyſtems, auf den Mond, die Venus
und die Sonne angewendet. Allein dieſe Körper ſind uns alle,
wenn ſie gleich durch Tauſende, ja ſelbſt durch Millionen Meilen
von uns getrennt ſind, doch immer noch für nahe, wenigſtens für
ſo nahe zu achten, daß der Halbmeſſer unſerer Erde, in Beziehung
auf die Diſtanz jener Körper, nicht mehr als ein verſchwindender
Punkt angeſehen werden darf, wenigſtens nicht mehr für die beſten
unſerer Inſtrumente, mit welchen wir noch, wie wir oben ange-
nommen haben, die gewiß ſehr kleine und unſeren unbewaffneten
Augen ganz unmerkliche Größe von einer Secunde deutlich un-
terſcheiden können. Für den entfernteſten Körper unſeres Sy-
ſtems, für den Planeten Uranus, beträgt dieſe Horizontalparall-
axe, ſelbſt wenn ſie am größten iſt, nur 0,47 einer Secunde, und
ſie iſt daher bereits ſo klein, daß wir ſie, ungeachtet der großen
Vollkommenheit unſerer neueren Inſtrumente, nicht mehr bemerken
würden. Auch iſt ſie uns nicht durch Beobachtungen der Art, wie
ſie in §. 64 auseinander geſetzt werden, erhalten worden. Aber
nach dem oben (§. 58) angeführten Geſetze Keplers und der be-
kannten Umlaufszeit des Uranus um die Sonne, der 30.689 Tage

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[157/0169] Parallaxen u. Entfernungen d. Geſtirne von d. Erde. unſeres geiſtigen Auges, ſo ſehr ſich auch durch dieſe vielfache Hilfe der Kreis unſerer Kenntniſſe der Natur und ihrer Geſetze erweitert haben mag — noch liegt ein großer Theil dieſes unab- ſehbaren Feldes unerforſcht und in Dunkel gehüllt vor uns, und unſeren glücklicheren Nachkommen wird es aufbehalten ſeyn, die uns unüberſteiglichen Hinderniſſe zu beſiegen, die Gränzen der erhabenen Wiſſenſchaft zu erweitern und den, in Betracht des noch Unbekannten, gewiß nur ſehr kleinen Schatz von Kenntniſſen, den wir ihnen mit Vertrauen als ihr beſtes Erbe hinterlaſſen, durch Fleiß und Einſicht und durch neue Verbeſſerungen ihrer Hilfsmittel zu vermehren. Wir werden ſogleich ſehen, wo und wie ſehr es uns noch fehlt, wie viel uns noch zu wünſchen übrig iſt und wie beſchränkt unſere Kenntniſſe ſelbſt in derjenigen Wiſ- ſenſchaft ſind, in welcher der menſchliche Geiſt weiter, als in jeder anderen, vorgedrungen iſt. §. 67. (Entfernung und Größe der Fixſterne.) Wir haben oben (§. 64) die Mittel vorgetragen, die Horizontalparallaxe der Geſtirne durch Beobachtungen zu beſtimmen und ſie auch auf ei- nige Körper unſeres Planetenſyſtems, auf den Mond, die Venus und die Sonne angewendet. Allein dieſe Körper ſind uns alle, wenn ſie gleich durch Tauſende, ja ſelbſt durch Millionen Meilen von uns getrennt ſind, doch immer noch für nahe, wenigſtens für ſo nahe zu achten, daß der Halbmeſſer unſerer Erde, in Beziehung auf die Diſtanz jener Körper, nicht mehr als ein verſchwindender Punkt angeſehen werden darf, wenigſtens nicht mehr für die beſten unſerer Inſtrumente, mit welchen wir noch, wie wir oben ange- nommen haben, die gewiß ſehr kleine und unſeren unbewaffneten Augen ganz unmerkliche Größe von einer Secunde deutlich un- terſcheiden können. Für den entfernteſten Körper unſeres Sy- ſtems, für den Planeten Uranus, beträgt dieſe Horizontalparall- axe, ſelbſt wenn ſie am größten iſt, nur 0,47 einer Secunde, und ſie iſt daher bereits ſo klein, daß wir ſie, ungeachtet der großen Vollkommenheit unſerer neueren Inſtrumente, nicht mehr bemerken würden. Auch iſt ſie uns nicht durch Beobachtungen der Art, wie ſie in §. 64 auseinander geſetzt werden, erhalten worden. Aber nach dem oben (§. 58) angeführten Geſetze Keplers und der be- kannten Umlaufszeit des Uranus um die Sonne, der 30.689 Tage

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/169>, abgerufen am 24.04.2024.