Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Jährliche Bewegung der Erde.
ähnlichen Himmelskörper, der Planeten und Kometen, also auch
wohl, wenigstens höchst wahrscheinlich, die Quelle aller der man-
nigfaltigen Bewegungen, welche wir an diesen Himmelskörpern
bemerken. Um diese letzten für die zahllosen Wohlthaten, welche
sie von der Sonne erhalten, am meisten fähig und empfänglich
zu machen, wird es wohl am angemessensten seyn, den Thron der
Sonne in der Mitte aller anderen Bahnen, also auch in der Mitte
der Erdbahn zu errichten, damit alle übrigen Körper ihres Syste-
mes von ihren Strahlen gleichförmig erleuchtet und erwärmt
werden können. Aber Gründe dieser Art gehören mehr der Imagi-
nation, als dem Verstande, mehr der Dichtkunst, als der Mathe-
matik an. Sie sind, wie so manche andere, aus dem Gebiete der
Metaphysik, auf eine vielleicht nur eingebildete Harmonie des
Weltalls gebaut, die zu ergründen dem menschlichen Geiste wahr-
scheinlich immer unmöglich bleiben wird. Wenn wir uns der
Wahrheit mit sicheren Schritten nähern wollen, so müssen wir
jene Abwege, die schon oft genug irre geführt haben, vermeiden
und uns nur an solche Gründe halten, die entweder aus bloßen
Beobachtungen hervorgehen, oder die ein unmittelbares Re-
sultat der Rechnung sind, da diese beiden die zwei einzigen
sicheren Grundlagen aller menschlichen Erkenntnisse sind.

§. 56. (Die Erde bewegt sich um die viel größere Sonne.) Et-
was besser werden wir verfahren, wenn wir auf die bereits be-
kannte Größe der zwei Körper, um die es sich hier handelt, Rück-
sicht nehmen. Die Sonne aber ist, wie wir gesehen haben, eine
Kugel von so ungeheurer Größe, daß man daraus nahe eine und
eine halbe Million solcher Kugeln, wie unsere Erde ist, machen
könnte. Welches mächtige, uns unsichtbare Band nun auch diese
beiden Körper an einander knüpfen, welche Kraft den einen der-
selben um den anderen führen mag, ist es nicht, auf den ersten
Blick schon, unendlich wahrscheinlicher, daß diese Kraft in dem
größeren wohnen, daß also der kleinere Körper sich um den so
vielmal größeren, nicht aber dieser um jenen sich bewegen werde?
Wenn wir zwei Steine von sehr verschiedenem Gewichte an die bei-
den Enden einer Schnur befestigen und sie so verbunden in die
Luft schleudern, so werden sich, nach den ersten Gesetzen der Me-
chanik beide Körper des Systems um ihren gemeinschaftlichen

Jährliche Bewegung der Erde.
ähnlichen Himmelskörper, der Planeten und Kometen, alſo auch
wohl, wenigſtens höchſt wahrſcheinlich, die Quelle aller der man-
nigfaltigen Bewegungen, welche wir an dieſen Himmelskörpern
bemerken. Um dieſe letzten für die zahlloſen Wohlthaten, welche
ſie von der Sonne erhalten, am meiſten fähig und empfänglich
zu machen, wird es wohl am angemeſſenſten ſeyn, den Thron der
Sonne in der Mitte aller anderen Bahnen, alſo auch in der Mitte
der Erdbahn zu errichten, damit alle übrigen Körper ihres Syſte-
mes von ihren Strahlen gleichförmig erleuchtet und erwärmt
werden können. Aber Gründe dieſer Art gehören mehr der Imagi-
nation, als dem Verſtande, mehr der Dichtkunſt, als der Mathe-
matik an. Sie ſind, wie ſo manche andere, aus dem Gebiete der
Metaphyſik, auf eine vielleicht nur eingebildete Harmonie des
Weltalls gebaut, die zu ergründen dem menſchlichen Geiſte wahr-
ſcheinlich immer unmöglich bleiben wird. Wenn wir uns der
Wahrheit mit ſicheren Schritten nähern wollen, ſo müſſen wir
jene Abwege, die ſchon oft genug irre geführt haben, vermeiden
und uns nur an ſolche Gründe halten, die entweder aus bloßen
Beobachtungen hervorgehen, oder die ein unmittelbares Re-
ſultat der Rechnung ſind, da dieſe beiden die zwei einzigen
ſicheren Grundlagen aller menſchlichen Erkenntniſſe ſind.

