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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834.

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Jährliche Bewegung der Sonne.
bestimmen. Allein sie ist weder sehr bequem, noch auch genau zu
nennen, da das erwähnte Alignement mit einer Stange oder einer
Mauer keiner großen Schärfe fähig ist, und da endlich, wie wir
später sehen werden, die Sonne in ihrer Bahn nicht gleichförmig,
sondern bald geschwinder, bald langsamer fortgeht, so daß dadurch
die vorhergehende Voraussetzung, daß sie in einem halben Jahre
genau in dem entgegengesetzten Punkte ihrer Bahn sey, unrichtig
und mit dieser Voraussetzung auch die ganze Methode, wenn man
durch sie ein genaues Resultat verlangt, unbrauchbar wird.
Uebrigens könnte man sich die lästige Wiederholung dieser Beo-
bachtungen ersparen, da in der That schon ein einziger Tag hin-
reicht, die Lage der Ecliptik auf diese obschon unzuverläßige Weise
zu bestimmen, wenn man nämlich dazu, wie zuvor, den längsten
oder auch den kürzesten Tag des Jahres nimmt.

§. 42. (Vereinfachung dieser genäherten Bestimmung der
Sonnenbahn). Man wußte nämlich bereits, daß gegen die Mitte
des März und Septembers für die ganze Erde die Länge des
Tages eben so groß als die Nacht ist, und daß daher (Einl. §. 24, II)
an diesen beiden Tagen die Sonne im Aequator seyn, also auch
hier die Ecliptik den Aequator schneiden müsse, weil dieser Paral-
lelkreis der einzige ist, für welchen der Tag- und Nachtbogen
gleiche Größe hat. Da aber der Aequator den Horizont in zwei
Punkten, die von Süd und Nord gleich weit entfernt sind, oder
in dem Ost- und Westpunkte (Einl. §. 16) schneidet, so war
es genug, nur an einem jener beiden Tage der Nachtgleichen den
Auf- und Untergang der Sonne zu beobachten, um sofort auch in
seinem Horizonte diejenigen zwei Punkte aufzufinden, welche dem
Ost- und Westpunkte entsprechen. Hatte man aber einmal
diese beiden Punkte, so durfte man nur noch an demselben Tage,
z. B. um Mittag, die Sonne ansehen, und sie, etwa nach dem
Augenmaße, mit jenen zwei Punkten verbinden, um sofort die
Lage des Aequators am Himmel gleichsam mit einem Blicke
zu übersehen. Genauer wird man diese Lage erhalten, wenn
man eine Ebene, z. B. eine Tafel, durch jene beiden Punkte, den
Ost- und Westpunkt des Horizonts, legt, und dann diese Tafel um
die durch jene Punkte gehende Linie um eine Axe so lange dreht,
bis das in dieser Tafel stehende Auge des Beobachters die Sonne

Jährliche Bewegung der Sonne.
beſtimmen. Allein ſie iſt weder ſehr bequem, noch auch genau zu
nennen, da das erwähnte Alignement mit einer Stange oder einer
Mauer keiner großen Schärfe fähig iſt, und da endlich, wie wir
ſpäter ſehen werden, die Sonne in ihrer Bahn nicht gleichförmig,
ſondern bald geſchwinder, bald langſamer fortgeht, ſo daß dadurch
die vorhergehende Vorausſetzung, daß ſie in einem halben Jahre
genau in dem entgegengeſetzten Punkte ihrer Bahn ſey, unrichtig
und mit dieſer Vorausſetzung auch die ganze Methode, wenn man
durch ſie ein genaues Reſultat verlangt, unbrauchbar wird.
Uebrigens könnte man ſich die läſtige Wiederholung dieſer Beo-
bachtungen erſparen, da in der That ſchon ein einziger Tag hin-
reicht, die Lage der Ecliptik auf dieſe obſchon unzuverläßige Weiſe
zu beſtimmen, wenn man nämlich dazu, wie zuvor, den längſten
oder auch den kürzeſten Tag des Jahres nimmt.