§. 56. (Die Erde bewegt ſich um die viel größere Sonne.) Et-
was beſſer werden wir verfahren, wenn wir auf die bereits be-
kannte Größe der zwei Körper, um die es ſich hier handelt, Rück-
ſicht nehmen. Die Sonne aber iſt, wie wir geſehen haben, eine
Kugel von ſo ungeheurer Größe, daß man daraus nahe eine und
eine halbe Million ſolcher Kugeln, wie unſere Erde iſt, machen
könnte. Welches mächtige, uns unſichtbare Band nun auch dieſe
beiden Körper an einander knüpfen, welche Kraft den einen der-
ſelben um den anderen führen mag, iſt es nicht, auf den erſten
Blick ſchon, unendlich wahrſcheinlicher, daß dieſe Kraft in dem
größeren wohnen, daß alſo der kleinere Körper ſich um den ſo
vielmal größeren, nicht aber dieſer um jenen ſich bewegen werde?
Wenn wir zwei Steine von ſehr verſchiedenem Gewichte an die bei-
den Enden einer Schnur befeſtigen und ſie ſo verbunden in die
Luft ſchleudern, ſo werden ſich, nach den erſten Geſetzen der Me-
chanik beide Körper des Syſtems um ihren gemeinſchaftlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0145" n="133"/><fw place="top" type="header">Jährliche Bewegung der Erde.</fw><lb/>
ähnlichen Himmelskörper, der Planeten und Kometen, al&#x017F;o auch<lb/>
wohl, wenig&#x017F;tens höch&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich, die Quelle aller der man-<lb/>
nigfaltigen Bewegungen, welche wir an die&#x017F;en Himmelskörpern<lb/>
bemerken. Um die&#x017F;e letzten für die zahllo&#x017F;en Wohlthaten, welche<lb/>
&#x017F;ie von der Sonne erhalten, am mei&#x017F;ten fähig und empfänglich<lb/>
zu machen, wird es wohl am angeme&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ten &#x017F;eyn, den Thron der<lb/>
Sonne in der Mitte aller anderen Bahnen, al&#x017F;o auch in der Mitte<lb/>
der Erdbahn zu errichten, damit alle übrigen Körper ihres Sy&#x017F;te-<lb/>
mes von ihren Strahlen gleichförmig erleuchtet und erwärmt<lb/>
werden können. Aber Gründe die&#x017F;er Art gehören mehr der Imagi-<lb/>
nation, als dem Ver&#x017F;tande, mehr der Dichtkun&#x017F;t, als der Mathe-<lb/>
matik an. Sie &#x017F;ind, wie &#x017F;o manche andere, aus dem Gebiete der<lb/>
Metaphy&#x017F;ik, auf eine vielleicht nur eingebildete Harmonie des<lb/>
Weltalls gebaut, die zu ergründen dem men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;te wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich immer unmöglich bleiben wird. Wenn wir uns der<lb/>
Wahrheit mit &#x017F;icheren Schritten nähern wollen, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en wir<lb/>
jene Abwege, die &#x017F;chon oft genug irre geführt haben, vermeiden<lb/>
und uns nur an &#x017F;olche Gründe halten, die entweder aus bloßen<lb/><hi rendition="#g">Beobachtungen</hi> hervorgehen, oder die ein unmittelbares Re-<lb/>
&#x017F;ultat der <hi rendition="#g">Rechnung</hi> &#x017F;ind, da die&#x017F;e beiden die zwei einzigen<lb/>
&#x017F;icheren Grundlagen aller men&#x017F;chlichen Erkenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind.</p><lb/>
          <p>§. 56. (Die Erde bewegt &#x017F;ich um die viel größere Sonne.) Et-<lb/>
was be&#x017F;&#x017F;er werden wir verfahren, wenn wir auf die bereits be-<lb/>
kannte Größe der zwei Körper, um die es &#x017F;ich hier handelt, Rück-<lb/>
&#x017F;icht nehmen. Die Sonne aber i&#x017F;t, wie wir ge&#x017F;ehen haben, eine<lb/>
Kugel von &#x017F;o ungeheurer Größe, daß man daraus nahe eine und<lb/>
eine halbe Million &#x017F;olcher Kugeln, wie un&#x017F;ere Erde i&#x017F;t, machen<lb/>
könnte. Welches mächtige, uns un&#x017F;ichtbare Band nun auch die&#x017F;e<lb/>
beiden Körper an einander knüpfen, welche Kraft den einen der-<lb/>
&#x017F;elben um den anderen führen mag, i&#x017F;t es nicht, auf den er&#x017F;ten<lb/>
Blick &#x017F;chon, unendlich wahr&#x017F;cheinlicher, daß die&#x017F;e Kraft in dem<lb/>
größeren wohnen, daß al&#x017F;o der kleinere Körper &#x017F;ich um den &#x017F;o<lb/>
vielmal größeren, nicht aber die&#x017F;er um jenen &#x017F;ich bewegen werde?<lb/>
Wenn wir zwei Steine von &#x017F;ehr ver&#x017F;chiedenem Gewichte an die bei-<lb/>
den Enden einer Schnur befe&#x017F;tigen und &#x017F;ie &#x017F;o verbunden in die<lb/>
Luft &#x017F;chleudern, &#x017F;o werden &#x017F;ich, nach den er&#x017F;ten Ge&#x017F;etzen der Me-<lb/>
chanik beide Körper des Sy&#x017F;tems um ihren gemein&#x017F;chaftlichen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0145] Jährliche Bewegung der Erde. ähnlichen Himmelskörper, der Planeten und Kometen, alſo auch wohl, wenigſtens höchſt wahrſcheinlich, die Quelle aller der man- nigfaltigen Bewegungen, welche wir an dieſen Himmelskörpern bemerken. Um dieſe letzten für die zahlloſen Wohlthaten, welche ſie von der Sonne erhalten, am meiſten fähig und empfänglich zu machen, wird es wohl am angemeſſenſten ſeyn, den Thron der Sonne in der Mitte aller anderen Bahnen, alſo auch in der Mitte der Erdbahn zu errichten, damit alle übrigen Körper ihres Syſte- mes von ihren Strahlen gleichförmig erleuchtet und erwärmt werden können. Aber Gründe dieſer Art gehören mehr der Imagi- nation, als dem Verſtande, mehr der Dichtkunſt, als der Mathe- matik an. Sie ſind, wie ſo manche andere, aus dem Gebiete der Metaphyſik, auf eine vielleicht nur eingebildete Harmonie des Weltalls gebaut, die zu ergründen dem menſchlichen Geiſte wahr- ſcheinlich immer unmöglich bleiben wird. Wenn wir uns der Wahrheit mit ſicheren Schritten nähern wollen, ſo müſſen wir jene Abwege, die ſchon oft genug irre geführt haben, vermeiden und uns nur an ſolche Gründe halten, die entweder aus bloßen Beobachtungen hervorgehen, oder die ein unmittelbares Re- ſultat der Rechnung ſind, da dieſe beiden die zwei einzigen ſicheren Grundlagen aller menſchlichen Erkenntniſſe ſind. §. 56. (Die Erde bewegt ſich um die viel größere Sonne.) Et- was beſſer werden wir verfahren, wenn wir auf die bereits be- kannte Größe der zwei Körper, um die es ſich hier handelt, Rück- ſicht nehmen. Die Sonne aber iſt, wie wir geſehen haben, eine Kugel von ſo ungeheurer Größe, daß man daraus nahe eine und eine halbe Million ſolcher Kugeln, wie unſere Erde iſt, machen könnte. Welches mächtige, uns unſichtbare Band nun auch dieſe beiden Körper an einander knüpfen, welche Kraft den einen der- ſelben um den anderen führen mag, iſt es nicht, auf den erſten Blick ſchon, unendlich wahrſcheinlicher, daß dieſe Kraft in dem größeren wohnen, daß alſo der kleinere Körper ſich um den ſo vielmal größeren, nicht aber dieſer um jenen ſich bewegen werde? Wenn wir zwei Steine von ſehr verſchiedenem Gewichte an die bei- den Enden einer Schnur befeſtigen und ſie ſo verbunden in die Luft ſchleudern, ſo werden ſich, nach den erſten Geſetzen der Me- chanik beide Körper des Syſtems um ihren gemeinſchaftlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/145
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/145>, abgerufen am 20.04.2024.