§. 42. (Vereinfachung dieſer genäherten Beſtimmung der
Sonnenbahn). Man wußte nämlich bereits, daß gegen die Mitte
des März und Septembers für die ganze Erde die Länge des
Tages eben ſo groß als die Nacht iſt, und daß daher (Einl. §. 24, II)
an dieſen beiden Tagen die Sonne im Aequator ſeyn, alſo auch
hier die Ecliptik den Aequator ſchneiden müſſe, weil dieſer Paral-
lelkreis der einzige iſt, für welchen der Tag- und Nachtbogen
gleiche Größe hat. Da aber der Aequator den Horizont in zwei
Punkten, die von Süd und Nord gleich weit entfernt ſind, oder
in dem Oſt- und Weſtpunkte (Einl. §. 16) ſchneidet, ſo war
es genug, nur an einem jener beiden Tage der Nachtgleichen den
Auf- und Untergang der Sonne zu beobachten, um ſofort auch in
ſeinem Horizonte diejenigen zwei Punkte aufzufinden, welche dem
Oſt- und Weſtpunkte entſprechen. Hatte man aber einmal
dieſe beiden Punkte, ſo durfte man nur noch an demſelben Tage,
z. B. um Mittag, die Sonne anſehen, und ſie, etwa nach dem
Augenmaße, mit jenen zwei Punkten verbinden, um ſofort die
Lage des Aequators am Himmel gleichſam mit einem Blicke
zu überſehen. Genauer wird man dieſe Lage erhalten, wenn
man eine Ebene, z. B. eine Tafel, durch jene beiden Punkte, den
Oſt- und Weſtpunkt des Horizonts, legt, und dann dieſe Tafel um
die durch jene Punkte gehende Linie um eine Axe ſo lange dreht,
bis das in dieſer Tafel ſtehende Auge des Beobachters die Sonne

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[102/0114] Jährliche Bewegung der Sonne. beſtimmen. Allein ſie iſt weder ſehr bequem, noch auch genau zu nennen, da das erwähnte Alignement mit einer Stange oder einer Mauer keiner großen Schärfe fähig iſt, und da endlich, wie wir ſpäter ſehen werden, die Sonne in ihrer Bahn nicht gleichförmig, ſondern bald geſchwinder, bald langſamer fortgeht, ſo daß dadurch die vorhergehende Vorausſetzung, daß ſie in einem halben Jahre genau in dem entgegengeſetzten Punkte ihrer Bahn ſey, unrichtig und mit dieſer Vorausſetzung auch die ganze Methode, wenn man durch ſie ein genaues Reſultat verlangt, unbrauchbar wird. Uebrigens könnte man ſich die läſtige Wiederholung dieſer Beo- bachtungen erſparen, da in der That ſchon ein einziger Tag hin- reicht, die Lage der Ecliptik auf dieſe obſchon unzuverläßige Weiſe zu beſtimmen, wenn man nämlich dazu, wie zuvor, den längſten oder auch den kürzeſten Tag des Jahres nimmt. §. 42. (Vereinfachung dieſer genäherten Beſtimmung der Sonnenbahn). Man wußte nämlich bereits, daß gegen die Mitte des März und Septembers für die ganze Erde die Länge des Tages eben ſo groß als die Nacht iſt, und daß daher (Einl. §. 24, II) an dieſen beiden Tagen die Sonne im Aequator ſeyn, alſo auch hier die Ecliptik den Aequator ſchneiden müſſe, weil dieſer Paral- lelkreis der einzige iſt, für welchen der Tag- und Nachtbogen gleiche Größe hat. Da aber der Aequator den Horizont in zwei Punkten, die von Süd und Nord gleich weit entfernt ſind, oder in dem Oſt- und Weſtpunkte (Einl. §. 16) ſchneidet, ſo war es genug, nur an einem jener beiden Tage der Nachtgleichen den Auf- und Untergang der Sonne zu beobachten, um ſofort auch in ſeinem Horizonte diejenigen zwei Punkte aufzufinden, welche dem Oſt- und Weſtpunkte entſprechen. Hatte man aber einmal dieſe beiden Punkte, ſo durfte man nur noch an demſelben Tage, z. B. um Mittag, die Sonne anſehen, und ſie, etwa nach dem Augenmaße, mit jenen zwei Punkten verbinden, um ſofort die Lage des Aequators am Himmel gleichſam mit einem Blicke zu überſehen. Genauer wird man dieſe Lage erhalten, wenn man eine Ebene, z. B. eine Tafel, durch jene beiden Punkte, den Oſt- und Weſtpunkt des Horizonts, legt, und dann dieſe Tafel um die durch jene Punkte gehende Linie um eine Axe ſo lange dreht, bis das in dieſer Tafel ſtehende Auge des Beobachters die Sonne

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 1. Stuttgart, 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem01_1834/114>, abgerufen am 29.03.2024.